Hier noch ein Artikel (gefunden bei dogsaver) dazu,
watson
Hundeschule für Kampfhunde
Fünf Tage dauert es, bis die schwarze Pitbull-Hündin zeigt, was in ihr steckt. Sie greift den Trainer an. Der Kampf ist im Handumdrehen entschieden - zu seinen Gunsten. Bis dahin hatte Judy auf eine unschlagbare Waffe vertraut: Den treuen Hundeblick. Und hatte damit Oberwasser behalten, weil ich es nicht übers Herz brachte, mich hart durchzusetzen.
Judy soll das Kommando "Platz!" befolgen - kein einfacher Befehl wie "sitz!" oder "bei Fuß!". "Platz!", das Abliegen vor den Füßen eines Menschen, ist die tiefste Unterordnung, die von einem Hund verlangt werden kann. Hier geht es um die Rangordnung. Judy wehrt sich erbittert. Doch am fünften Tag des Begleithunde-Kurses verliert sie den Kampf ihres Lebens. Zum ersten Mal hat ein Mensch ihr seinen Willen aufgezwungen.
Doch Judy hat auch gewonnen: Den Schlüssel zu einem neuen Hundeleben. Judy ist zweieinhalb Jahre alt. Seit sie mit sieben Monaten ausgesetzt wurde, lebt sie im Tierheim Köln-Dellbrück. Von ihren 180 Zwinger-Gefährten gehören 90 zu den als "Kampfhunde" bezeichneten Rassen. Sie sind seit der tödlichen Attacke in Hamburg - scharf gemachte Hunde töteten dort ein sechsjähriges Kind - praktisch nicht zu vermitteln. Dabei ist Judy freundlich und menschenbezogen, mit anderen Hunden ist sie aber bisher nicht verträglich. Jetzt soll sie in der Hundeschule Heck in Morschenich (Kreis Düren) Benimm lernen, damit sie vielleicht doch noch eine Familie findet.
Am Einführungsabend erläutern die Trainer Gaby und Wolfgang Heck ihr Konzept: Im ersten Teil des Kurses geht es um Unterordnung. Mit acht Kommandos - "bei Fuß!", "kehrt!", "pfui!", "sitz!", "bleib sitz!", "platz!", "bleib platz!" und "hierhin!" - wird eine Art Basis-Kommunikation zwischen Herr und Hund geschaffen. Damit kann dem Hund in jeder Situation klar gemacht werden, wie er sich zu verhalten hat. 17 Tage lang wird täglich eine Stunde lang trainiert.
"Wir führen die Hunde ganz bewusst in Konflikte", erläutert Wolfgang Heck. Der wichtigste ist der oben beschriebene Rangordnungs-Kampf. Er wird bis zum Letzten ausgefochten, was je nach Charakter des Hundes unterschiedlich dramatisch ausfallen kann.
"Judy ist ein ganz harter Brocken", prophezeit Heck gleich zu Anfang. "Aber ein ehrlicher Charakter." Denn Judy hat Glück gehabt, ist nicht, wie viele der beschlagnahmten Kampfhunde, misshandelt und scharf gemacht worden. Ihre Ohren wurden nicht abgeschnitten, sie wurde nicht unter Drogen gesetzt. Im Tierheim lernte sie nur freundliche Menschen kennen und ist daher ein völlig normaler Hund - allerdings ein dominanter. Deshalb muss sie konsequent und mit einer gewissen Härte angefasst werden.
"Wohl erzogene Hunde haben mehr Freiheiten", sagt Heck. Sie müssen nicht mit Leine und Maulkorb mühsam "in Schach" gehalten werden. Sie können mit ihrer Familie in die Stadt gehen, ohne ständig lauthals zu kläffen, sie können mit ins Restaurant, ohne peinliche Szenen zu verursachen, sie können in Wald und Feld frei toben, weil sie nicht wildern, weglaufen oder fremde Menschen belästigen, und sie können entspannt mit anderen Hunden spielen.
