Warten auf Frauchen- ein Weihnachtswunder...

Crabat

10 Jahre Mitglied
Eben per Mail erhalten....*snief*

Ein Weihnachtswunder

Er wartete. Und das schon seit Monaten. Alle seine Sinne waren darauf
ausgerichtet, dass jemand kommen würde, um ihn zu holen. Morgens erhob er
sich von seinem Lager und setzte sich ans Gitter, und abends ging er wieder
zurück. Nur wenn er trinken oder fressen musste oder wenn er zur täglichen
Runde ausgeführt wurde, verließ er seinen Platz…..

„Wenn mein Bero einmal nicht mehr ist, denn nehme ich dich mit nach Hause",
versprach die Frau und strich dem weißen Bullterrier sanft über den Kopf. „
So lange musst du noch hier bleiben. Denn Bero mag keine anderen Hunde."

„Schmidti, heute ist Heiligabend. Sieh zu, dass du unter den Tannenbaum
kommst", unterbrach eine freundliche Stimme die Gedanken der Frau. Es war
Julia. Sie arbeitete ebenfalls in dem kleinen Tierheim - „ Es ist ein
Jammer. Niemand will ihn haben. Dabei ist er ein so feiner Kerl. Glaube mir,
Schmidti, wenn ich nicht schon die ganze Bude voller Viecher hätte, ich
würde ihn bestimmt aufnehmen. - Komm , reiß dich von ihm los. Morgen ist
auch noch ein Tag."

Schmidti richtete sich ächzend auf. Das lange Sitzen in der Hocke war nichts
für ihre Knie und ihren Rücken. „Nun muss ich dich alleine lassen, mein
Freund. Aber ich komme bald wieder."

Sie öffnete die Metalltür, an der ein weißes Schild befestigt war:

Bullterrier, Abgabe wegen Todesfall, verträglich

Schmidti ging an den leeren Boxen vorbei. In wenigen Wochen würden sie
wieder mit vierbeinigen Weihnachtsgeschenken gefüllt sein. Das war bisher in
jedem Januar so, und die Aussichten, dass sich etwas bessern würde, waren
gering.

„Manchmal möchte ich verzweifeln", dachte Schmidti. „Doch wenn alle unter
diesem Elend zusammenbrechen, wer kümmert sich dann um die verstoßenen
Tiere?" - Sie erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem der Bullterrier
gebracht worden war. Eine halbe Woche lang muss er neben seiner Besitzerin
ausgeharrt haben, bis sie entdeckt worden war. Verzweifelt hatte er sie
geschubst und geleckt, aber sie war nicht wieder aufgewacht. Und dann hatte
er sie zu wärmen versucht, doch auch das half nichts. Sie war tot.

Anschließend lebte der Hund bei dem Sohn der alten Dame. Jedoch nur für eine
kurze Zeit. Irgendwann im März klingelte im Tierheim das Telefon. „ Sie sind
meine letzte Hoffnung. Haben sie noch Platz für einen Bullterrierrüden? Ich
würde ihn gern selber behalten, aber meine Frau hat gedroht, ihre Koffer zu
packen…Und ich fürchte sie misshandelt ihn, wenn ich nicht daheim bin. Dabei
ist er absolut friedfertig." - Schmidti sagte, das er kommen könne. Und so
lernte sie wenig später beide kennen.

Der gut gekleidete Mann stellte das Körbchen samt Kuscheldecke und allerlei
Zubehör auf den Boden. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich von dem Hund zu
trennen. „ Bitte, suchen sie für ihn ein gutes Zuhause. Er hat es wirklich
verdient." Dann hatte er Schmidti hastig die Hundeleine in die Hand gedrückt
und war davon gegangen., ohne sich umzudrehen. - „ Nicht einmal
verabschiedet hat er sich", murrte Julia. „ Aber sieh dir mal an, was er da
in den Korb gelegt hat." Sie wollte Schmidti den Briefumschlag reichen, auf
dem geschrieben stand:

Tierheim, Frau F.Schmidt, persönlich !

Aber die winkte ab. „ Mach du ihn doch auf!" Derweil streichelte sie dem
Neuankömmling versonnen den kräftigen Nacken. Der reagierte nicht. Es
schien, als wäre seine Seele in der Trauer verloren gegangen.

Julia öffnete das Kuvert, schaute hinein und zog mit zittrigen Fingern ein
Bündel Geldscheine und einen Bogen Papier heraus. „ Sehr geehrte Frau
Schmidt", lass sie vor. „ Ich verlasse mich darauf, dass sie den Bullterrier
meiner verstorbenen Mutter optimal versorgen." - Ort, Datum, Unterschrift.
Julia schluckte heftig. „ Schmidti das klingt fast wie ein Vermächtnis. Oder
will er sich damit unsere Fürsorge erkaufen?" - „ Vielleicht liebt er diesen
Hund und ist verzweifelt." Schmidti erhob sich von ihrem Stuhl, um den
Weißen in seine Box zu bringen. „ Unfug!" fügte sie im Hinausgehen ungewohnt
barsch hinzu. „ Er hat sich mit der Problematik befasst. Er weiß, das
Tierheime wie unseres unter chronischem Geldmangel leiden und das es ewig
dauern kann, bis wir diesen armen Teufel vermittelt kriegen."

