Wer süchtig ist, ist krank.
Oder meinetwegen hat er vielleicht auch nen Defekt irgendwo im Gehirn (also, schon vor dem Saufen gehabt, meine ich), ist also eher "behindert". Ob man dazu neigt oder nicht, ist keine (oder nur am Rande eine) Frage von Willenskraft und Erziehung. Sondern es hängt davon ab, wie belohungssensitiv das Gehirn ist: Je belohungsensitiver, also je größer die Begeisterung, die von der Belohung oder vielmehr der Erwartung derselben ausgelöst wird, desto anfälliger ist man dafür, süchtig zu werden. Von was, hängt dann eher von den Lebensumständen ab. Und noch ein bisschen vom genetischen Hintergrund (der etwa bestimmt, wie gut oder schlecht man prinzipiell Alkohol verträgt - je schlechter, desto weniger wahrscheinlich wird man davon süchtig, weil das erste Erlebnis dann meist gleich ein unangenehmes ist.
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Das Dumme ist - ob man von etwas süchtig wird, weiß man vorher nicht. Und Alkohol IST gesellschaftlich akzeptiert, diverse Leute trinken ihn regelmäßig, ohne Schaden zu nehmen. Nur jemand, der die Veranlagung zur Alkoholsucht hat (und die ist erblich), dürfte das eigentlich nicht. Nur steht ihm das nicht auf die Stirn geschrieben, und wenn es auffällt, ist es zu spät.
Was am unsozialen Verhalten sehr vieler fortgeschrittener Alkoholiker allerdings nix ändert... wenn mir einer davon in der Bahn auf die Schuhe reihert, sag ich mir sicher nicht: "Der arme Mann kann ja nix dafür!", sondern bin angemessen angenervt.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich weiß, dass er seinen Zustand von selbst ohne Hilfe vermutlich nicht mehr ändern kann.
Ich bin sehr, sehr froh, dass ich von dieser Problematik bisher verschont geblieben bin.
Ich habe offensichtlich das genaue Gegenteil eines belohnungssensitiven Hirns. Es gibt nichts, was mich in unkritische Begeisterung versetzen kann, sodass ich sämtliche Einwände vergesse, die mir sonst egal bei was ständig durch's Hirn geistern.
Ich betrachte das als großes Glück - aber nicht als Verdienst, der mich irgendwie über die anderen stellt. Ich habe nix dazu getan, so zu sein. Dessen bin ich mir ziemlich sicher.