Ich glaube, es gibt keine pauschale Antwort darauf, wie man ein ADHS-Kind am sinnvollsten behandelt - das geht nur individuell.
Meiner Erfahrung nach gibt es Kinder, die "anders" sind - wie man das benennt, ist eine andere Frage.
Ich habe mal in einer Kinderpsychiatrie ein Praktikum gemacht und es war zu der Zeit ein 9-jähriger mit ADHS-Diagnose zur Behandlung da.
Irgendwann erzählte er mir, dass er am Abend davor einen Stuhl völlig zertrümmert hat.
Auf meine neutrale Frage: "Mt Absicht?" antwortete er sehr ernsthaft:
"Nein! Mit Wut"
Dieser hochexplosive Junge hat sehr davon profitiert, dass er medikamentös behandelt wurde.
Er konnte wieder in die Schule gehen (da war vorher gar nicht dran zu denken).
Mit anderen Kindern kam er besser aus und machte dadurch die Erfahrung, dass er nicht immer nur wegen seines strangen Verhaltens ausgegrenzt wurde.
Andererseits denke ich, dass die Diagnose viel zu oft zu schnell und unüberlegt gegeben wird und dann Medikamente eingesetzt werden, die eher schaden als nutzen.
Was mir allerdings zu denken gibt:
Ritalin ist ursprünglich ein Aufputschmittel, wirkt aber bei diesen Kindern paradox.
Irgendwas muss da also im Gehirn "falsch" laufen, wenn ein hyperaktives Kind von einem Aufputschmittel ruhiger wird.
Viele "ADHS"-Probleme sind meiner Meinung nach allerdings hausgemacht:
Als unsere kleine Nachbarin Geburtstag hatte, erzählte mir die Mutter, dass es hier so üblich ist, dass die ganze Klasse eingeladen wird.
Mit leicht entsetztem Gesicht fragte ich, wieviel denn da kommen.
Ich hatte bei der Frage Bilder von überfüllten Klassen aus Deutschland im Kopf.
Die Mutter meinte, dass es 15 Kinder seien, ihre Tochter hätte wirklich eine grosse Klasse erwischt.
Natürlich kann eine Lehrerin in solchen Klassen wesentlich besser auf "Störenfriede" eingehen.
Wie schnell die Diagnose ADHS gegeben wird, habe ich auch am eigenen Leib erfahren:
Bevor meine Rente unbefristet gewährt wurde, musste ich zu einer Gutachterin.
Sie war supernett und hatte sich auf das Thema ADHS im Erwachsenenalter spezialisiert.
Im Gespräch meinte sie, dass ich die typische ADHSlerin sei.
Okay, diese Diagnose mit 46 Jahren zu bekommen fand ich ein bisschen schräg.
Es wird immer mal wieder "eine Sau durchs Dorf getrieben", wenn es eine neue Diagnose gibt.
Das war mit dem "Borderline-Syndrom so - unglaublich viele Patienten/innen bekamen in den 80er Jahren die Diagnose und ich denke, mit ADHS ist es ähnlich.
Die Ärzteschaft stürzt sich gerne auf neue Diagnosen und betrachten ihre Patienten/innen dann demenstprechend.
Dann kommt irgendein "Reizsymptom" und schwupps, steht die Diagnose.