Ausstellung: Wie der Hund auf den Menschen kam

dog-aid

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Ausstellung: Wie der Hund auf den Menschen kam


Berlin, 6.11.01

Das einfallsreiche Stadtmuseum zeigt von heute an bis zum 3. Februar 2002 in der Charlottenburger Schloßstraße 69 a in seinen Naturwissenschaftlichen Sammlungen, was es mit dem Hund alles auf sich hat: "Wölfe, Opferhunde, Karrenköter - Berliner Hundeleben von der Eiszeit bis heute" (bei freiem Eintritt dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr). Vom Wolfswelpen bis zum tönernen Hundepfeifenkopf, in Texten und als hypothetische Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Hundes - alles Hunde in nicht immer freundlicher Menschengesellschaft. Der Mensch züchtet sich ja nicht nur die Hunde nach seinem Ebenbilde, woraus dann zum Beispiel Kampfhunde werden und begriffliche Schweinehunde. Otto von Bismarck kreuzte den süddeutschen Mastiff mit der norddeutschen Dogge, woraus dann die Deutsche Dogge entstand. So hatte der Reichsgründer sogar Süd- und Norddeutschland und sei's mit Hundekreuzung vereint. Das geht ja noch an.

Aber man schaue sich doch nur mal alle hundsmiserablen Redensarten und Begriffe an: Vor die Hunde kommen, auf den Hund kommen, Hundewetter, feiger Hund. Dabei ist der Hund - das sehen wir auf der Ausstellung auch an vielen einleuchtenden Beispielen, der urälteste Gefährte des Menschen. Hat er es verdient, so verunglimpft zu werden? In einer Ecke der Ausstellungsräume findet sich die am wenigsten bekannte Herabwürdigung des Hundes auf den Menschen. Als Hund im Krieg. Schon im Ersten Weltkrieg. Ihm wurde eine Maske aufgebunden, er wurde auf Minensuche geschickt, er hatte Munition zu transportieren, ja man zwang ihn sogar, mit Fallschirm ins Kampfgebiet zu fallen, um irgendwas zu befördern. Mir ist bei Betrachtung dieser Bilder die Hundegeschichte meiner Charlottenburger Verwandten in der Gervinusstraße im letzten Krieg eingefallen. Sie hatten einen kleinen Terrier. Er wurde zur "Musterung" auf einen Schulhof in der Sybelstraße befohlen. Dort wurden die Tiere vermessen und auf Knallreaktionen getestet. Es waren kleine Rahmen aufgestellt. Passte der Hund unten durch, war er wohl nicht KV (kriegsverwendungsfähig). Der Fox meiner Verwandten umlief den Rahmen, war aber auch aus anderem Grunde nicht KV: Er türmte bei einem Knall, und meine Cousine hatte Mühe, ihn irgendwo in einer fernen Ecke Charlottenburgs verschuchert aufzuspüren.

Natürlich handelt es sich im Stadtmuseum nicht nur um den Missbrauch der Kreatur. Viel ist auch über die von Hund und Mensch bewohnte Erde die Rede, immer irgendwie auch von jenem Erdteil, auf dem dann Berlin gebaut und besiedelt wurde. Und als wir gestern schon einen Blick auf die heute eröffnete Ausstellung werfen durften, war auch ein reizender Mischling da. Er wurde uns als ein "Therapiehund" vorgestellt. Hier nun ist es die freundlichste Mensch-Hund-Verbindung neben dem Führhund für Blinde und Suchhund bei Katastrophen. Als Therapiehund hilft er, Vereinsamung zu lindern, Zutraulichkeit zu wecken. Da gibt es einen Hundebesuchsdienst des Vereins "Leben mit Tieren e.V." Es liegen Faltblätter aus, auf denen darauf hingewiesen wird.

Und da geht eine dumme Redensart vom Menschen, der auf den Hund gekommen, also unter die Räder gekommen sei. Das stammt aus einer Zeit, da Verbrecher oft zwischen Hunden gehenkt wurden. Ein adeliger Strolch musste zur Strafe öffentlich Hunde tragen. So war er also auf den Hund gekommen. Und Berlin kam 1830 auf den Hund als Möglichkeit Steuern zu kassieren, spannte ihn vor den fiskalischen Karren. Viel früher - seit 1770 - auch schon vor Fuhrwerke.


