WHeimann
Montag, 18. Juni 2001
Verschärfung der Tierhalterhaftpflicht
Zustimmung mit einem «Ja, aber»
Im Rahmen der Revision des Haftpflichtrechts ist eine Verschärfung der Tierhalterpflicht geplant. Der bisher zulässige entlastende Sorgfaltsbeweis soll entfallen. Künftig soll, wenn das revidierte Gesetz so in Kraft tritt, der Tierhalter grundsätzlich immer für den von seinem Tier angerichteten Schaden haften, ob er das Tier nun gut oder schlecht beaufsichtigt (Art. 60 des Vorentwurfes). Im folgenden Artikel legt der Autor im Namen der Stiftung für das Tier im Recht dar, warum die Verschärfung zu begrüssen ist.
Von Antoine F. Goetschel*
Die geplante Verschärfung der Tierhalterhaftpflicht ist im Hinblick auf die Entspannung des Mensch-Hund-Verhältnisses zu begrüssen. Die derzeit heftig geführte Debatte um gefährliche Hunde hat eine erhebliche Verunsicherung über die Verantwortung des Tierhalters ausgelöst bzw. aufgezeichnet. Gerügt wurde unter anderem die trügerische Selbstzufriedenheit von Hundehaltern, den Schadenersatz im Prozessfall durch den Exkulpationsbeweis abwenden zu können. Damit geht tendenziell auch eine Haltung einher, sich nicht um eine verantwortungsvolle Hundehaltung und -ausbildung zu kümmern.
Obligatorische Haftpflichtversicherung
Am Rande wurde auch die unbefriedigende Situation diskutiert, dass einem fehlbaren Tierhalter seine - private und freiwillige - Haftpflichtversicherung den von seinem Tier angerichteten Schaden nicht bezahlt, gerade weil er als Tierhalter unsorgfältig gehandelt haben soll. Damit läuft der Geschädigte Gefahr, über seinen körperlichen und seelischen Schaden hinaus noch einen finanziellen Schaden zu tragen, nämlich bei Illiquidität des fehlbaren Tierhalters.
Mit der Verschärfung der Tierhalterhaftpflicht soll aber zweckmässigerweise eine obligatorische Haftpflichtversicherung für Hundehalter eingeführt werden. Der Bundesrat soll künftig die Ausübung einer gefährlichen Tätigkeit vom Abschluss einer Haftpflichtversicherung abhängig machen können, wenn diese «einer bundesrechtlichen Bewilligungspflicht oder Aufsicht untersteht» (Art. 54g des Vorentwurfes). Das Halten von Hunden fällt bisher nicht darunter.
Zweckmässigerweise ist die Haltung von Hunden und von anderen Tieren, welche als grundsätzlich gefährlich betrachtet werden, einer Versicherungspflicht zu unterstellen. Dies kann entweder durch die Einführung der Bewilligungspflicht für das Halten von Hunden ermöglicht werden, die in die bundesrätliche Kompetenz fiele. Schon heute untersteht das Halten gewisser Tiere einer bundesrechtlichen Bewilligungspflicht; so u. a. gewisser Wildtiere nach Massgabe von Art. 6 und Art. 8 des Tierschutzgesetzes und Art. 38-51 der -verordnung. Oder Art. 54g des Vorentwurfes sieht eine solche Ausdehnung des Haftpflichtobligatoriums auf Hunde ausdrücklich vor, was aus Gründen der gesetzgeberischen Transparenz zu begrüssen wäre.
Durch die - der Motorfahrzeugversicherung nachgebildete - obligatorische Versicherung der Hundehalter könnte eine begründete Verunsicherung über gefährliche Hunde in der Öffentlichkeit gemildert werden: Geschädigte können nämlich mit einer genügenden Deckung rechnen. Denn auch bei Illiquidität des haftenden Hundehalters wären die Ansprüche der Geschädigten auf Schadenersatz und Genugtuung gedeckt.
Überdies wäre damit die Grundlage geschaffen, dass die Versicherungsgesellschaften durch gezielte Aufklärungsarbeit gegenüber den eigenen Hunde haltenden Versicherten und durch Förderung gewisser Ausbildungs- und Zuchtprogramme die Zahl und die Schadenshöhe von Hundevorfällen im Einzelfall reduzieren kann. Sie würden damit einen wesentlichen Beitrag zur Lösung einer gesamtgesellschaftlichen Frage leisten.