Der Bullterrier folgte ihr brav bei Fuß, als hätte er es nie anders gemacht.
Ohne zu zögern betrat er wenig später den gekachelten Raum, der in der
nächsten Zeit seine Bleibe sein würde.

Julia trug das Körbchen herbei und stellte es ab. „ Hast du eigentlich eine
Ahnung , wie er heißt ?" - „ Verflixt !" stöhnte Schmidti erschrocken.
„Alles hatte ich mir telefonisch durchgeben lassen, aber das habe ich glatt
vergessen. Da macht man diesen Job nun schon jahrelang und dann so was! Aber
schau mal er hat eine Kapsel am Halsband." Sie schraubte die Hülse auf, doch
sie war leer. „ Nun gut, gleich morgen werde ich nachfragen. Die
Telefonnummer habe ich ja." Doch so einfach war die Sache nicht. Tagelang
bekam sie keinen Anschluss. Dann endlich war die Ehefrau am Apparat: „ Sie
wagen es, mich wegen dieser verdammten Töle anzurufen?! „ schrie sie in den
Hörer. „ Mein Mann ist auf dem Heimweg von ihnen mit dem Auto verunglückt.
Und alles was er vor seinem Tod noch hervorgebracht hat, drehte sich um
dieses Mistvieh. Sie können froh sein, dass ich nicht weiß, wo der Köter
steckt. Ich würde persönlich hinkommen und ihn erwürgen." Und dann hatte sie
hysterisch gekichert und aufgelegt.

So geschah es, das der Bullterrier nie mehr seinen Namen hörte. Aber das
schien ihm egal zu sein, so wie ihm alles egal war. „ Schmidti !" rief Julia
diesem Weihnachtsabend vom Büro aus. „ In zwei Minuten gehe ich nach Hause
Und wenn du bis dahin nicht fertig bist, dann musst du heute auf meine
Begleitung verzichten." - „ Ich bin sofort da", antwortete Schmidti, und so
standen die beiden Frauen wenig später vor dem bescheidenen Flachbau. Es
hatte zu schneien begonnen. Leise rieselten dicke Flocken auf die Erde
nieder und bedeckten das triste Grau mit ihrem versöhnlichen Weiß. Schmidti
legte sich fröstelnd ein Tuch über die Haare.

„ Julia, spürst du das auch?" flüsterte sie. „Das ist eine Nacht für
Wunder." Julia lächelte.

„ Es ist Heiligabend. Da geschehen manchmal welche."

Irgendwann in dieser Nacht wurde der Bullterrier wach und ging an seinen
Platz vor den Gittern. Der Mond schaute durch das Fenster und erhellte den
kargen Raum mit seinem fahlen Licht. Plötzlich durchströmte den Hund ein
solches Glücksgefühl, dass er glaubte sein Herz würde zerspringen. Er hörte
vertraute Schritte, und dann stand sie vor ihm. „ Ich habe auf dich
gewartet", sagte er. „ Ich dachte, du würdest nie mehr kommen." - „ Es ging
nicht früher. Die Zeit war noch nicht reif. Doch nun bin ich bei dir",
antwortete sie und beugte sich zu ihm herunter. Zärtlich leckte er ihren
Hals, so wie er es immer getan hatte, wenn sie vom Einkaufen oder von einer
anderen Verrichtung, zu der sie ihn nicht hatte mitnehmen können,
heimgekehrt war. Anspringen durfte er sie nicht, denn dazu war sie nicht
kräftig genug. Nun nahm sie ihn jedoch auf den Arm, so wie sie ihn getragen
hatte, als er noch ein Welpe war. „ Bubi, ich bin hier um dich zu holen…."
Und dann wanderten sie gemeinsam durch den Schnee dem Sternenhimmel
entgegen. - „Er hat es hinter sich", versuchte Julia ihre Schmidti am
nächsten Morgen zu trösten. „ Er ist an seinem gebrochenen Herzen
gestorben." Sachte fuhr sie mit der Hand über den toten Hundekörper. „ Wir
werden ihn unter der alten Linde beerdigen." Gedankenverloren nahm sie ihm
das Halsband ab und drehte die Metallhülse auf. Es war ein Zettel darin, auf
dem stand:

CH. Xenophon Hubertus, genannt Bubi

„Das ist ja sonderbar, Schmidti. In diesem Ding war doch nichts drin, als
wir damals nachgesehen haben." - Und so geschah es, dass auf dem kleinen
Holzkreuz der Name des Hundes geschrieben steht, der an dieser Stelle
begraben worden ist.

Verfasser unbekannt (????)
 
  • 30. April 2024
  • #Anzeige
Hi Crabat ... hast du hier schon mal geguckt?
  • Gefällt
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oh wie schrecklich...
es ist auch ohne solche Geschichten schwer genug, die Nasen im Th zurück zu lassen,
besonders die , von denen man weiß, dass sie leiden...
jetzt schniefe ich auch....
 
habe ich heute auch bekommen und dann hatte ich tränen in den augen, weil es so real ist..... :(
 
bei ´dem mädchen mit den schwefelhölzern` hab ich als kind geweint,- nun wusste ich irgent wie gleich am anfang- hier weine ich auch..
 
Hab zwar auch grad Tränen in den Augen - aber eigentlich ist es ja eher traurig-schön:
Mama holt ihren Bubi nach hause, jetzt sind sie doch alle wieder zusammen: die Frau, ihr Sohn und Bubi.

Ich finde, es hat etwas sehr tröstliches...
 
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