Lärmbelästigung durch Tierheim

WHeimann

Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg
in Zivilsachen


Wohnen und Lärm

(hier: Lärmbelästigung durch Tierheim)

Nachbarn müssen sich (nur) mit "unwesentlichen" Lärm-Beeinträchtigungen abfinden

Kurzfassung

Auch wer in einem "allgemeinen Wohngebiet" wohnt, muss sich mit einer gewissen Lärmbelästigung abfinden, die von einem nahegelegenen Tierheim ausgeht. Das gilt jedoch nur soweit, als er dadurch in der Nutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Geht die Störung darüber hinaus, kann er vom Betreiber des Tierheims verlangen, dass dieser für eine Verringerung des Lärms sorgt.

Mit dieser Begründung untersagte das Oberlandesgericht Nürnberg einem Tierschutzverein, die Eigentümer eines 200 m entfernten Einfamilienhauses durch Hundelärm "mehr als unwesentlich zu beeinträchtigen". Obwohl der Geräuschpegel des Hundegebells während des Tages mindestens ebenso hoch war wie zur Nachtzeit, beschränkte das OLG das Verbot auf die Zeit von 22 Uhr bis 7 Uhr. Grund der unterschiedlichen Behandlung: Nach den einschlägigen Richtlinien der TA-Lärm ist die Schwelle zu einer "wesentlichen" Lärmbeeinträchtigung für die Nachtzeit deutlich niedriger anzusetzen als für den Rest des Tages. Im konkreten Fall lag der festgestellte Geräuschpegel 46 Dezibel zwischen den beiden Richtwerten.

Auf welche Weise der Tierschutzverein Abhilfe schafft, überließ das Urteil ihm selbst. Die OLG-Richter sahen ausdrücklich davon ab, ihm hierfür besondere Vorschriften zu machen.


Der Fall:

Am Rande einer Stadt im westlichen Mittelfranken betrieb der örtliche Tierschutzverein bereits seit 1956 ein Tierheim. In den teilweise offenen Zwingern konnten neben Katzen rund 30 Hunde aufgenommen werden.

Etwa 200 m vom Tierheim entfernt wohnten die Eheleute XY. Ihr 1986 fertiggestelltes Einfamilienhaus gehört zu einem Neubaugebiet, das in dem 1981 wirksam gewordenen Bebauungsplan als "allgemeines Wohngebiet" ausgewiesen ist. Es liegt auf dem Scheitel einer Anhöhe und ist vom 15 m tiefer gelegenen Tierheim durch überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen getrennt.

Schon bald nach ihrem Einzug beklagten sich die Eheleute XY. über den vom Tierheim ausgehenden Lärm. Sie fühlten sich durch häufiges und lang dauerndes Bellen und Jaulen der Hunde "unerträglich" gestört, vor allem in der Nacht. Da der Tierschutzverein ihren Beschwerden nicht abhalf, verklagten sie ihn auf Unterlassung der vom Tierheim ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen.

Der Tierschutzverein hielt die Beschwerden der Kläger für übertrieben; denn das Hundegebell sei im Anwesen der Kläger kaum hörbar und zudem ortsüblich. Bauliche Lärmschutzmaßnahmen würden auf technische Schwierigkeiten stoßen und seien auch wirtschaftlich nicht zumutbar. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Verein mit der Verwahrung von Fund-Tieren eine gemeinwichtige Aufgabe erfülle.


Die Entscheidung:

Beim OLG Nürnberg errangen die Eheleute XY. mit ihrer Klage (nur) einen Teilerfolg.

Der 9. Zivilsenat verurteilte den Tierschutzverein,

"es in der Zeit von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr zu unterlassen, durch Hundelärm, der von seinem Tierheim ... ausgeht, die Kläger in der Benutzung ihres Grundstücks ... mehr als unwesentlich zu beeinträchtigen."

Die Kosten des Verfahrens, dessen Streitwert der Senat mit 50.000 DM bewertete, wurden gegeneinander aufgehoben, d.h. jede Partei muss ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Gerichtskosten tragen.


Auf Grund der Beweisaufnahme in beiden Instanzen ging der Senat davon aus, dass die Kläger tatsächlich durch länger dauernden Hundelärm sowohl tagsüber als auch insbesondere zur Nachtzeit gestört wurden.

