Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

Strawberry

20 Jahre Mitglied
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

2 Bs 361/00

22 VG 3902/2000

B e s c h 1 u ß vom 6. Februar 2001

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des
Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. November 2000 abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen
die Verfügung der Antragsgegnerin vom 19. September 2000 wird
wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren einschließlich des
Zulassungsverfahrens auf 4.000,-- DM festgesetzt.

G r ü n d e:


I.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Die Erfolgsaussichten
ihres Widerspruchs gegen die angefochtene Verfügung erscheinen derzeit
als offen und ihr Interesse, ihren Hund in ihrer Obhut zu behalten,
überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der
Haltungsuntersagung.

1. Nach § 7 Abs. 1 HundeVO "untersagt (die zuständige Behörde) das
Halten eines Hundes, wenn ... die Hundehalterin oder der Hundehalter
gegen die Vorschriften des § 4 verstößt". Der Senat neigt zu der
Auffassung, daß nicht bereits jeder Verstoß gegen die Vorschrift des §
4 HundeVO nach § 7 Abs. 1 HundeVO zwingend zur Untersagung der
Hundehaltung führt. Dies ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der
Vorschrift, der - anders als in Fällen des § 7 Abs. 2 HundeVO - ein
Ermessen nicht eröffnet, jedoch nicht ausdrücklich behandelt, ob
bereits jeder Verstoß die zwingende Untersagung nach sich zieht. Rein
nach dem Wortlaut der Bestimmung könnte jeder auch noch so
geringfügige Verstoß gegen die zahlreichen Bestimmungen aus § 4
HundeVO die Verwaltungsbehörde zur Untersagung verpflichten. Insoweit
wäre zum Beispiel ein Vorgehen nach § 7 Abs. 1 HundeVO ohne weiteres
geboten, wenn entgegen § 4 Abs. 2 HundeVO an einem unbedeutenden
Nebeneingang das erforderliche Warnschild fehlte. Eine
Haltungsuntersagung wird indes in vielen Fällen - etwa bei
langjährigen Beziehungen von Hundehaltern zu ihren Tieren - tief in
die Interessensphäre der Betroffenen eingreifen und berührt die
Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Vor diesem
Hintergrund legen einerseits der alle staatliche Gewalt bindende
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und andererseits die aus § 3 Satz 1
Nr. 2 HundeVO erkennbare Bewertung, daß erst gröbliche oder
wiederholte Verstöße gegen die Gebote der §§ 4 bis 6 HundeVO die
Zuverlässigkeit für die Haltung eines gefährlichen Hundes
ausschließen, es nahe, daß es auch für § 7 Abs. 1 HundeVO noch auf
eine Bewertung des mit § 4 HundeVO nicht vereinbaren Verhaltens
ankommt (vgl. bereits Beschlüsse des Senats vom 11.12.2000 - 2 Bs
311/00 - und 30.1.2001 - 2 Bs 344/00 -).

2. Für den vorliegenden Fall dürfte von einem eher untergeordneten
Verstoß gegen § 4 Abs, 1 HundeVO auszugehen sein. Die Antragstellerin
hat am 26. Juli 2000, also wenige Tage nach Inkrafttreten der
Hundeverordnung vom 18. Juli 2000, spät abends, das heißt zu einem
Zeitpunkt, zu dem üblicherweise nur noch wenige Passanten anzutreffen
sind, ihrem Hund den Maulkorb kurzzeitig abgenommen. Nach ihren
derzeit unwiderlegten Einlassungen hatte sie sich zudem zuvor
vergewissert, daß kein anderer Fußgänger in der Nähe war. Darüber
hinaus hat sie ihren Hund an der Leine behalten, so daß sie seine
Bewegungen kontrollieren konnte. Nachdem sie von Polizeibeamten
angesprochen worden war, zeigte sie sich einsichtig und war, wie es im
Bericht der Polizei heißt, sofort bereit, ihrem Hund den Maulkorb
wieder aufzusetzen.

3. Der Senat geht unter den genannten Umständen davon aus, dass der
Ausgang des Widerspruchsverfahrens offen ist. Bei dieser Sachlage
überwiegt das Interesse der Antragstellerin, ihren Hund zu behalten,
das von der
Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid geltend gemachte öffentliche
Interesse an der Vermeidung von möglichen Gefahren für Leben und
Gesundheit Dritter. Denn eine konkrete Gefährlichkeit des Hundes der
Antragstellerin ist derzeit nicht erkennbar. In dem vorgelegten
Gutachten des Instituts für Haustierkunde der Universität Kiel vom
9.10.2000 wird dem Hund vielmehr bescheinigt., daß er zurzeit
keinerlei Anzeichen einer Gefährdung für Dritte biete. Dies deckt sich
mit der Einschätzung der Polizeibeamten aus Anlaß des
Vorfalles vom 26.07.2000, derzufolge das Tier "einen trägen gutmütigen
Eindruck" gemacht habe. Aus der Auseinandersetzung eines Bekannten der
Antragstellerin mit einem anderen Mann am 16.06.2000, in deren Verlauf
es zum Hetzen von Hunden gekommen sein soll, folgt nichts
Gegenteiliges. Nach Aktenlage ist nicht erkennbar, daß der Hund der
Antragstellerin seinerzeit in gefahrbringender Art und Weise
eingesetzt worden ist. Ohne Belang ist schließlich, daß die
Antragstellerin für ihren Hund zunächst keine Steuern bezahlt hat. Mit
der Frage, ob ein Tier gefährlich ist oder nicht, hat dieser Umstand
nichts zu tun. Der Senat geht schließlich auch davon aus, daß die
Antragstellerin die Gebote des § 4 HundeV0 trotz der von ihr
vertretenen Rechtsauffassung zur Gesetz- und Verfassungswidrigkeit
insbesondere eines dauernden Maulkorbzwangs für alle von § 1 Abs. 1
HundeVO erfaßten Tiere künftig beachten wird, sofern sie sich nicht
auf eine gerichtliche Klärung der Rechtslage mit dem von ihr
vertretenen Ergebnis berufen kann.

Entfällt - wie sich aus vorstehendem ergibt - die sofortige
Vollziehbarkeit
der Haltungsuntersagung, ist damit bereits von daher auch der im
angefochtenen Bescheid desweiteren angeordneten Sicherstellung nach §
14
Abs. 1 a SOG die Grundlage entzogen, so daß auch insoweit die
aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen ist.


II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 20 Abs. 3, 13
Abs. 1
GKG. Bei der Festsetzung des Streitwertes geht das Gericht mangels
anderweitiger Anhaltspunkte nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG von 8.000,--
DM aus.
Dieser Betrag ist mit Rücksicht darauf, daß es sich hier um ein
Eilverfahren handelt, zu halbieren.

Bis dann
Sylvia & Kira
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