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Wald und Natur
Wildernder Hund im Revier
Was tun?
Gerade in der letzten Zeit häufen sich Berichte über wildernde Hunde, die Rehe zu Tode gehetzt oder sogar gerissen haben. Ein guter Anlass, einmal einen Blick auf die derzeitige Rechtslage zu werfen. Von Dr. Angela Werner
Wann ein im Wald herumlaufender Hund als "wildernd" gilt, ist im Landesjagdgesetz NRW geregelt.
Was darf ein Jäger tun, der einen wildernden Hund in seinem Revier beobachtet und welche Konsequenzen kann sein Handeln auch für ihn selbst haben?
Dieser Beitrag soll Jägern als Leitfaden dienen und nicht zuletzt Argumentationshilfe im Gespräch mit mehr oder weniger uneinsichtigen Hundebesitzern sein.
§ 23 BJagdG enthält diesbezüglich zunächst eine allgemeine Zielaussage, die durch Landesvorschriften konkretisiert wird: das Wild soll gegenüber den ihm drohenden Gefahren, wie insbesondere vor wildernden Hunden, geschützt werden. Doch wie sieht ein solcher Schutz in der Praxis aus?
Das nordrhein-westfälische Jagdgesetz räumt in § 25 Abs. 4 den zur Ausübung des Jagdschutzes berechtigten Personen grundsätzlich die Möglichkeit ein, einen (aktiv) wildernden Hund abzuschießen. Damit steht diese Tötungsbefugnis nicht nur dem Jagdpächter innerhalb der Grenzen seines Reviers zu.
Jagdschutzberechtigt sind vielmehr auch die von der Behörde bestätigten Jagdaufseher sowie Jagdgäste, sofern diese hierzu ausdrücklich vom Jagdausübungsberechtigten ermächtigt wurden. Die grundsätzlich schriftlich zu erteilende Erlaubnis ist bei der Jagd mitzuführen.
Wann wildert ein Hund wirklich?
Doch wann „wildert“ ein Hund? Nach dem Gesetz gelten Hunde dann als wildernd, wenn sie „im Jagdbezirk außerhalb der Einwirkung ihres Führers Wild aufsuchen, verfolgen oder reißen“. Der Hund muss also eine gegenwärtige Gefahr für das Wild sein.
Während die Begriffe „Verfolgen“ und „Reißen“ für einen Jäger unschwer zu beurteilen sein dürften, stellt sich die Frage, was unter „Aufsuchen“ zu verstehen ist. Davon ist wohl auszugehen, wenn der Hund als gezielt suchend anzusprechen ist. D.h., sein Verhalten und Aussehen muss den Verdacht nahe legen, er werde alsbald die Suche nach Wild aufnehmen.
Es reicht insoweit bereits das intensive Suchen. Doch nicht jeder im Jagdbezirk freilaufende Hund löst ein Jagdschutzbedürfnis aus. So insbesondere nicht ein Hund, der sich lediglich in das Revier verirrt hat und erkennbar nicht wildern will. Der Jagdschutzberechtigte muss also genau beobachten, ob der Hund nur frei herumläuft oder konkret auf der Suche nach Wild umherstreift. Im Zweifel ist die Tötung zu unterlassen!
Vor allem aber kommt ein Jagdschutzbedürfnis nicht gegenüber beaufsichtigten Hunden in Betracht, die sich also innerhalb der Einwirkung einer für sie verantwortlichen Person befinden. Eine feste Entfernungsangabe lässt sich insoweit zwar nicht treffen. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Hundeführer im konkreten Fall auf seinen Hund einwirken kann, d.h. er sich in Ruf- oder Hörweite befindet und jederzeit zurückgerufen werden kann.
Der Hund muss im Einflussbereich des Herrchens sein
Dass der Hund an der Leine geführt wird, ist grundsätzlich nicht zu fordern, da es eine allgemeine Bestimmung dieses Inhalts nicht gibt. Es ist also von jedem Jäger zunächst sorgfältig zu prüfen, ob der Herr des Hundes in der Nähe ist und ob er ggf. auf seinen Hund einwirken kann.
