Kaeptn_Stummel schrieb:
Aber deswegen wird daraus immer noch keine Krankheit, sondern es ist eine mangelnde Angepasstheit an die Anforderungen des Alltags.
Es mag ursprünglich eine sein - aber dass daraus "keine Krankheit
wird", ist falsch.
Wenn das "Anpassen an die Anforderungen des Alltags" nämlich nicht funktioniert, kann der daraus resultierende Dauerstress tatsächlich zu physiologischen Symptomen führen, die dann auch u.U. entsprechend behandelt werden müssen.
Dass man dadurch dann aber automatisch im Kopf wieder normal wird, und alles wieder funktioniert, ist aber definitiv nicht so. Wär ja schön, wenn der Mensch als solcher ein so simples Ding wäre. Ist er aber nicht.
Neuronen sind selbstlernend, und wenn etwas lange genug so und nicht anders gemacht wurde, bleibt das erstmal so, auch wenn der Auslöser wegfällt.
Ich nenn mal ein etwas einfacheres Beispiel, wo sowas eben auch nicht funktioniert.
Hat man Schmerzen über einen langen Zeitraum, weil die Ursache nicht gefunden wird - dann hat man sie auch dann noch, wenn die Ursache schließlich beseitigt wird. (Darum (u.a.) ist man heute im Gegensatz zu früher nach OPs u.ä. mit Schmerzmitteln eher großzügig.)
Und da hilft es auch nix, wenn man als Betroffener über diese Zusammenhänge
Bescheid weiß.
Ich bin nach einer Fehldiagnose nach Sportunfall mehrere Jahre mit einer gestauchten Wirbelsäule herumgelaufen - ich war gut 1,5 cm kleiner als jetzt wieder. (Kein Scherz.)
Meine alte Größe habe ich wieder, meine Beschwerdefreiheit leider nicht. Ich weiß, woher es kommt und dass die Schmerzen "harmlos" sind. Davon komm ich aber an schlechten Tagen morgens auch nicht besser aus dem Bett.
Das Problem ist keins an meiner Wirbelsäule, es ist ein neurologisches. Die Nerven sind so daran gewöhnt, dass da was wehtut, dass sie genau das immer noch senden. Genau das trifft aber auch auf depressive Verhaltensmuster zu. Auch die werden von neuronalen Regelkreisen vermittelt, die ohne Gegenmaßnahmen noch lange stur an ihrem einmal eingeimpftem Schaltmuster festhalten.
Von daher ist die Vorstellung: "Funktionsstörung beseitigt, Funktionsfähigkeit wieder hergestellt" (leider - wär ja schön, wenn es so einfach wäre) nicht korrekt.