Nicht jede Lärmbelästigung führe aber gleich zu einem Unterlassungsanspruch, sondern nur eine solche, die "wesentlich" sei. Als Richtschnur, bis zu welcher Grenze eine Geräuschbeeinträchtigung noch als unwesentlich gelten könne, sei zunächst einmal auf die verwaltungsrechtlichen Richtwerte der "Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm)" abzustellen. Danach betrugen damals die zulässigen Richtwerte für allgemeine Wohngebiete im allgemeinen 55 dB (Dezibel), während der Nachtzeit - d.h. 22 Uhr bis 7 Uhr - jedoch nur 40 dB.

Im konkreten Fall lag der vom Tierheim ausgehende Geräuschpegel bei 46 dB (mit vereinzelten Ausschlägen bis zu 60 dB). Diesen Wert hatten Messungen und Berechnungen eines öffentlich bestellten Sachverständigen ergeben. Im Gutachten war durch einen Zuschlag berücksichtigt, dass Hundegebell wegen seiner impulsartigen Einzeltöne als besonders lästig empfunden werden kann

Nach Gegenüberstellung der zulässigen und der tatsächlichen Geräuschwerte kommt der Senat zum Ergebnis, dass tagsüber die Lärmbelästigung als "unwesentlich" hinzunehmen sei. Für die Nachtzeit sei jedoch die Beeinträchtigung als "wesentlich" anzusehen. Daraus folge, dass die Unterlassungsklage der Kläger (nur) für die Zeit von 22 Uhr bis 7 Uhr begründet sei.

Den Einwand des Tierschutzvereins, dass in der fraglichen Gegend auch nächtlicher Hundelärm "ortsüblich" sei, ließen die Richter nicht gelten. Ebensowenig drang der Verein mit seinem Argument durch, er erfülle mit der Verwahrung der Hunde eine "gemeinwichtige" Aufgabe. Selbst wenn beides zuträfe, könne der Verein daraus nur dann einen Duldungsanspruch herleiten, wenn sich die Lärmbeeinträchtigung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand verhindern lasse. Dass ihm eine Reduzierung des Lärms nicht möglich sei, habe der Tierschutzverein jedoch nicht nachgewiesen. Im Gegenteil spreche viel dafür, dass geeignete Lärmschutzmaßnahmen sowohl technisch durchführbar als auch wirtschaftlich zumutbar seien. Insbesondere komme es bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht auf die finanzielle Lage des beklagten Vereins an, sondern auf die eines durchschnittlichen Anlagenbetreibers.


Wie bei Unterlassungsurteilen üblich, sah das Gericht davon ab, dem Tierschutzverein bestimmte Abhilfemaßnahmen vorzuschreiben (etwa Anschaffung lärmgedämmter Boxen, bauliche Maßnahmen, Verringerung der Hundezahl o.ä.). Auf welche Weise er den nächtlichen Hundelärm auf ein zulässiges Maß verringere, bleibe vielmehr dem Tierschutzverein selbst überlassen.

Zu einer einvernehmlichen Lösung, die beiden Seiten hätte gerecht werden können, hatten sich die Parteien trotz aller Bemühungen des Gerichts nicht durchringen können.


Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil vom 26. 9. 1990, Az. 9 U 3216/89


--------------------------------------------------------------------------------

Anmerkungen:

1) Die Unterscheidung zwischen "wesentlichen"' und "unwesentlichen" Beeinträchtigungen geht auf § 906 BGB zurück. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

(I) "Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von ... Geräusch ... insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.

(II) Das gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind."


2) In seinen Entscheidungsgründen deutete der Senat die Möglichkeit an, dass an den Lärmschutz während der sogenannten Ruhezeiten zwischen 19 Uhr und 22 Uhr (an Sonn- und Feiertagen zwischen 7 Uhr und 22 Uhr) strengere Anforderungen gestellt werden könnten, etwa dadurch, daß auf den errechneten Geräuschpegel weitere 6 dB aufgeschlagen werden. Dieses Problem brauchte der Senat jedoch nicht zu vertiefen; denn selbst unter Hinzurechnung des Zuschlags wäre der zulässige Tagesrichtwert von 55 dB nicht überschritten worden.

3) Wie erwähnt, kam es im vorliegenden Fall auf die Frage der "Ortsüblichkeit" nicht an. Ganz allgemein ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Bundesgerichtshof bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung abstellt. Das bedeutet, daß ein Unterlassungsanspruch - zumindest im Regelfall - nicht ohne weiteres mit der Begründung abgelehnt werden könnte, das "störende" Grundstück sei bereits lange Zeit vor dem beeinträchtigten Grundstück benutzt worden.

