12.01.2004 17:52
Siebenjähriger außer Lebensgefahr
Höchberg - Der siebenjährige Junge, der am Sonntagvormittag in Höchberg (Lkr. Würzburg) von zwei Kampfhunden schwer verletzt wurde, ist über den Berg. Soweit die gute Nachricht der Polizei am Tag danach. Sein Leben verdankt er den mutigen Passanten, die ihm zur Hilfe gekommen sind, vor allem dem 33-jährigen US-Bürger Sean Hansen.
Das siebenjährige Opfer, sein knapp vier Jahre alte Bruder und die 29-jährige Mutter waren auf dem Heimweg vom Spielplatz, als sich die Rottweiler in der Theodor-Heuss-Straße auf den Jungen stürzten. Durch die Schreie der Mutter wurde Zahnarzt Dr. Peter Bechmann auf die Szene aufmerksam, die sich direkt vor seiner Gartentüre abgespielt hat. "Ich hab sofort die Polizei alarmiert", erzählt er, "mehr konnte ich nicht tun, ich habe selber furchtbare Angst vor Hunden".
Auch Maria Hansen war Zeugin des Angriffs. Von hinten hätten sich die Hunde an den Buben herangemacht, ohne dass er sie bemerkt hatte, erzählt die Amerikanerin. Ihr Ehemann Sean wusste sofort, was zu tun war: Er rannte auf die Straße, schrie und schlug nach den Hunden. Schließlich warf er sich über den blutenden Jungen, um ihn mit seinem eigenen Körper vor den Bissen der beiden Bestien abzuschirmen.
Sean Hansen (rechts) wird von einem Freund getröstet. Nach seinem beherzten Einsatz für den siebenjährigen Buben hatten den 33-jährigen US-Soldaten die Gefühle übermannt.
Foto: Berthold Diem
"Es sah aus, als wollten die beiden Hunde das Kind regelrecht auffressen. Über das, was mir passieren könnte, hab ich überhaupt nicht nachgedacht, ich hab nur gesehen, dass der Junge in Gefahr ist", berichtete er gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. "Ich habe selbst einen Sohn und einen Hund. In diesem Moment dachte ich, mein schlimmster Albtraum wird wahr."
Der 33-jährige arbeitet als Meteorologe der US-Armee in den Würzburger Leighton-Barracks. Am Tag nach dem schrecklichen Ereignis hat er den Kopf wieder frei, um über des Geschehene zu reden. "Ein Hund hatte sich in das Bein des Jungen verbissen, ich habe ihn geschlagen, da hat er losgelassen. Der zweite hatte das Kind am Oberschenkel gepackt. Während ich versuchte, ihn ebenfalls mit Schlägen loszuwerden, wollte der andere wieder nach dem Jungen schnappen. Dann ist es der Mutter gelungen ihren Sohn wegzuziehen und in Sicherheit zu bringen.
Maria Hansen stand geschockt daneben, und sah, wie ihr Mann gegen die Hunde kämpfte. "Es schien alles so lange zu dauern", erzählt sie. Auch ihr Mann hatte das Zeitgefühl verloren. "Mir kam es so vor, als hätte das ganze eine Viertelstunde gedauert, aber vielleicht war es auch nur eine Minute", sagt er.
Sean Hansen stand nicht allein da. Ein Passant, ehemaliger Lehrer bei der Polizei, dem die beiden herrrenlosen Hunde zuvor schon aufgefallen waren, versucht sie mit Stockhieben zu verscheuchen. Eine 54-jährige Nachbarin hatte als einzige Waffe ihre Handtasche, mit der sie nach den Rottweilern schlug.
Ihr sitzt der Schreck noch in den Gliedern. Die Befragung durch die Polizei am Montagmorgen hätten die Erinnerung wieder aufgewühlt, sagt sie. "Wenn Sie den Atem eines solchen Hundes am Bein spüren, dann sind Sie bedient." Die Machtlosigkeit angesichts der beiden um sich beißenden Rottweiler sei für sie das Schlimmste gewesen.
Bevor die Polizei eintraf, hatte sich einer der Rottweiler auf und davon gemacht und steuerte auf zwei Passanten zu, die mit ihrem Hund an der Leine unterwegs waren. Dr. Bechstein versuchte, sie mit der Autohupe zu warnen. Den Rest erledigten die Polizeibeamten. Nachdem es misslungen war, die Tiere einzufangen, wurden sie erschossen. Die Namen, auf die beiden Hudne hörten, klingen wie Ironie: "Alpha" und "Omega" _ biblische Metapher für den Anfang und des Ende.
Mittlerweile steht fest, dass die beiden eineinhalbjährigen Rottweiler-Rüden erst sein etwa vier Wochen einem 32-jährigen US-Soldaten gehörten. Sie waren aus ihrem unverschlossenen Zwinger in der Florian-Geyer-Straße ausgebrochen. Wie Bürgermeister Peter Stichler mitteilte, besaß der Mann keine Erlaubnis zum Halten der Kampfhunde. Die Soldaten werden aber ausdrücklich auf die deutschen Bestimmungen aufmerksam gemacht, wie die Sprecherin der US-Streitkräft im Raum Würzburg, Gabi Drake, auf Anfrage mitteilte.
Die Vernehmung des 32-Jährigen ist nun Sache der amerikanischen Militärpolizei, berichtet der Würzburger Polizeisprecher Wolfgang Glücker. Ihm werden das Halten gefährlicher Hunde und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Ein Ergebnis war am Montagabend noch nicht bekannt. Mit der Befragung der allein erziehenden Mutter will sich die Polizei Zeit lassen, bis sie ihren Schock überwunden hat.
Gerhard Meissner