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Freitag, 29. Juni 2001
Rote Schleifen fuer den Pitbull
Das Verfassungsgericht verhandelt ueber die Hundeverordnung - Urteil
am 12.
Juli
Von Jens Anker
Die Gefaehrlichkeit der Pitbulls zeigt sich nach Auffassung der
Veterinaere in der niedrigen Aggressionsschwelle. Foto:
dpa/Ullstein/Breuel-Bild/Brozio/Kosmos Verlag
Seit Juli vergangenen Jahres schwelt der Streit um so genannte
Kampfhunde in der Stadt.
Die Halter der umstrittenen Hunderassen sehen sich in der
Oeffentlichkeit diffamiert, seitdem der Senat die Berliner
Hundeverordnung erheblich verschaerfte.
Ihre Lieblinge duerfen nur noch angeleint und mit Maulkorb versehen
auf die Stra sse, Halter und Hund muessen sich einem Eignungstest
unterziehen. Anderen geht d ie Verordnung nicht weit genug. Die
Streitenden stehen sich unversoehnlich gegenueber. Gestern nahm sich
das hoechste Gericht des Landes, der Verfassungsgerichtshof, des
Themas an. «Rasselisten trennen Freunde», stand auf dem T-Shirt einer
Zuschauerin.
Auf der Rueckseite:
«Warum lasst Ihr uns sterben?»
Die Kampfhundehalter der Stadt setzten gestern auf Gefuehle, manche
trugen rote Schleifen, um auf das aus ihrer Sicht himmelschreiende
Unrecht aufmerksam zu machen. Doch Gefuehle interessieren Juristen
nicht. Es geht um die Rechtmaessigke it der Berliner Hundeverordnung.
Seit dem Sommer vergangenen Jahres sind die Gem ueter erhitzt. Nach
der toedlichen Attacke zweier Kampfhunde auf ein Hamburger Ki nd
verschaerfte der Senat die seit drei Jahren bestehende Verordnung.
Danach gelten fuer die Halter von zwoelf als besonders gefaehrlich
eingestufte Hunderassen Auflagen. Die Zucht von fuenf Rassen ist seit
der Verschaerfun g verboten. Fuer die zwoelf Rassen besteht Leinen-
und Maulkorbzwang. Halter n, die straffaellig geworden, alkohol- oder
rauschmittelabhaengig sind, kann das Halten der Hunde verboten werden.
Die Hundehalter sehen sich durch die Verordnung in ihren Grundrechten
eingeschraenkt. Die Liste der besonders gefaehrlichen Hunde sei
willkuerl ich, wissenschaftlich nicht fundiert, der Leinenzwang
verletze das Eigentumsrecht der Halter und das geforderte
Fuehrungszeugnis verletze das Recht, ueber d ie Freigabe von
persoenlichen Informationen selbst zu entscheiden. Die Halter, so die
Argumentation vor Gericht, wuerden stigmatisiert, weil die gruene
Unbedenklichkeitsplakette der Hunde signalisiere: Der Halter ist ein
rechtschaffender, verantwortungsbewusster Hundebesitzer. Das wollen
einige davon offenbar nicht. Deswegen verstoesst die Verordnung gegen
die Verfass ung Berlins, sind sich 35 Hundehalter einig. Sie riefen
den Verfassungsgerichtshof an, damit die Verordnung ausser Kraft
gesetzt wird. Der Berliner Senat sieht hingegen keinen Anlass, die
Verordnung zu kippen. Die Liste sei nicht willkuerlich erstellt, sie
richte sich vielmehr nach de m Beissverhalten und der niedrigen
Aggressionsschwelle von bestimmten Rassen.
Gefaehrliche Hunde verfuegten darueber hinaus ueber eine «hohe Schmerz
toleranz», eine wirksame Kontrolle von Hund und Halter sei daher
geboten.
Die neun Verfassungsrichter hoerten sich die Argumente gestern
Vormittag geduldig an. Doch womoeglich muessen sie gar nicht ueber pro
und contra d er Verordnung entscheiden. Als Erstes widmen sich die
Juristen der Frage, ob si e ueberhaupt der richtige Ansprechpartner
fuer die aufgeregten Hundebesitzer sind. Ist es den Hundehaltern
zuzumuten, den ordentlichen Rechtsweg einzuschlagen?
In diesem Fall muessten sie sich an das Verwaltungsgericht u nd die
Folgeinstanzen wenden. Ein beschwerlicher und langwieriger Weg. Viele
Halter fuerchten, dass es bis zu einem Urteil in letzter Instanz Jahre
daue rn koennte. Eine Entscheidung darueber verkuenden die
Verfassungsrichter am 12. Juli. Polizei und Gesundheitsverwaltung
halten unabhaengig vom schwelenden Streit die Hundeverordnung fuer
einen vollen Erfolg. Die Zahl der Zwischenfaelle mit gefaehrlichen
Hunden sei drastisch gesunken. Seit Einfuehrung der Verordnu ng wurden
424 Anzeigen gegen Hundehalter geschrieben, die Veterinaeraemter zo
gen 256 Hunde ein, 50 von ihnen wurden wegen ihrer Aggressivitaet
eingeschlaef ert.
Gruß Sylvia