steppinsky
15 Jahre Mitglied
Ich würde gerne nochmal auf die Frage zurückkommen, in welchem Rahmen man die Aggressionen zwischen Hunden als "normal" betrachten kann.
Das ist meiner Meinung nach nicht so leicht zu beantworten. Was ist normal, was übermäßig und was ist "verhaltensgestört"?
Früher hat man sich die Antwort gerne einfach gemacht. Das ist man davon ausgegangen, dass jedes Tier einen angeborenen Arterhaltungstrieb hat und somit keinen Artgenossen töten oder schwer verletzen wird. Die Fälle in denen das doch vorkam betrachtete man als der Ergebnis einer schweren Verhaltensstörung.
Das Konzept des Arterhaltungstriebes wurde von Konrad Lorenz entwickelt. Dieses Denkmodell erklärte sehr schlüssig warum es bei Kämpfen zwischen Artgenossen in der überwiegenden Zahl der Fälle zu keinen schweren Verletzungen kommt.
Lorenz ging davon aus, dass es eine angeborene Tötunghemmung gibt, die durch bestimmte Gesten des unterlegenen Tieres zuverlässig ausgelöst wird.
Diese Denkmodell hatte allerdings von Anfang an eine Schwachstelle. Es ließ sich nicht in die Mechanismen der Evolution vereinbaren. Es fehlte eine Erklärung, wie sich eine solche genetisch verankerte Tötungshemmung in einer Population durchsetzen kann. Die Selektion setzt schließlich am Individuum an, nicht an der Population.
Mit der Zeit kamen auch immer mehr Freilandbeobachtungen dazu, die sich mit einem angeborenen Arterhaltungstrieb nicht erklären ließen.
Bei den Wölfen ist es z.B. zwar so, dass Konflikte innerhalb des Rudels (Familienverbandes) gehemmt und ritualisiert ausgetragen werden. Innerhalb der Sippe scheint es also tatsächlich so etwas wie eine Tötungshemmung zu geben. Dringt jedoch einen rudelfremder Wolf in das Streifgebiet einer Wolfsfamilie ein, wird er ohne jede Hemmung angegriffen und getötet, wenn es ihm nicht gelingt rechtzeitig zu flüchten. Unterwerfungsgesten helfen ihm in dieser Situation nicht, entweder er kann fliehen oder er wird getötet.
Zur Vermeidung dieser Kämpfe (die auch für die Sieger einen überflüssigen Kraftakt bedeuten) markieren die Familien ihre Streifgebiete sorgfältig mit Urin und Kot. So können die Jungwölfe, die ihre Familien verlassen haben, diese Gebiete meiden und unbesetzte Territorien finden, ohne vorher im Kampf verletzt oder getötet zu werden.
Dass ein Wolf einen anderen Wolf tötet ist also unter bestimmten Bedingungen völlig normal. Einen Arterhaltungstrieb gibt es nicht und ein fremder Wolf im Territorium ist eine große Gefahr für den Erfolg des eigenen Nachwuchses. Je nach Populationsdichte/-struktur und Jahreszeit gibt es Ausnahmen. Im Sommer z.B. ist die Aggressivität geringer und -für und Hundeleute besonders interessant- Jungwölfe zeigen sich gegenüber fremden Artgenossen deutlich weniger aggressiv als die älteren Rudel- bzw. Familienmitglieder.
Dass unsere Hunde sich im Park nicht ständig gegenseitig zerfleischen, liegt also nicht daran, dass sie vom Wolf abstammen sondern eher daran, dass sie keine mehr Wölfe sind!
Im Zuge der Haustierwerdung sind viele ihrer Verhaltensmerkmale im Vergleich zu Wölfen stark verjugendlicht. Vereinfacht könnte man sagen Hunde sind Wölfe, die nie erwachsen werden. Dieser Satz trifft jedenfalls auf ganz viele Verhaltensweisen zu.
Auch der Umgang mit den rudelfremden Artgenossen lässt sich so schlüssig erklären. Manche Hunde sind stark verjugendlicht, sie spielen bis ins hohe Alter mit allem was vier Beine hat und nach Hund riecht. Andere hören damit ab einem gewissen Alter auf und reagieren mehr oder weniger stark gehemmt aggressiv auf fremde Artgenossen.
Was dabei normal ist und was nicht, ist meiner Meinung nach eher eine Frage der Statistik als der Biologie.
Ein Hund der Löcher macht ist gefährlich, aber nicht per se verhaltensgestört. Das Verletzen und töten von Artgenossen gehört zum biologischen Programm von Wölfen.
Beim Hund ist es zum Glück etwas Ungewöhnliches, aber es ist nicht unnatürlich.
Auch einen Welpenschutz gibt es nicht.
Unterm Strich komme ich zu der Ansicht: Begegnungen mit fremden Hunden sind in der Regel unproblematisch, aber grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. Es kracht selten richtig, aber es ist normal... auch wenn es mal richtig kracht.