Eine Gefahr für das Wild besteht auch dann nicht, wenn es sich um einen Hund handelt, der bereits nach seiner körperlichen Beschaffenheit und Konstitution ersichtlich nicht in der Lage ist, dem Wild nachzustellen und zwar in einem nennenswerten Ausmaß. Von einem Schoßhündchen geht bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung wohl keine Gefahr für das Wild aus; auch nicht von einem Dackel, der ein (gesundes) Reh verfolgt. Gleiches gilt, wenn der Hund sich im Bereich von belebten Verkehrswegen oder Ortsrandlagen aufhält, da das Wild erfahrungsgemäß nicht dorthin kommt.
Nach dem nordrhein-westfälischen Recht entfällt die Tötungsbefugnis gänzlich zugunsten von „Jagd-, Hirten-, Blinden- und Polizeihunden“. Entscheidend ist jedoch nicht allein deren Zugehörigkeit zur Rasse, sondern es kommt stets nur auf die konkrete Verwendung des Hundes an, soweit er auch als solcher auch kenntlich ist.
So hat das LG Kassel im Jahr 2008 entschieden, dass die Tötung eines Hirtenhundes, der sich von seiner Schafherde entfernt hat, einem Reh nachstellt und als Hirtenhund nicht erkennbar ist, nicht verboten ist. Die Erkennbarkeit von Jagdhunden dürfte dem Jäger dagegen angesichts seiner Ausbildung nicht schwer fallen; zudem sind sie zumeist durch Warnhalsbänder entsprechend gekennzeichnet.
Der Jagdschutzberechtigte darf den im Jagdbezirk wildernden Hund dadurch unschädlich machen, dass er ihn abschießt. Jede andere Tötungsart ist nach dem Gesetz unzulässig, auch die bloße Verletzung des Tieres ist nicht gestattet.
Doch bedenken Sie stets, dass die Tötung eines Hundes – sofern er nicht herrenlos ist – einen Eingriff in fremdes Eigentum darstellt! Es darf nicht übersehen werden, dass die meisten Halter ihren Hund nicht in böser Absicht durch die Jagdbezirke rennen lassen, sondern meist in Unkenntnis der Vorschriften und Risiken handeln.
Demzufolge ist bei der Ausübung der Tötungsbefugnis der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Tötung muss also zum Schutz des Wildes erforderlich sein, d.h., der Hund muss zum Zeitpunkt der Tötung tatsächlich eine Gefahr für das Wild sein und es darf keine andere, mildere Maßnahme möglich sein, um den Hund vom Wildern abzuhalten und das Wild zu schützen.
Folgen eines ungerechtfertigten Abschusses
Damit werden von jedem Schützen eine erhebliche Disziplin und auch ein Zurückdrängen seines Ärgers über unverantwortliche Hundebesitzer verlangt. Doch angesichts der bestehenden Schwierigkeiten ist Zurückhaltung in diesen Fällen dringend geboten: Der Schütze, der seine Tötungsbefugnis missbraucht, begeht gemäß § 303 StGB eine strafbewehrte Sachbeschädigung.
Eine vom Jagdschutz nicht gedeckte Tötung kann des Weiteren auch nach § 17 TierSchG bestraft werden, weil es dann an einem vernünftigen Grund für die Tötung fehlt. Vielen Jägern ist überhaupt nicht bewusst, dass sie sich aufgrund mangelnder Tötungsbefugnis nicht nur strafbar und gegenüber dem Eigentümer des Hundes schadensersatzpflichtig machen, sondern vielmehr durch unüberlegtes Handeln auch den Verlust ihres Jagdscheines riskieren. Die meisten rechtskräftig abgeurteilten Straftaten führen bei einer Mindeststrafe von 60 Tagessätzen zur regelmäßigen Vermutung der Unzuverlässigkeit (§ 5 WaffG). Waffenbesitzkarte und Jagdschein werden dann für ungültig erklärt und entzogen!
Eindringlicher Appell
Der Appell kann daher unabhängig davon, ob der Schuss rechtlich zulässig war, grundsätzlich nur lauten, im Zweifel auf den Schuss zu verzichten und trotz allen Ärgernissen und Unverständnis, den Verantwortlichen der Hunde ausfindig zu machen und entsprechend Anzeige zu erstatten. Auch hat die Erfahrung gezeigt, dass so mancher Hundebesitzer durch Gespräche sensibilisiert werden kann, also machen Sie sie auf ihr Fehlverhalten aufmerksam! In jedem Einzelfall sollte gut überlegt sein, ob nicht auch ein Verscheuchen oder Einfangen des wildernden Hundes der bessere Weg zur Problemlösung ist.
Grüsse Rauchschwalbe