Legolas schrieb:
Dann kamen wir zum spielen, sie sagte das man mit Tierheimhunden keine Ballwerfspiele machen soll da es im Prinzip Beute-Machen Spiele sind und den Hund aufputschen, Stress erzeugen, und da Tierheimhunde eh schon aufgeputscht und gestresst genug sind, solle man das bleiben lassen.
Wie ist eure Meinung dazu ?
Ich schließe mich Step an und sage: Das kommt sehr auf den Hund an.
Ich kann mir problemlos einige Kandidaten vorstellen, die zwar Spaß dran hätten, aber trotzdem nicht davon "profitieren" würden.
Das Problem beim "Kanalisieren" sehe ich hier:
1) Dass Stress kanalisiert und eventuell abgebaut wird, ist gut.
2) Der Stress im Tierheim ist massiv und lässt nicht nach.
3) Der Hund erfährt vorübergehende Erleicherung, aber keine vollständige - im Gegenteil wird auf einen gestressten Grundzustand noch eins draufgesetzt, sodass der Hund sich zwar vorübergehend super fühlt, danach aber noch jibberiger als vorher.
4) Daraus kann sich ein Zwangsverhalten bzw. ein suchtartiger Zustand entwickeln, der sich immer weiter verstärkt - weil's für den Hund unglücklicherweise einerseits die einzige Möglichkeit ist, mal alles rauszulassen, aber dummerweise ihn letztlich nicht ausgeglichener zurücklässt, sondern aufgedrehter.
Im Prinzip können dafür anfällige Hunde genau so einen "Ballkoller" kriegen, wie manche anderen den "Zwingerkoller" - auch das Rennen setzt Endorphine frei und erleichtert die Situation des gestressten Hundes kurzfristig, ohne jedoch sein Grundproblem lösen zu können - im Gegenteil wird der Hund sozusagen abhängig von dieser Bewältigungsstrategie und bringt sich selbst dadurch immer noch mehr unter Druck, weil da so ein Wechselkreislauf im Gehirn abgeht.
Das ist nicht bei jedem Hund so, aber gerade bei sehr triebigen oder sonstwie stressanfälligen Hunden schon, und in Stress-Situationen wie im TH vermutlich eher als sonst. Und darum würd ich auch sagen: Ehe man den Hund besser kennt, lieber grundsätzlich erstmal nicht machen.
Um's nochmal zu sagen: Das ist nicht bloß das Problem bei Tierheim-Hunden (dort nur verstärkt, weil die eben oft unter massivem Stress stehen).
Und ich bin bestimmt auch nicht das Naturtalent in Sachen Hundeerziehung, also den Kommentar bitte nicht falsch verstehen.
Aber ich habe durchaus Hundebesitzer kennengelernt, die sich als erfahrene Hundler betrachteten, und die "Ballverrückhteit" ihrer Borders, Schnauzer oder Pinscher eher amüsant fanden - und die überhaupt nicht merkten, in was für Zustände ihre Viecher sich damit hineinkatapultierten.
Die Hunde beganne in Nullkommanix zu sabbern, zu zittern, schauten überkreuz und waren im Prinzip außer über den Reiz "Ball" nicht mehr zu erreichen. Ist natürlich ungeheuer praktisch, wenn der Hund andere Hunde nicht so mag. Hol den Ball raus, und der Rest der Welt verschwindet.
(Dummerweise tat er das dann meist auch, wenn ANDERE Leute einen Ball rausholten oder verwendeten - dann gab es kein Halten mehr.
Dafür wurde dann ein Hundetrainer bemüht und in einem Fall wurde vom entsprechenden Besitzer laut über "weiterführende Maßnahmen" nachgedacht. Nur eines mochte der gute Mann nicht: Über eine völlige Ballabstinenz seines Hundes nachdenken.
)
Weiß von einem weiteren Fall (Dobi), wo vom Trainer aus genau diesem Grund absolutes Ball- und Stöckchenverbot verordnet wurde, weil der im Prinzip recht ruhigen Hündin bei diesen Aktionen regelmäßig alle Sicherungen durchbrannten. Wenn ich's richtig mitgekriegt habe, geriet sie nach kurzer Zeit in eine Art "Vollrausch" - sie drehte so auf, bis sie entweder anwesende Hunde oder andere sich bewegende Gegenstände/ Menschen attackierte (aus heiterem Himmel - Überprung), oder einfach davonlief (etwa weil sie den Ball verfolgte und dann auf einen Vogel "umschaltete"), und dabei weder Autos noch andere Gefahren mehr beachtete.
Hund wurde dann über ruhige, konzentrationsintensive Sachen wie Dinge suchen usw. ausgelastet, und die Besitzerin schien damit recht gut zu fahren.
Also, Fazit: Es gibt solche Fälle durchaus, und vermutlich sind wegen des Stresses dort mehr Hunde im Tierheim nah an dieser Schwelle zum Überkippen als in ganz normaler Haltung mit Familienanschluss.
Von daher kann ich die Richtlinie zumindest nachvollziehen.
Liebe Grüße,
Lektoratte