Gespannt auf eure Reaktionen
Step
Das ist meiner Meinung nach nicht so leicht zu beantworten. Was ist normal, was übermäßig und was ist "verhaltensgestört"?
Früher hat man sich die Antwort gerne einfach gemacht. Das ist man davon ausgegangen, dass jedes Tier einen angeborenen Arterhaltungstrieb hat und somit keinen Artgenossen töten oder schwer verletzen wird. Die Fälle in denen das doch vorkam betrachtete man als der Ergebnis einer schweren Verhaltensstörung.
Das Konzept des Arterhaltungstriebes wurde von Konrad Lorenz entwickelt. Dieses Denkmodell erklärte sehr schlüssig warum es bei Kämpfen zwischen Artgenossen in der überwiegenden Zahl der Fälle zu keinen schweren Verletzungen kommt.
Lorenz ging davon aus, dass es eine angeborene Tötunghemmung gibt, die durch bestimmte Gesten des unterlegenen Tieres zuverlässig ausgelöst wird.
Diese Denkmodell hatte allerdings von Anfang an eine Schwachstelle. Es ließ sich nicht in die Mechanismen der Evolution vereinbaren. Es fehlte eine Erklärung, wie sich eine solche genetisch verankerte Tötungshemmung in einer Population durchsetzen kann. Die Selektion setzt schließlich am Individuum an, nicht an der Population.
Mit der Zeit kamen auch immer mehr Freilandbeobachtungen dazu, die sich mit einem angeborenen Arterhaltungstrieb nicht erklären ließen.
Bei den Wölfen ist es z.B. zwar so, dass Konflikte innerhalb des Rudels (Familienverbandes) gehemmt und ritualisiert ausgetragen werden. Innerhalb der Sippe scheint es also tatsächlich so etwas wie eine Tötungshemmung zu geben. Dringt jedoch einen rudelfremder Wolf in das Streifgebiet einer Wolfsfamilie ein, wird er ohne jede Hemmung angegriffen und getötet, wenn es ihm nicht gelingt rechtzeitig zu flüchten. Unterwerfungsgesten helfen ihm in dieser Situation nicht, entweder er kann fliehen oder er wird getötet.
Zur Vermeidung dieser Kämpfe (die auch für die Sieger einen überflüssigen Kraftakt bedeuten) markieren die Familien ihre Streifgebiete sorgfältig mit Urin und Kot. So können die Jungwölfe, die ihre Familien verlassen haben, diese Gebiete meiden und unbesetzte Territorien finden, ohne vorher im Kampf verletzt oder getötet zu werden.
Dass ein Wolf einen anderen Wolf tötet ist also unter bestimmten Bedingungen völlig normal. Einen Arterhaltungstrieb gibt es nicht und ein fremder Wolf im Territorium ist eine große Gefahr für den Erfolg des eigenen Nachwuchses. Je nach Populationsdichte/-struktur und Jahreszeit gibt es Ausnahmen. Im Sommer z.B. ist die Aggressivität geringer und -für und Hundeleute besonders interessant- Jungwölfe zeigen sich gegenüber fremden Artgenossen deutlich weniger aggressiv als die älteren Rudel- bzw. Familienmitglieder.
Dass unsere Hunde sich im Park nicht ständig gegenseitig zerfleischen, liegt also nicht daran, dass sie vom Wolf abstammen sondern eher daran, dass sie keine mehr Wölfe sind!
Im Zuge der Haustierwerdung sind viele ihrer Verhaltensmerkmale im Vergleich zu Wölfen stark verjugendlicht. Vereinfacht könnte man sagen Hunde sind Wölfe, die nie erwachsen werden. Dieser Satz trifft jedenfalls auf ganz viele Verhaltensweisen zu.
Auch der Umgang mit den rudelfremden Artgenossen lässt sich so schlüssig erklären. Manche Hunde sind stark verjugendlicht, sie spielen bis ins hohe Alter mit allem was vier Beine hat und nach Hund riecht. Andere hören damit ab einem gewissen Alter auf und reagieren mehr oder weniger stark gehemmt aggressiv auf fremde Artgenossen.
Was dabei normal ist und was nicht, ist meiner Meinung nach eher eine Frage der Statistik als der Biologie.
Ein Hund der Löcher macht ist gefährlich, aber nicht per se verhaltensgestört. Das Verletzen und töten von Artgenossen gehört zum biologischen Programm von Wölfen.
Beim Hund ist es zum Glück etwas Ungewöhnliches, aber es ist nicht unnatürlich.
Auch einen Welpenschutz gibt es nicht.
Unterm Strich komme ich zu der Ansicht: Begegnungen mit fremden Hunden sind in der Regel unproblematisch, aber grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. Es kracht selten richtig, aber es ist normal... auch wenn es mal richtig kracht.
Gespannt auf eure Reaktionen
Step