Mein Patenkind, ihres Zeichens schon fast 15, war in der Grundschule super in Deutsch. Hat viel gelesen, fehlerlose Diktate geschrieben, wirklich klasse. Außerdem ziemlich sprachfreudig, das Kind - hat munter drauflos geplappert und erzählt, schön in ganzen Sätzen und vernünftiger Satzbildung. Das ging noch so bis zur 7. Klasse, danach der orthographische Totalabsturz.
Das war etwa Zeitgleich mit dem Besitz ihres 1. Handys. Mit der Zeit passte sich sowohl ihr Schreibstil als auch ihr Redeverhalten ganz dem SMS-Zeitalter an...
Mittlerweile ist sie grottenschlecht in der Schule, man versteht sie kaum wenn sie was sagt, sie ist eh sehr sparsam mit Wörtern. Ganze Sätze gibts kaum noch.
Und wenn, dann ist das das "typische Reality-Soap-Assi-Mädchengang"-Gequatsche, "Ey alder, ich geb dir gleich auffe Fresse".
Momentaner Berufswunsch: Piercerin und Tätowiererin.
Weil:"Da muss nur 1 Monat in Ausbildung und kann sich danach selbständig machen - 3 Jahre Ausbildung ist doch voll öde, da hab ich gar keinen Bock drauf"
Von Zuhause kann sie das nicht haben, definitiv nicht. Aber ihre Klassenkameradinnen und Freundinnen sprechen und benehmen sich alle so (obwohl die definititv nicht alle "Schantall"s sind) - das scheint gerade super cool und total in zu sein.
Ich find´s einfach nur peinlich und abartig. Wie können die sich so dermaßen abwerten?
Nächstes Jahr muss sie Bewerbungen schreiben für einen Ausbildungsplatz - hoffentlich kriegt sie bis dahin wieder die Kurve. Momentan ist keinem potentiellen Arbeitgeber zuzumuten, mit der ein Bewerbungsgespräch zu führen.
Ihr großer Bruder (auch mein Patenkind), war da viel vernünftiger. Er ist letzten Monat 18 geworden, hat einen ordentlichen Schulabschluss (FOR), danach ein Einjähriges Berufskolleg für soziale Berufe gemacht und macht jetzt ein bezahltes Jahrespraktikum in der Altenpflege. Momentan laufen Bewerbungen für eine Ausbildung als Altenpfleger, er hat gute Chancen zum 1.10. einen Ausbildungsplatz in der Tasche zu haben.
Der Junge hatte auch einen Hänger in der Schule und eine "Null-Bock-Phase", aber der hat die ziemlich schnell hinter sich gebracht, weil er eingesehen hat, dass er für eine gute Zukunft was tun muss.
Die Kurze steht da eher auf dem Standpunkt: "Is ja nich so, als ob ichs nicht könnte, ich bin halt nur total faul - ich hab halt kein Bock auf Lernen". Momentan steuert sie gnadenlos auf einen (nichtmal guten) Hauptschulabschluss zu.
Dabei hat das Mädel echt Potential, die kann was. Sie will nur nicht.
Ach ja, das ist übrigens das gleiche Mädel, dass mich vor 1 oder 2 Jahren allen Ernstes fragte, wer einem denn das Geld gibt, wenn man mit 18 auszieht und eine eigene (Penthouse)-Wohnung hat. Halt solange Geld gibt, bis man denn mal weiß, was man später so machen möchte.... Weil mit 18 ausziehen in eine schicke Wohnung will sie ja schließlich. Aber natürlich nicht in so einen hässlichen Plattenbau, das muss schon was echt tolles sein...
Als ich ihr dann sagte, dass niemand ihr Geld geben wird und dass sie sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen muss, wenn sie ausziehen will, war sie ehrlich und echt von den Socken. Konnte sie gar nicht glauben, weil die bei "Gute Zeiten Schlechte Zeiten" ja auch arbeitslos oder halt selbständig sind und trotzdem in schicken Penthousewohnungen leben...
Sie fing dann auch gleich damit an, dass ja die Eltern das bezahlen müssten, wenn sie mit 18 von Zuhause auszieht, das hätte sie mal irgendwo gehört, dass die Eltern das dann bezahlen müssen. Für sie stand vollkommen fest, dass sie mit 18 ganz selbstverständlich in eine eigene bestens eingerichtete superschicke Wohnung zieht. Und das irgendwer das bezahlen muss - sie selbst natürlich nicht, denn arbeiten... da weiß sie ja noch gar nicht, was sie machen will. Muss aber gut bezahlt sein, der Job. Und nicht so anstrengend.
Sie konnte sich partout nicht vorstellen, dass man wirklich alles Geld selbst verdienen muss (in ihrer Familie und im Bekanntenkreis gibts keine HartzIV oder Sozialhilfebezieher), sie hat gedacht, irgendwer bezahlt einem erstmal ein schönes Leben solange bis man sich denn mal geruht, sich für einen Beruf zu entscheiden.
Sie war ziemlich geschockt, dass das nicht so ist.
Gruß
tessa