Heute sind die Hörgeräte wohl deutlich besser.
Mein Vater hat mich mal während einer Geburtstagsfeier in einer Gaststätte hören lassen, warum er nicht so recht an der Unterhaltung teilnimmt und ich war echt erschüttert.
Die Gespräche vom Nachbartisch überlagerten teilweise unsere Unterhaltung und andere Alltagsgeräusche in der Gaststätte, die man ansonsten gar nicht wahrnimmt, waren ebenso laut.
Er meinte dann nur augenzwinkernd, gehe mit dem Ding mal aufs Klo, du glaubst gar nicht, was eine Klospülung akustisch so alles kann.
Ich trag die Dinger seit gut 3 Jahren und die Klospülung war witzigerweise bei mir tatsächlich das Erste, was mir gezeigt hat, wie sich "in echt" (wieder) anhört. Direkt nach der Anpassung musste ich mal für kleine Mädchen und dachte beim spülen, ich stünde in einem Regenwald..... und im nächsten Moment hab ich nachgesehen, ob ich vielleicht was kaputt gemacht hatte.
Auch das mit vermischten Gesprächen kann ich nur bestätigen und wenn einer ins Handy brüllend hinter mir steht, kriege ich von den vor mir stehenden Gesprächspartnern auch nichts mehr mit, was ich identifizieren könnte. Man hört ja, dass gesprochen wird, aber man versteht die Worte nicht..... In den ersten Wochen mit Hörgerät war ich extremst reizüberflutet und dementsprechend gereizt und nervös. Je nachdem, wie lange man schon hörgemindert ist (heisst nämlich heute nicht mehr schwerhörig
), ist ein Hörgerät schon ein einschneidendes Erlebnis und aus eigener Erfahrung muss ich gestehen, dass ich selbst mich jahrelang unbewusst durchs Leben gemogelt habe, ohne zu merken, wie wenig ich überhaupt wahr nehme.
Hörgeräte zu tragen ist etwas anderes als eine Brille zu tragen. Letztere setzt man auf und man sieht den Unterschied. Beim Hörgerät gibt es jeden Tag Situationen, die dich daran erinnern, dass du ein Problem hast. Ob das ein Widerhall ist, wenn sich schrill pfeifend die Straßenbahntüren öffnen oder Menschen durcheinander sprechen und du raus bist aus den Gesprächen, weil du die Buchstaben nicht mehr auseinander flücken kannst.
Andererseits genieße ich es auch, manchmal akkustisch "offline" gehen zu können, z.B. wenn der Laubbläsermann mal wieder vor meinem Fenster eine Sonderrunde dreht.
In der Regel ist es aber eher belastend, weil man selbst Menschen, die man schon jahrelang kennt, immer und immer wieder darauf hinweisen muss, dass ein Gespräch zwecklos ist, wenn sie den Kopf wegdrehen beim Reden oder die Finger im Mund haben oder eben 2m weiter noch jemand vor sich hin brüllt, der einfach lauter im Ohrhörer ankommt.