Ergänzend dazu:
Berlin online
Das älteste Berliner Hundegrab stammt aus Marzahn. Beim Bau der Großsiedlung war die Bestattungsstelle gefunden worden. Archäologen datierten den Fund auf das 1. Jahrhundert vor Christi. Jetzt sind die Knochen ein Ausstellungsstück. Säuberlich geordnet liegen sie in einer Vitrine in den Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Stiftung Stadtmuseum.
Kurator Manfred Gräfe vermutet, dass das Hundegrab eine kultische Bedeutung hatte. Ob der Marzahner Nachfahre des Wolfes vor der Opferung als Schlachttier gedient hat, ist nicht mehr auszumachen. Als gesichert kann aber gelten, dass die Berliner das Fleisch von Hunden nicht unbedingt verschmähten. "Bis Anfang der 70er-Jahre gab es einen Passus im Deutschen Lebensmittelrecht, dass Hundefleisch nicht zur Wurstverarbeitung genutzt werden darf", sagt Gräfe. Bei einer Novellierung des Gesetzeswerkes fiel die Vorschrift dann weg, "mangels Bedarf".

Das Hundeleben in Berlin war vom Beginn der ersten Züchtungen in der Jungsteinzeit weniger von der Bereicherung der Speisekarten als von der Unterstützung der menschlichen Arbeit geprägt. Die Tiere wurden zur Jagd und zum Viehhüten eingesetzt, aber auch als Transportmittel. Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Berlin und Brandenburg erstmals Hunde vor Fuhrwerke gespannt. Ein Jahrhundert später galt Berlin als Zentrum der Zughundehaltung. Der Hund, das "Pferd des kleinen Mannes", zog Wagen, Schlitten oder Schubkarren, war Fleischern, Milchverkäufern, Markthändlern oder Lumpensammlern zu Diensten. Doch zuweilen waren die Hundefuhrwerke eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer. Deshalb gab es von 1860 an Reglementierungen: Die Führer durften nicht mehr aufsitzen und mussten anderen Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt lassen. Erst die Verbreitung motorisierter Wagen nach dem Ersten Weltkrieg verdrängte die Hundegespanne. Doch noch heute werden sie im Hundesteuergesetz erwähnt: Eine Ermäßigung bekommt derjenige, der gewerblich erforderliche Ziehhunde hält. Das sind laut Gräf meist Schausteller.

Auch die Einführung der Hundesteuer geht auf das Zughundewesen in Berlin zurück. Um vor Schaden durch Bisse zu bewahren und die "Hundswuth" zu bekämpfen, wurden ab 1740 Blechmarken angeboten. Ohne diese Marken angetroffene Tiere wurden von den Gehilfen des Scharfrichters, den Schindern, erschlagen. 1830 erließ der Magistrat erstmals eine Hundesteuer. Diese diente zunächst dazu, die herrenlosen Tiere zu dezimieren. Der größte Teil der von den Hundebesitzern gezahlten Summe allerdings kam dem Stadtsäckel allgemein zugute. Daran hat sich bis heute wenig geändert.


Und der typische Kommentar:
Morgenpost Berlin
Gestern kamen wir wieder mal auf den Hund, genauer: auf eine seiner zum Himmel stinkenden Hinterlassenschaften. Dass diese einen gewissen Heinrich Faust angeblich zu dem Ausruf «Das also war des Pudels Kern» bewegt haben sollen, vermochte uns nicht zu trösten. Ebenso wenig wie die Ausstellung über das Berliner Hundeleben, die vermutlich zeitgleich mit unserem Fauxpas eröffnet wurde. Denn es ist fraglich, ob jene erhabenen Reflexionen über «Wölfe, Opferhunde, Karrenköter», die in den Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, bei dem profanen Versuch behilflich sein können, seine wunde Hacke von - Sie wissen schon - zu befreien.

Mehr als 100 000 Hunde leben in Berlin. Das erschwert die Fahndung nach Tätern und Herrchen. Ein Blick ins besenreine Konstanz («Sauberer isch Konschdanzerischer») weist einen möglichen Ausweg. Dort gibt es Automaten, aus denen Hundehalter Handschuhe, Plastiktüten und Schaufeln beziehen können. «Machts Hundle mal ei Häufele, krichsch hier ei Schäufele», steht sinngemäß auf den Automaten. Von Konstanz lernen heißt entsorgen lernen. Auf dass Berlin nicht auf den Hund komme.


bis denne

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gnadenhof_flemsdorf@gmx.de
 
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