Abkehr vom Retentionsrecht
Bisher darf der Besitzer eines Grundstücks Dritten angehörige Tiere, die auf dem Grundstück Schaden anrichten, zur Sicherung seiner Ersatzforderung einfangen und in seinen Gewahrsam nehmen. Der geschädigte Grundeigentümer kann die Rückgabe des Tieres also von der Zahlung seiner Ersatzforderung abhängig machen. Der Grundstücksbesitzer hat am Tier kein eigentliches Pfandrecht, wie aus dem Titel der Gesetzesbestimmungen geschlossen werden könnte. Er darf den Hund bloss zurückbehalten («retinieren») und nach den Bestimmungen von Art. 895ff. des Zivilgesetzbuches wie ein Faustpfand verwerten.
Nun steht bekanntlich die Änderung des Sachstatus von Tieren vor der Tür. Darin wird u. a. die Unpfändbarkeit von Tieren im häuslichen Bereich gefordert, die nicht zu Erwerbs- oder Vermögenszwecken gehalten werden. Wenn bestimmte Tiere in Zukunft nun nicht mehr pfändbar sind, ergibt das Festhalten an der Faustpfandverwertung von Tieren nach Massgabe von Art. 60a (neu) OR keinen Sinn mehr. Wir plädieren also für eine vollständige und ersatzlose Streichung von Art. 60a. Zum allermindesten soll das Retentionsrecht höchstens die nach wie vor pfändbaren Tiere erfassen. Doch auch bei ihnen ist von einer solch antiquierten Möglichkeit der Retention und der Verwertung als Faustpfand abzusehen.
Die bestehende Fassung des Projektes geht bloss von Menschen und von Sachen aus. Dies gilt es, auch nach dem Willen des Bundesrates bezüglich der Änderung des Sachstatus von Tieren, abzuändern. Zumindest sind die Tiere ausdrücklich mit den Sachen zu erwähnen, wo dieselben Bestimmungen gelten. Wo für Tiere im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens über die Änderung des Sachstatus von Tieren Abweichendes vorgesehen ist, soll dies in das laufende Gesetzgebungsverfahren bezüglich Haftpflichtrecht mit einbezogen werden; so etwa beim Affektionswert im Falle der Verletzung oder Tötung von Tieren oder bei den Heilungskosten für das Tier, die den Anschaffungswert übersteigen können.
* Dr. iur. Antoine F. Goetschel, Stiftung für das Tier im Recht, Zürich.
WHeimann
Hundeschule des Tierschutzverein Iserlohn e.V.
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Verschärfung der Tierhalterhaftpflicht
Zustimmung mit einem «Ja, aber»
Im Rahmen der Revision des Haftpflichtrechts ist eine Verschärfung der Tierhalterpflicht geplant. Der bisher zulässige entlastende Sorgfaltsbeweis soll entfallen. Künftig soll, wenn das revidierte Gesetz so in Kraft tritt, der Tierhalter grundsätzlich immer für den von seinem Tier angerichteten Schaden haften, ob er das Tier nun gut oder schlecht beaufsichtigt (Art. 60 des Vorentwurfes). Im folgenden Artikel legt der Autor im Namen der Stiftung für das Tier im Recht dar, warum die Verschärfung zu begrüssen ist.
Von Antoine F. Goetschel*
Die geplante Verschärfung der Tierhalterhaftpflicht ist im Hinblick auf die Entspannung des Mensch-Hund-Verhältnisses zu begrüssen. Die derzeit heftig geführte Debatte um gefährliche Hunde hat eine erhebliche Verunsicherung über die Verantwortung des Tierhalters ausgelöst bzw. aufgezeichnet. Gerügt wurde unter anderem die trügerische Selbstzufriedenheit von Hundehaltern, den Schadenersatz im Prozessfall durch den Exkulpationsbeweis abwenden zu können. Damit geht tendenziell auch eine Haltung einher, sich nicht um eine verantwortungsvolle Hundehaltung und -ausbildung zu kümmern.
Obligatorische Haftpflichtversicherung
Am Rande wurde auch die unbefriedigende Situation diskutiert, dass einem fehlbaren Tierhalter seine - private und freiwillige - Haftpflichtversicherung den von seinem Tier angerichteten Schaden nicht bezahlt, gerade weil er als Tierhalter unsorgfältig gehandelt haben soll. Damit läuft der Geschädigte Gefahr, über seinen körperlichen und seelischen Schaden hinaus noch einen finanziellen Schaden zu tragen, nämlich bei Illiquidität des fehlbaren Tierhalters.
