Botnanger Tierheim bleibt auf Kampfhunden sitzen
Die Diskussion um Kampfhunde ist abgeflaut, die Aufregung ziemlich verpufft.
Eine Auswirkung der Kampfhundeverordnung aber ist im Tierheim zu besichtigen:
In den Käfigen leben so viele American Staffordshire Terrier, Bullterrier und
Pitbulls wie nie.
Von Nicole Höfle
Freddy ist zwei Jahre alt und schwer vermittelbar. Dabei bescheinigen seine
Pfleger dem Pitbull-Mischling die besten Eigenschaften: Er sei stubenrein,
lebhaft, kontaktfreudig, folgsam, gutmütig, ist auf dem roten Zettel am
Gitter zu lesen. Unter der Rubrik aggressiv kein Eintrag. Drin im Käfig sitzt
ein kniehoher scheckiger Hund, der bei jedem Besuch vor Aufregung Kreise
dreht. Freddy ist ein Kampfhund ohne Biss, aber dennoch mit wenig Aussicht,
in der nächsten Zeit aus dem Tierheim entlassen zu werden.
Die im Herbst verabschiedete Kampfhundeverordnung hat in den vergangenen
Monaten insgesamt 25 Kampfhunde ins Tierheim gespült. Die meisten wurden
ihren Haltern auf Anordnung der Stadt weggenommen, nachdem die Tiere
auffällig geworden waren oder sich die Halter als ungeeignet erwiesen hatten.
Das Tierheim hat sich vor elf Jahren in Verträgen mit den Städten Stuttgart,
Fellbach und Gerlingen verpflichtet, alle beschlagnahmten Hunde aufzunehmen -
zu einer Zeit, als über Kampfhunde noch nicht geredet wurde. Über die
Konditionen müsste neu verhandelt werden, sagt Karl Graf, Vorsitzender des
Stuttgarter Tierschutzvereins. Denn die Stadt Stuttgart geht beispielsweise
davon aus, dass die Hunde binnen 28 Tagen vermittelt werden können - und
zahlen deshalb nur für die kurze Zeit einen Tagessatz von 17 Mark für
Unterbringung und Fütterung der beschlagnahmten Hunde. Einen Kampfhund in 28
Tagen privat unterzubringen, hält Graf aber derzeit für unmöglich.
Andere Hundebesitzer haben ihre Tiere selbst nach Botnang gebracht, weil ihre
Hausgemeinschaften oder die Nachbarschaft die Kampfhunde nicht mehr dulden
wollten. Schon jetzt ist abzusehen, dass die Kampfhunde dem Tierheim lange
erhalten bleiben werden: "Wir haben gerade mal eine Interessentin für einen
Pitbull'', sagt Karl Graf. Er hofft, dass die Angst vor den als gefährlich
geltenden Hunderassen wieder abflauen wird: "Nicht die Hunde sind gefährlich,
sondern die Halter'', versichert der Tierfreund.
Die Anforderungen an die potenziellen neuen Besitzer sind hoch: Sie müssen
unbescholten sein, sollten bereits einen Kampfhund gehalten haben und kräftig
gebaut sein, um mit dem Tier fertig zu werden. Außerdem brauchen sie die
Erlaubnis der Vermieter, eine entsprechende Hunderasse halten zu dürfen.
"Viele Wohnungseigentümer lassen inzwischen nur mehr bestimmte Rassen zu'',
sagt Graf. Immerhin sorgen einige Hausfrauen und Rentner für den regelmäßigen
Auslauf der 25 Kampfhunde. Ein Teil der Hunde wird bereits auf die
Wesensprüfung vorbereitet, die bescheinigen soll, dass die Kampfhunde
friedfertig sind. Erst dann dürfen sie ohne Maulkorb ausgeführt werden und an
einen privaten Besitzer weiter vermittelt werden. Graf geht davon aus, dass
die meisten der 25 Hunde die Wesensprüfung bestehen werden: "Wir haben es
hier nicht mit aggressiven Bestien zu tun, sondern mit meist gutmütigen
Hunden'', versichert Graf.
Bei der Stadtverwaltung sind in den vergangenen Monaten insgesamt 339
Kampfhunde gemeldet worden, 150 von ihnen wurden zur Wesensprüfung
angemeldet. 15 Kampfhunde sind beschlagnahmt worden. Das Ordnungsamt geht
davon aus, dass weitere 150 Kampfhunde in der Stadt gehalten werden, aber
bisher nicht gemeldet wurden. Zwischen Oktober und Dezember wurden 68 Hunde
von Amtstierärzten und Hundeführern der Polizei bei Wesensprüfungen auf ihren
Charakter abgeklopft. 64 haben den Test bestanden, drei sind durchgefallen.
Zwei Besitzer haben bereits Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Ein
Halter muss mit seinem Tier zur Nachprüfung antreten, weil das Ergebnis nicht
eindeutig war. "Bei den Prüfungen haben wir es in der Regel mit vorbildlichen
Hundehaltern und entsprechend gut erzogenen Tieren zu tun'', sagt
Amtstierarzt Thomas Stegmanns.
Die Besitzer, die bewusst aggressive Kampfhunde halten, hätten an
Wesensprüfungen kein Interesse. Stegmanns wundert sich, wo die vielen
Kampfhunde, die im vergangenen Jahr gesichtet worden waren, geblieben sind:
"In einigen Gegenden von Stuttgart war man dutzendfach auf die muskulösen
Tiere gestoßen, die man inzwischen nicht mehr zu sehen bekommt.'' Als
mögliche Erklärung vermutet der Veterinär, dass einige Tiere ins Ausland
verkauft worden sind.