Hier kommt wieder die Rangordnung ins Spiel: Ein Hund, der "seinen" Menschen ein für alle Mal als Rudelführer akzeptiert, wird nicht eigenmächtig handeln und Befehle missachten. Auch im Wolfsrudel folgen alle rangniedrigen Tiere dem Alpha-Wolf. "Der schmerzhafte Leinenruck in unserer Ausbildung entspricht dem zurechtweisenden Biss des ranghöheren Tiers", erläutert Gaby Heck.
Viele Hundebesitzer bringen diese Härte nicht übers Herz, anderen fehlt entweder das Wissen oder die Einsicht. Das Ergebnis sind zwar nur in Ausnahmefällen die gefürchteten bissigen Hunde. Doch auch Alltagsprobleme wie Dauerkläffen, Raufereien, Anspringen fremder Personen und Ungehorsam sorgen für Verdruss. "Bellt ein Hund, wenn es an der Haustür klingelt, obwohl der Besitzer zu Hause ist, stimmt die Rangordnung nicht. Wenn das Alpha-Tier nicht kläfft, hat der Rangniedrigere auch nichts zu sagen", erklärt Wolfgang Heck.
Er ist für die "Erziehung" der zweibeinigen Kursteilnehmer zuständig. "Ein Hund denkt immer geradeaus. Es sind die Halter, die aus Unwissenheit oder Inkonsequenz Fehler machen." Der häufigste: Herr und Hund tragen Konflikte nicht aus, sondern treffen eine Art Stillhalte-Abkommen, indem Reizpunkte umgangen werden.
Wie Judy und ich: Zwei Tage lang hat sie "Platz!" nur nach wiederholter Aufforderung befolgt. Mein strafender Leinenruck ist bei weitem nicht hart genug - wegen des treuen Blicks. "Hat sie vielleicht nicht verstanden, was sie tun soll?" frage ich besorgt. "Unsinn! Die veralbert dich, das ist ihre Art, sich durchzusetzen", gibt Wolfgang Heck zurück. "Setz dich durch, sonst wird es immer schwerer." Schließlich nimmt er die Sache selbst in die Hand - und provoziert den gewünschten Kampf, aus dem er als Sieger hervorgeht. Danach klappt das prompte "Platz!" auch bei mir.
"Hätten wir zu früh aufgehört, hätte Judy die Erkenntnis mitgenommen, stärker zu sein als der Mensch", erklärt er mir, denn er sieht mir deutlich an, wie mitgenommen auch ich von der Szene bin. "Bleibt der Konflikt ungelöst, bricht er irgendwann einmal ganz unvermittelt auf - vielleicht, weil ein Kind Judy an Ohren und Rute zieht und sie auf einmal genug hat." Was das bei einem 35-Kilo-Pitbull bedeutet, mag man sich lieber nicht ausmalen.
Hunde wie Judy - unverdorben, aber mit starker Persönlichkeit - gehören zur erfreulicheren Klientel der Hecks. Neben der ganz normalen Begleithunde-Ausbildung haben sie sich auf die Korrektur von Problemhunden spezialisiert. Viele waren Todeskandidaten, mit denen niemand mehr fertig wurde. Manche wurden von ihren früheren Besitzern misshandelt, manche dagegen so verhätschelt, dass sie sich den Menschen weit überlegen fühlen. Nur ganz wenige sind Erziehungs-resistent. Dauerhafter Erfolg setzt aber vor allem Lernfähigkeit und Konsequenz der Halter voraus.
"Unser Ziel ist der folgsame, verträgliche Hund ohne Aggressions-Potenzial. Wenn er angegriffen wird, muss er sich umdrehen und weggehen. Gerade ein Pitbull oder Staffordshire hat sonst heute keine Chance mehr auf Vermittlung", sagt Heck. Deshalb betreibt er auch keine Schutzhund-Ausbildung, denn die basiert auf der Pflege des Aggressions-Triebes.
Ist die Unterordnung unter den Halter im ersten Kursteil restlos geklärt, folgt die Ausbildung im freien Gelände und in der Stadt sowie das freie Spiel mit anderen Hunden.