4) Klarstellung (aus gegebenem Anlass:( Das Urteil richtete sich gegen den Tierschutzverein, nicht gegen die Hunde.


Verfasser der Presseinformation:
Ewald Behrschmidt
Richter am Oberlandesgericht - Leiter der Justizpressestelle -



WHeimann
Hundeschule des Tierschutzverein Iserlohn e.V.

Jetzt mit AWARD-Vergabe
 
  • 27. April 2024
  • #Anzeige
Hi WHeimann ... hast du hier schon mal geguckt?
  • Gefällt
Reaktionen: Gefällt 29 Personen
#VerdientProvisionen | Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen.
Das war 1990 !!!
Und wie würde heute entschieden ?
Ich will mich hier eigentlich über Aktuelles informieren.

Vera

rotti-salto.gif
rottruns.gif
 
Hallo bickrottis,
werde ich hier ebenso hineinsetzen, da im Moment eben dieses Verfahren gegen unser Tierheim läuft. Lärmbelästigung durch bellende Hunde. Laut Anwohnerangaben seit Sommer letzten Jahres !!! (was war denn da wohl? Ach ja, die LHV) viel schlimmer geworden. Tierheim ist nämlich überbelegt. Warten wir mal ab, ob wieder so entschieden wird.

WHeimann
Hundeschule des Tierschutzverein Iserlohn e.V.

Jetzt mit AWARD-Vergabe
 
Wenn dir die Beiträge zum Thema „Lärmbelästigung durch Tierheim“ in der Kategorie „Verordnungen & Rechtliches“ gefallen haben, du noch Fragen hast oder Ergänzungen machen möchtest, mach doch einfach bei uns mit und melde dich kostenlos und unverbindlich an: Registrierte Mitglieder genießen u. a. die folgenden Vorteile:
  • kostenlose Mitgliedschaft in einer seit 1999 bestehenden Community
  • schnelle Hilfe bei Problemen und direkter Austausch mit tausenden Mitgliedern
  • neue Fragen stellen oder Diskussionen starten
  • Alben erstellen, Bilder und Videos hochladen und teilen
  • Anzeige von Profilen, Benutzerbildern, Signaturen und Dateianhängen (z.B. Bilder, PDFs, usw.)
  • Nutzung der foreneigenen „Schnackbox“ (Chat)
  • deutlich weniger Werbung
  • und vieles mehr ...

Diese Themen könnten dich auch interessieren:

Emily
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Tahoma, Verdana, Arial">Zitat:</font><HR>Original erstellt von Emily: Alexis, die Leute wohnen in einer Eigentumswohnung, insofern ist da keine Gefahr in Verzug. Hi Emily, Vorsicht, bei einer Eigentumswohnung besteht ebenfalls Gefahr, die Wohnung zu...
Antworten
4
Aufrufe
631
Wolfgang
W
merlin
38 Zwinger, wohl alle für Zuchthündinnen? Das ist keine Zucht, das ist Vermehrung! Dabei dürfen die im SV doch ihre armen Hündinnen schon 2 x im Jahr belegen. Nur wenn die Hündin über 8 Welpen hat, muß 1 Hitze ausgesetzt werden. Erwarten die SV´ler auf Grund der HVO´s jetzt eine so gute...
Antworten
2
Aufrufe
3K
tessa
lektoratte
Ein guter Bericht. Die zu vermitteln wird heftig und da nützt leider auch das Plüschfell nix. Für das Tierheim und die Mitarbeiter wahnsinnig aufwändig und das über einen langen Zeitraum. Wieder so ein Fall wo jedes einzelne Tier weitaus mehr kostet als was es jemals dem Tierheim einbringen...
Antworten
2
Aufrufe
103
Carli
Grazi
Alle Hundekinder haben ein Zuhause gefunden! :) Grüßlies, Grazi
Antworten
1
Aufrufe
181
Grazi
bxjunkie
Wäre Ben nicht, würde ich ihn nehmen..so ein Schätzchen Du musst registriert sein, um diesen Inhalt sehen zu können.
Antworten
3
Aufrufe
153
bxjunkie
bxjunkie
Zurück
Oben Unten