Nr.2 lässt uns ggf. obercool und gefühllos erscheinen, weil der 1000ste leicht Verletzte nunmal nix Dramatisches mehr hat, haben kann, sonst könnte man damit ja auf Dauer nicht umgehen.
Und genau DIESE Annahme ist schlicht falsch und sollte mal überdacht werden.
Wir hatten mal fast diese Situation:
Unser beliebtes Asylantenheim, jeden Tag waren wir mindestes 3 Mal da weil die schon wieder ihre Klamotten mit dem Toaster getrocknet haben, Hammel im Wonzimmer gegrillt haben, essen anbrennen lassen haben oder mitten in der Nacht duschen mussten und damit den optischen Rauchmelder ausgelöst haben.
Kennst du den Song "1000 mal ist nicht passiert, 1000 und eine Nacht, und es hat Zoom gemacht?"
Wir auf der Anfahrt, BF kam von der anderen Seite, sehr kurze Strecke bis dahin, noch am Ausrüstung anlegen (ist ja eh wieder nichts), kurz bevor wir um die Ecke kommen kommt die Rückmeldung der POL "Flammenschlag aus dem 3ten OG" (das Gebäude hat übrigens nur ein Obergeschoss
), wir am rotieren, die BF die auch grade um die Ecke kam am rotieren.
Und genau mit DIESER Einstellung haben wir es fast verbockt. Es ist zum Glück gut ausgegangen, aber auch ein "Leicht Verletzter" kann zu einem Notfall werden.
Übrigens: Der "Flammenschlag aus dem dritten OG" war ein Kellerbrand und wir hatten keine Aufstellfläche vor dem Gebäude, da 6 (!!!) Polizei Wagen direkt davor standen!
Und sich jedesmal in die Lage des Gegenüber zu versetzen und den "glücklich und bei Laune zu halten" ist für viele Kollegen erstens schlicht sehr schwer (z.B. nach 20 Jahren Dienst, wer weiß da noch, wie es ist, als Nicht-Polizist in eine Kontrolle zu geraten?), und zweitens manchmal aufgrund der Situation einfach nicht machbar, weil wir z.B. in dem Moment erstmal wichtigere Arbeit zu tun haben.
Kleine Anekdote gefällig?
Polizei-Show letztes Wochenende. Ein Typ steht am Geländer und wird kreidebleich. Paar Sekunden später: der Mann liegt am Boden. 2 Polizisten gehen vorbei. 3 Feuerwehrleute in zivil wollen sich drum kümmern, eine Traube von Polizisten ist im Anmarsch und schickt uns weg. Perfekte Absperrung, nach Lehrbuch, im Halbkreis, wunderbar ausgerichtet, immer mal wieder ein verschämter Blick zu dem Mann. Immer noch keiner kümmert sich um den Mann. 5 Minuten später kommt einer mit dem Rucksack. Nicht ansprechbar, kein Puls, keine Atmung, keine Reaktion auf Schmerzreiz, Vorkehrungen für die Wiederbelebung werden eingeleitet, der Typ fängt sich zum Glück. Stabile Seitenlage mit Kopf Richtung Geländer, sehr vorteilhaft zum Arbeiten.
Die Frau von dem Mann stand die ganze Zeit zitternd daneben. Wäre es zur Wiederbelebung gekommen, wäre auch sie abgeklappt, darauf hat NIEMAND geachtet, NIEMAND war bei dieser Frau, hat sie aus der Situation befreit oder ihr wenigstens moralischen Beistand geleistet: das Absperren war wichtiger. Und das in einer Halle wo es mehr Polizei gab als Besucher....
Klar stumpft man irgendwann ab, das kennen wir genau so wie ihr, aber das darf einfach nicht sein, denn aus jeder Kleinigkeit kann ein echter Notfall werden.
Ich wage sogar zu behaupten: Bei "leicht Verletzten" wie du es angeführt hast, seid ihr noch weniger geeignet zu entscheiden ob es wirklich so "leicht" ist, als wir als Mutwillige.
Ich weiß nicht wie es bei euch ist, aber das waren nur 2 Erlebnisse, die wir hatten, die die nicht auf abgestumpftheit beruhen. Ich will nicht alle über einen Kamm scheren, aber die meisten sind frustriert, schützen uns "normale Bürger" teils mit ihrem Leben und werden nicht genug (auch finanziell) anerkannt.
Das da der Frust an normalen Menschen ausgelassen wird, ist verständlich, aber nicht schön.