Der Fall ...

Elisabeth

DER FALL...

...der die Lawine auslöste, war der Tod des kleinen Volkan, der auf einem Hamburger Schulhof von einem Pitbull buchstäblich zerfleischt wurde. Dann ging es auf einmal alles ganz schnell. In Rekordzeit erließen die meisten Bundesländer neue Hundeverordnungen. Bei Politikern mag zwar Wendigkeit zum Handwerk gehören, aber diese Entschlußkraft war einmalig in Deutschland. Mag sein, daß in der Hektik der Blick für einige Details verloren ging, wie in der NDR-Sendung Panorama vom 13.07.2000 festgestellt wurde. Denn der sechsjährige Junge könnte wahrscheinlich noch leben, wenn Bürokraten und Politiker ihre Arbeit gewissenhaft gemacht und wenn Nachbarn und Bekannte sich nicht im Wegsehen geübt hätten.

Denn Pitbull Zeus konnte töten, weil alle von seiner Gefährlichkeit wussten, aber niemand etwas unternahm. Und der Hundebesitzer Ibrahim K. "Ibo" konnte seinen Kampfhund scharf machen, weil niemand ihn daran hinderte. Und dazu brauchte man keine neue "Kampfhund-Verordnung" - in Hamburg nicht und anderswo auch nicht! Denn in nahezu allen Bundesländern gab es auch schon vor diesem Sommer wirksame Werkzeuge gegen den Mißbrauch von Hunden.

Ibo ist bei Polizei und Staatsanwaltschaft kein unbeschriebenes Blatt. Ermittlungen gegen den heute 23jährigen liefen 1996 und 1997 wegen gefährlicher Körperverletzung, Widerstand und Beleidigung, schweren Diebstahls, schweren Straßenraubs und Hausfriedensbruchs. Er wurde nach dem Jugendstrafrecht behandelt und konnte mit der Milde der Justiz rechnen.

Seinen Pitbull schafft er sich 1997 an - der scharfgemachte Hund verschafft ihm Anerkennung im Milieu und Respekt in der Nachbarschaft. Der Hund ist gerade mal sieben Monate alt, als er einen Schäferhund und dessen Besitzerin anfällt und sie beide verletzt. Strafe: 1.600 Mark. Der Hund wird beim Amtstierarzt vorgestellt, der ihn als nicht bissig, aber aggressiv gegenüber anderen Rüden einstuft. Dem Ordnungsamt empfahl er, Leinenzwang zu verhängen. Ein Polizeisprecher räumt in der Panorama-Sendung später ein, daß die Einhaltung des Leinenzwanges weder vom Ordnungsamt noch von der Polizei überprüft wurde.

Nachbarn beobachten wie Ibrahim K. seinen Hund auf Spielplätzen und auf dem Gelände der Grundschule, wo er jetzt Volkan totgebissen hat, scharfmacht und trainiert.

Das Gartenbauamt tauscht zerbissene Schaukeln (50! in einem Jahr) aus - aber weder die Beamten noch die Nachbarn unternehmen etwas.

Ibrahim K. kann machen, was er will. Mitte 1999 wird er mit einer Pistole erwischt: acht Monate auf Bewährung. Einen Monat später erfolgt eine Anzeige wegen Drogenhandels und schwerer Körperverletzung.

Im April dieses Jahres verletzt Zeus dann einen Labradormischling. Es erfolgt eine Anzeige wegen Sachbeschädigung. Natürlich geht der Fall zum Ordnungsamt. Doch da ist (nicht) mehr bekannt, daß der Pitbull bereits auffällig geworden war und mit einem Leinenzwang belegt wurde. Nach Auskunft des Bezirksamtes ist ein Eingabefehler im Computer die Ursache. Also alles wieder von vorne: das Ordnungsamt schickt Ibrahim K. einen Brief mit der Aufforderung, seinen Hund beim Amtstierarzt vorzustellen. Inzwischen beißt Zeus einen Beagle. Erneut gibt es eine Anzeige wegen Sachbeschädigung. Der Brief an Ibrahim K. ist als unzustellbar zurückgekommen. Jetzt verhängen die Beamten einen Maulkorb- und Leinenzwang und schicken den Brief erneut an den Pitbull-Besitzer. Der kommt auch zurück. Das Ordnungsamt hat dafür natürlich eine ordentliche Erklärung: "Wir haben ihn nicht erreicht, weil der Briefträger bei förmlichen Zustellungen genau darauf achten muss, dass er tatsächlich auch an den Betroffenen zustellt. Das konnte er hier nicht, weil er weder bei der Meldeanschrift ihn feststellen konnte noch bei der Anschrift, wo wir glaubten, dass er sich aufhält."

In Hamburg-Wilhelmsburg kennt Ibo jedoch jedes Kind - aber die hat auch keiner gefragt. Drei Tage später beißt Zeus wieder zu, diesmal ist ein Schäferhund das Opfer. Am 29. April 2000 wird Ibrahim K. zum dritten Mal innerhalb von acht Tagen wegen Sachbeschädigung angezeigt. Spätestens jetzt hätte der Hund eingezogen werden müssen. Michael Lindau vom Bezirksamt Harburg: "Das ist richtig, dass es diese Möglichkeit auch gab. Ein entsprechendes Verfahren hatte unser Wirtschafts- und Ordnungsamt in Wilhelmsburg ja auch eingeleitet. Nur das war noch nicht zum Abschluss gekommen, weil wir die Ermittlungsakten von der Staatsanwaltschaft noch nicht bekommen hatten."

Das Ordnungsbehördengesetz erlaubt aber Wegnahmeanordnungen auch ohne staatsanwaltlichen Beistand.
Das räumte das Bezirksamt denn auch in dem Fernsehinterview ein, hatte aber eine plausible Erklärung, warum an diese Alternative nicht gedacht wurde: Wenn wir eine Wegnahmeanordnung... erlassen hätten, ... hätten wir erst einmal feststellen müssen, wo denn dieser Halter mit seinem Hund sich überhaupt aufhält."

UNGEFÄHR SIEBEN WOCHEN SPÄTER STIRBT VOLKAN:

Panorama kam zu dem Fazit:

Der Tod des kleinen Volkan war also vermeidbar. Denn alle wußten von der tödlichen Gefahr, die von dieser gezüchteten Kampfmaschine und ihrem Halter ausging. Doch zugeben will das niemand.

DR. BERNHARD SCHMIDT (Amtstierarzt:(
"Wir haben uns überhaupt keine Vorwürfe zu machen."

MICHAEL LINDAU (Bezirksamt Harburg:(
"Man kann zum Glück sagen, dass sich die Mitarbeiter keinen Vorwurf machen müssen."

RÜDIGER BAGGER (Staatsanwaltschaft Hamburg:(
"Und die Staatsanwaltschaft braucht sich in diesem Zusammenhang nichts vorwerfen zu lassen."

REINHARD FALLAK (Polizei Hamburg:(
"Die Polizei macht sich in der Form eigentlich keine Vorwürfe."


Quelle: NDR (www.ndrtv.de)

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