De Jupp.
Ein knarziger Zeitgenosse mit dem wohl nur mein Vater irgendwie befreundet ist. Weil mein Vater hart im Nehmen, tolerant und leidensfähig ist - und weil den "Job" halt Irgendjemand machen muß...
De Jupp hat eine Stimme wie 'ne rostige Gießkanne, ist keine besonders beeindruckende Erscheinung, hat aber Aggressionspotential für 10.
Er hat seinen Lebenssinn darin gefunden, "Holz zu machen" und sich (über andere) aufzuregen.
Seine leichte Erregbarkeit führte im Laufe seines Lebens nicht nur dazu, daß er seinen einzigen Sohn nach dessen Outing ernsthaft mit einer Schrotflinte erlegen wollte
, sondern z. B. auch dazu, daß er über viele Jahre das Premiumopfer der Dorfjugend in der jährlichen "Hexennacht" war.
Alle Jahre wieder wurden er und sein Anwesen für irgendeinen Schabernack auserkoren, alle Jahre wieder regte er sich darüber auf wie das berühmte HB-Männchen, ignorierte den Rat meines Vaters ("Ach, Jupp, stell denne Kerllcher doch einfach en Kist Bier hin."), und regte sich noch mehr auf wenn es dann noch schlimmer endete, als im Jahr zuvor.
De Jupp ist im Zusammenhang mit seiner niedrigen Reizschwelle außerdem auch noch ein wahrer Meister des klugen Wortes. Er kommentiert grundsätzlich ALLES, hat dabei sehr wenig Ahnung, aber enorm viel Meinung - und als sein Markenzeichen könnte man den sicheren Umgang mit Fremdwörtern betrachten.
So war de Jupp der erste Mensch, den ich schon vor 40 Jahren allen Ernstes (!!!) sagen hörte: "Da frooch doch mo de Dingens. Dä is doch en KONIFERE off dem Gebiet."
Bis heute wird ihm grundsätzlich EIN AntibiotikA verschrieben, was dann auch etwa 8 - 12 mal in jedem Satz darüber Erwähnung findet.
Ich wünschte lange, man gäbe ihm zur Abwechslung mal Penicillin - bis ich fürchtete, da könne er dann ein "s" in die Mitte setzen...
Meine Lieblingsgeschichte über de Jupp ist aber die :
Anlässlich eines Geburtstagskaffeekränzchens bei meinen Eltern saß de Jupp neben mir - was mich den Nachmittag über schon reichlich Nerven gekostet hatte. Konversation mi'm Jupp ist anstrengend, und so dürften alle Anwesenden froh gewesen sein, daß es an diesem Tag mich getroffen hatte.
Jedenfalls fing de Jupp irgendwann an, mir mit seiner quietschigen Stimme unbedingt von seiner jungen Nachbarin erzählen zu wollen, die seiner Meinung nach stinkfaul wäre und den ganzen Tag nur lesend und kaffeetrinkend vor ihrem Häuschen in der Sonne sitzen würde. Mehrfach setzte er an und wollte mir diese Story ins Ohr drücken, und als hätte es ein Regisseur so angeordnet, sprach mich immer exakt in diesem Moment meine Tischnachbarin von der anderen Seite an und verwickelte mich in ein Gespräch. Aber ich merkte, de Jupp gibt nicht auf. Er will unbedingt über die faule Nachbarin herziehen.
Da ich nicht so recht greifbar war, erzählte er die Geschichte seiner neben ihm sitzenden Frau, die aber - aus langjähriger Gewohnheit... - nicht reagierte.
Also versuchte er es irgendwann zum x-ten Mal bei mir und ich mußte schließlich doch zuhören. Als er die Ungeheuerlichkeit vollständig erzählt und noch mehrfach bekräftigt hatte, wie faul die junge Nachbarin da täglich in der Sonne sitzt und überhaupt nur aufsteht, um sich frischen Kaffee zu holen, dat faul' Dier, und daß das den gaaanzen Tag so geht, schaltete sich meine gegenüber am Tisch sitzende Tante ein und sagte: "Wenn du diese Vorgänge alle so haargenau beobachten kannst, Jupp, dann scheinst du ja auch 'ne ganze Menge freie Zeit zu haben."
Danach war de Jupp für den Rest des Tages ruhiggestellt und trank allein die angebrochene Flasche Mirabellenbrand leer, denn Gegenwind erträgt er schlecht, de Jupp.