Leider macht sich genau dieses Problem gerade die AfD zunutze und schickte mit Guido Reil einen ehemaligen Bergmann in´s EU Parlament. Der hat eine Biographie, die viele Menschen anspricht. Gebürtig aus der Region Essen, beschiedene Verhältnisse, Hauptschulabschluss, Im Bergwerk gearbeitet bis dies 2018 geschlossen wurde (vor allem dieser letzte Punkt das bringt ihm viele Sympathiepunkte. Nicht gekündigt oder aufgestiegen, sondern das Werk wurde geschlossen).
Da er bereits seit über 20 Jahren in der SPD aktiv war, halte ich ihn politisch für nicht ganz so unerfahren, wie er gerne tut. Aber er kommt bei den Wählern an.
Das ist einer der Knackpunkte, an dem deutlich wird, wo das eigentliche Problem in Deutschland (auch in vielen anderen Ländern...) liegt, woher die Politikverdrossenheit und Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung kommen, was letztendlich "radikalen Kräften" überhaupt erst Tür und Tor öffnet. Die GLAUBWÜRDIKEIT der "politischen Kaste" ist DAS Problem.
Meiner Meinung nach haben "wir", hat "die Politik" auch nach all den Jahren, die die AfD nun schon in Deutschland eine, ihre Rolle auf der politischen Bühne spielt, noch immer nicht (dazu)gelernt, wie mit solchen "Erscheinungen" umzugehen ist. Sich nur aufzuplustern und bei jeder nur denkbaren Gelegenheit auf solche Leute verbal einzudreschen, Ihnen den Handschlag zu verweigern, ihre Häuser zu beschmieren, ihre Autos in Brand zu setzen, sie in Lokalen nicht mehr zu bewirten, usw. - das bewirkt bestenfalls, daß ihre Sympathisanten sich zwar öffentlich nicht mehr wagen, ihre Meinung kundzutun, was aber deren Grundhaltung und somit deren Wahlverhalten nicht ändern wird - im Gegenteil.
Das einzige, was man solchen Parteien wirksam entgegensetzen kann, ist eine "gute Politik". Es ist eigentlich ganz einfach.
Hätte man sich von Anfang an weniger auf den erbitterten Kampf gegen die AfD, sondern vielmehr auf "deren Themen", die doch zweifellos viele Wähler beschäftigt und angesprochen haben, konzentriert, hätte versucht, ihnen genau dort das Wasser abzugraben und sich mit vernünftigem, glaubhaftem Personal dagegen zu stellen, wäre die AfD nicht halb so weit gekommen, wie sie momentan ist. Davon bin ich überzeugt.
Und gerade die SPD hat weder thematisch, aber schon gar nicht personell den Wählernerv getroffen. Den Preis dafür zahlt sie jetzt - und in Zukunft noch weiter, wenn sie nicht mindestens eine charismatische Figur aus dem Hut zaubert, die die Sprache ihrer Zielgruppe spricht.
Und genau so eine Figur könnte z. B. das Amthörchen in der CDU tatsächlich werden. Er hätte das Potential, weiß schon jetzt, in diesem noch jugendlichen Alter, wie er "seine Zielgruppen" anspricht, wie er die AfD "locker, flockig", argumentativ ganz alt aussehen lassen kann...
Das sind gute Voraussetzungen. Ob Amthor tatsächlich noch weit kommen wird, hängt davon ab, von wem er sich in Zukunft womöglich beeinflussen lässt, ob ihm gewisse Karriereaussichten wichtiger sein werden, als seine Überzeugungen, usw. Er ist noch sehr jung und die Politik ist ein dreckiges Haifischbecken. Da sind schon andere abgesoffen. Aber vielleicht schafft er es ja? Und vielleicht tauchen auch in anderen Parteien endlich mal junge Leute auf, die nicht nur ewig gleiche Phrasen dreschen und auf einer Schleimspur der Parteiführung hinterher rutschen, sondern ihre Wählerschaft wieder begeistern und mitreißen können.
Ich glaube, die Zeit wäre reif dafür.