@ lektoratte
Ich verstehe grad nicht, was Kolumbien nun genau mit China zu tun hat?
Es steht ausser Frage, dass Menschen in Laendern, in denen der Tod sozusagen an der Tagesordnung ist (sei das nun im drogenmafiaregierten Kolumbien oder am Horn von Afrika) mit diesem anders umgehen als wir.
Aber genau das ist doch der Punkt. Sukie hatte weiter oben
auch über China berichtet (Quelle: Eine Freundin, die mit einem Chinesen zusammen "unter Einheimischen" einige Zeit dort gelebt hatte), dass dort regelmäßig
Tote mehrere Tage auf der Straße herumliegen, ohne dass sich jemand kümmert!
(Daraus würde für mich - ich hab das Video übrigens nicht angesehen, ich bin ein Weichei - zB folgen: Wenn die vorbeigehenden Leute in diesem Fall davon ausgingen, das Kind sei ohnehin tot - und Tote im Straßenbild nichts soo ungewöhnliches sind - wäre das ein Grund, sich nicht zu kümmern.)
Dafuer kann man "Verstaendnis" haben oder auch nicht. Was aber irgendwelche herumliegende Leichen in Kolumbien mit diesem ueberfahrenen chinesischen Kind zu tun haben, erschliesst sich mir nicht. Relativieren sie die Verwerflichkeit dieses Vorfalls?
Ja und Nein. Wenn es in China üblich ist, dass sich um Tote auf der Straße nicht gekümmert wird, und man das Kind für tot hätte halten können, würde das zumindest eine
Erklärung sein.
(Wenn offensichtlich ist, dass das Kind noch gelebt hat: Nein!)
Eine weitere Gemeinsamkeit von China und Kolumbien könnte aber auch folgende sein:
In Kolumbien war es tatsächlich so (sagte unsere Doktorandin), dass niemand, der an seinem Leben hing, etwas mit der Polizei zu tun haben wollte. Wenn er nicht musste. Weil die eben selbst korrupt waren, sich gern an scheinbar harmlose Leuten "ohne schießwütige Lobby im Hintergrund" schadlos gehalten haben für ihre sonstige von Außen erzwungene Untätigkeit usw. Warst du da ehrlich, warst du im Grunde immer der Dumme (ganz kurz zusammengefasst).
Und das war tatsächlich auch ein Grund, warum sich um Leichen nicht gekümmert wurde. Oder warum in einem Notfall viele Leute nicht geholfen haben. Die wollten schlicht selbst "keinen Ärger", und damit war keine Rennerei über Ämter gemeint.
Und angesichts von dem Bisschen, was ich über China weiß, ist der Staat zwar völlig anders organisiert als in Kolumbien (sozusagen diametral entgegengesetzt), aber was über die Ordnungsbehörden gesagt wurde,
gilt dort auch. Sogar sehr ausgeprägt. Auch da ist glaube ich (wenn auch vielleicht aus anderen Gründen) jeder sehr froh, mit denen nix zu tun zu haben, weil man da schnell mal selbst mit einem Bein im Gefängnis steht, warum auch immer. Und die Chancen, da dann wieder gegenanzugehen, sehr gering sind.
Was dann leider auch wieder ein "guter" Grund ist, sich aus jeder Art von Vorfall, auch als Helfer, möglichst herauszuhalten!
Jetzt klarer?
Das ist, was
für mich Kolumbien mit China verbindet.
Rechtsunsicherheit.
Und daraus resultierend auch bei der "Normalbevölkerung" möglicherweise ein etwas anderes Verhalten als zB hier.
Gepostet habe ich das aber, weil sich hier so eine Nebendiskussion darüber entspann, dass (zusammengefasst) "so etwas in China halt leichter passiert, weil die Chinesen ja eh eine andere Einstellung zu verschiedenen Dingen haben" - KS benutzte das Wort "archaisch", und Alphatierchen zB zweifelte das an und glaubte nicht, dass "die Chinesen" soviel anders seien als wir.
Aber, um darauf zurückzukommen: Dafür, dass es sehr wohl so ist, dass anderswo die Leute mit Tod und Elend anders umgehen als hier, führte LittleSam Kolumbien ins Feld, wo er angeblich schon gewesen sei.
Worauf wegen seiner "Forenperson" erstmal angezweifelt wurde, ob das, was er da schreibt, so stimmen würde. Das bezog sich auch noch auf das Beispiel mit dem 7-jährigen betrunkenen Kind, worüber ich mir kein Urteil erlauben möchte.
Aber für
Kolumbien konnte ich seinen Bericht zumindest bestätigen (was aber Zufall war).
So, und nun frage ich dich mal zurück:
Du sagst ja selbst, dass du glaubst, dass Leute unter bestimmten Umständen mit solchen Situationen anders umgehen. Aber für China soll das nicht gelten?
Warum gerade für China nicht?
Ganz losgelöst von dem Vorfall. Ich glaube, wie gesagt:
Jeder hier war schockiert, und
jeder findet das Geschehen verwerflich bis unerträglich.
Darüber braucht man gar nicht zu diskutieren.
Aber die Fraktion, die dieses Ereignis auch auf die Gegebenheiten in China zurückgeführt haben, wurde von einem anderen Teil der
genauso aufrichtig Empörten sofort sinngemäß bezichtigt (so kam es zumindest bei mir an), "die Chinesen" zu verunglimpfen, es "sich zu einfach zu machen", "im Grunde nichts über China zu wissen", "zu verdrängen, dass es auch in Deutschland so etwas gäbe" usw usf etc.
Übrigens auch noch, als Sukis Bericht bestätigte, dass es Dinge in China gibt (in Richtung Gleichgütigkeit, unterlassene Hilfe), die man sich hier auf keinen Fall vorstellen könnte.
Und das - das finde ich dann auch wieder "zu einfach" gedacht.
Aber - und ich habe zumindest versucht, das deutlich zu machen - um so zu denken, muss man nicht "die Chinesen an sich" für herzloser als "den Mitteleuropäer an sich" halten oder ähnliches. Man kann auch bei einer differenzierten Betrachtungsweise zu dem Schluss kommen, dass der Alltag in China, das Rechtssystem usw. eine Menge mit diesem Vorfall zu tun hat.
"Der Chinese an sich" ist vielleicht nicht so. Aber das Leben in diesem Land
macht ihn so. Ist daran nun aber "der Chinese" "Schuld" und "sind die einfach so"? - Das denke ich zB nicht. Das wird aber immer abstrakter, ich lass es jetzt einfach mal so stehen.