Mit der Verschärfung der Tierhalterhaftpflicht soll aber zweckmässigerweise eine obligatorische Haftpflichtversicherung für Hundehalter eingeführt werden. Der Bundesrat soll künftig die Ausübung einer gefährlichen Tätigkeit vom Abschluss einer Haftpflichtversicherung abhängig machen können, wenn diese «einer bundesrechtlichen Bewilligungspflicht oder Aufsicht untersteht» (Art. 54g des Vorentwurfes). Das Halten von Hunden fällt bisher nicht darunter.
Zweckmässigerweise ist die Haltung von Hunden und von anderen Tieren, welche als grundsätzlich gefährlich betrachtet werden, einer Versicherungspflicht zu unterstellen. Dies kann entweder durch die Einführung der Bewilligungspflicht für das Halten von Hunden ermöglicht werden, die in die bundesrätliche Kompetenz fiele. Schon heute untersteht das Halten gewisser Tiere einer bundesrechtlichen Bewilligungspflicht; so u. a. gewisser Wildtiere nach Massgabe von Art. 6 und Art. 8 des Tierschutzgesetzes und Art. 38-51 der -verordnung. Oder Art. 54g des Vorentwurfes sieht eine solche Ausdehnung des Haftpflichtobligatoriums auf Hunde ausdrücklich vor, was aus Gründen der gesetzgeberischen Transparenz zu begrüssen wäre.
Durch die - der Motorfahrzeugversicherung nachgebildete - obligatorische Versicherung der Hundehalter könnte eine begründete Verunsicherung über gefährliche Hunde in der Öffentlichkeit gemildert werden: Geschädigte können nämlich mit einer genügenden Deckung rechnen. Denn auch bei Illiquidität des haftenden Hundehalters wären die Ansprüche der Geschädigten auf Schadenersatz und Genugtuung gedeckt.
Überdies wäre damit die Grundlage geschaffen, dass die Versicherungsgesellschaften durch gezielte Aufklärungsarbeit gegenüber den eigenen Hunde haltenden Versicherten und durch Förderung gewisser Ausbildungs- und Zuchtprogramme die Zahl und die Schadenshöhe von Hundevorfällen im Einzelfall reduzieren kann. Sie würden damit einen wesentlichen Beitrag zur Lösung einer gesamtgesellschaftlichen Frage leisten.
Abkehr vom Retentionsrecht
Bisher darf der Besitzer eines Grundstücks Dritten angehörige Tiere, die auf dem Grundstück Schaden anrichten, zur Sicherung seiner Ersatzforderung einfangen und in seinen Gewahrsam nehmen. Der geschädigte Grundeigentümer kann die Rückgabe des Tieres also von der Zahlung seiner Ersatzforderung abhängig machen. Der Grundstücksbesitzer hat am Tier kein eigentliches Pfandrecht, wie aus dem Titel der Gesetzesbestimmungen geschlossen werden könnte. Er darf den Hund bloss zurückbehalten («retinieren») und nach den Bestimmungen von Art. 895ff. des Zivilgesetzbuches wie ein Faustpfand verwerten.
Nun steht bekanntlich die Änderung des Sachstatus von Tieren vor der Tür. Darin wird u. a. die Unpfändbarkeit von Tieren im häuslichen Bereich gefordert, die nicht zu Erwerbs- oder Vermögenszwecken gehalten werden. Wenn bestimmte Tiere in Zukunft nun nicht mehr pfändbar sind, ergibt das Festhalten an der Faustpfandverwertung von Tieren nach Massgabe von Art. 60a (neu) OR keinen Sinn mehr. Wir plädieren also für eine vollständige und ersatzlose Streichung von Art. 60a. Zum allermindesten soll das Retentionsrecht höchstens die nach wie vor pfändbaren Tiere erfassen. Doch auch bei ihnen ist von einer solch antiquierten Möglichkeit der Retention und der Verwertung als Faustpfand abzusehen.
Die bestehende Fassung des Projektes geht bloss von Menschen und von Sachen aus. Dies gilt es, auch nach dem Willen des Bundesrates bezüglich der Änderung des Sachstatus von Tieren, abzuändern. Zumindest sind die Tiere ausdrücklich mit den Sachen zu erwähnen, wo dieselben Bestimmungen gelten. Wo für Tiere im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens über die Änderung des Sachstatus von Tieren Abweichendes vorgesehen ist, soll dies in das laufende Gesetzgebungsverfahren bezüglich Haftpflichtrecht mit einbezogen werden; so etwa beim Affektionswert im Falle der Verletzung oder Tötung von Tieren oder bei den Heilungskosten für das Tier, die den Anschaffungswert übersteigen können.
* Dr. iur. Antoine F. Goetschel, Stiftung für das Tier im Recht, Zürich.
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Hundeschule des Tierschutzverein Iserlohn e.V.
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