Neulich musste ich an den Hennes denken. Der Ärmste ist nun schon einige Jahre nicht mehr unter uns, war aber zu Lebzeiten eines der Stadtgesichter, die man einfach "kannte".
Ursprünglich kennengelernt hab ich den Hennes "dienstlich", als Patient in unserer Praxis. Seine Frau hatte ein sehr alteingesessenes Geschäft in der Innenstadt, sodaß man sich im Städtle häufiger über den Weg lief.
Und immer, wenn der Hennes mich irgendwo von Ferne entdeckte, rief und winkte er und grüßte mich entfesselt...
Zu seiner Familie gehörten auch zwei alte kleine Terrier mit denen er häufig dort unterwegs war, wo ich auch Gassi ging.
Manchmal wartete der Hennes mich regelrecht ab - um nicht zu sagen "lauerte er mir auf"... Mit seinen Hündchen, seinen Walking-Stöcken, seiner Schiebermütze und seinem cremefarbenen Rentner-Blouson stand er dann schon auf dem Parkplatz am Rhein und heftete sich an meine Fersen beim Gassigang.
Anfangs nervte mich das ein wenig, aber der Hennes freute sich so sehr, wenn er mich sah und mir ein Gespräch aufnötigen konnte, daß ich ihm nicht wirklich "böse" sein konnte und schließlich meistens NICHT flüchtete, wenn ich ihn erspähte...
Der Hennes war neugierig wie ein altes Waschweib und hatte nicht nur an sämtlichen Vorgängen in der Stadt großes Interesse und reichlich Diskussionsbedarf, sondern auch an meinem privaten Umfeld. Er klopfte alles ab: meine genaue Herkunft z. B., aber vor allem war er auffällig interessiert an meinen "Ländereien" und Besitztümern.
Als ich dem Scheich von Gassigesprächen dieser Art berichtete, sagte der nur: "Klarer Fall - der checkt, ob du 'ne gute Partie wärst."
Wenn wir zusammen mit unseren alten Hunden langsam vor uns hin tippelten, mußte ich dem Hennes zum Glück nicht so frontal ins Gesicht gucken, denn wenn er mir in der Stadt begegnete und mir gegenüber stand, wurde ich beim Gespräch immer von den weißen Spuckefädchen in seinen Mundwinkeln abgelenkt. Wie kleine Gummiseile zogen sie sich bei jedem Wort zusammen und wieder auseinander. Das ließ sich ganz gut übersehen, wenn der Hennes beim Gassi neben oder schräg hinter mir ging. Was allerdings dabei an visuellen Highlights auf der Strecke blieb, wusste der Hennes mit akustischen zu ersetzen. Denn zeitweise furzte er bei jedem einzelnen Schritt laut und vernehmlich. Kurz und zackig, exakt im Takt seiner Walking-Stöcke...
Er war sehr anhänglich, der Hennes, vielleicht auch ein bißchen nervig, aber irgendwie war er auch putzig. Keiner konnte so im Takt knattern, wie er.