Ich muß sagen, der Gedanke ist mir noch nicht gekommen - Kompliment.
Dankeschön!
Manchmal kann ich mein Germanistik-Studium einfach nicht verleugnen.
Nein, im Ernst. Ich gehöre zu den Menschen, die sich über das Gelesene Gedanken machen. Und Rowlings Bücher sind vielschichtig und gehen vom ersten Band an weit über Kinderbücher hinaus, bilden - unter anderem - in ihrer Gesamtheit einen Entwicklungsroman. Glücklicherweise hat sie nie die Fäden verloren und immer wieder stimmig angeknüpft.
Erst jetzt, als ich es geschrieben habe, ist mir so richtig klar geworden, wie sehr ich mich mit der Figur des Neville beschäftigt habe. Z.T. auch angestoßen von den Filmen, die ihr nicht im Geringsten gerecht werden.
Neville wird spätestens in dem Moment zu Harrys "Negativ", als klar wird, dass Voldemort die Wahl zwischen zwei Jungen hatte. Und Neville hat vom ersten Tag an denselben Mut wie Harry - vielleicht noch größeren, weil er es wagt, sich seinen einzigen Freunden in den Weg zu stellen, weil sie seiner Ansicht nach töricht handeln. Und er handelt aus einer wesentlich schwächeren Position heraus als Harry. Er ist sensibler, er hat offensichtlichere Schwächen, die ihn von vornherein zum Außenseiter stempeln, er weiß schon lange, was mit seinen Eltern geschehen ist und hat eigentlich das schwerere Los (denk' an die Szene im St. Mungo!), denn seine Eltern sind zwar nicht tot, aber schlimmer (für ein Kind) als tot. Und er ist bei dieser übermächtigen Großmutter ("meine Omi") großgeworden. Zusammen mit seiner mangelhaften Magie als Kind (die reinblütige Familie fürchtet lange, er könne ein Squib sein) ist das ein riesiger Berg an Problemen, an denen auch robustere Charaktere hätten scheitern können. Er kämpft gegen die übermächtigen Erwartungen seiner Familie, die er nicht so erfüllen kann, wie sie es erwarten. Und trotzdem ist er mutig. Dummerweise wird sein Mut (bis auf einmal, aber da hilft Dumbledore nach) nie für alle sichtbar, zeigt sich immer im Verborgenen, im Alltag, im Mut, trotz aller Demütigungen doch regelmäßig in Snapes Unterricht zu erscheinen. Und er beklagt sich nie. Selbst jetzt, im letzten Band, als er die treibende Kraft für den Widerstand in der Schule ist, bleiben sein Mut, sein Engagement, seine Fähigkeit, Rückschläge und Strafen klaglos und ohne Sinneswandel zu erdulden, in Harrys Schatten. Erzähltechnisch wird dies an einer Stelle eingefügt, an der der Leser es zwar zur Kenntnis nimmt (und sei es nur durch Harrys Entsetzen), aber seine Aufmerksamkeit durch den Spannungsbogen eigentlich auf den sich abzeichnenden Showdown ausgerichtet ist. Da war es Rowling Neville einfach schuldig, ihm das Schwert in die Hand zu geben. Denn wenn man Neville und Harry miteinander vergleicht, dann ist es schwer zu entscheiden, wer von den beiden sich in seinem jeweils ganz persönlichen Kampf besser geschlagen hat.
Viele Grüße
Petra
P.S. Hatte ich irgendwo erwähnt, dass es mir sehr viel Spaß macht, endlich meine Gedanken zu den Potter-Büchern formulieren zu können? Andere Ansichten sind mehr als willkommen.