"Die Stute" mal etwas trauriges zum nachdenken

*mingomingo*

15 Jahre Mitglied
Die Stute

Sie steht ruhig, die trüben Augen graben still ein Loch in den frostigen Boden vor ihren Hufen.
Sie wacht. Sie wacht, auch wenn sie weiß, dass ihre Wache umsonst ist. Das Fohlen zu ihren Füßen, gestorben im Schlaf, geflohen und gerettet vor dem Schicksal. Nicht ihr eigenes, welches starb bevor es das Licht der Welt sah und leblos ihren Körper verlies, vor wenigen Tagen erst. Schmerzhaft zerrte man es aus ihr heraus und tat damit wenig Gutes. Sie würde niemals ein Fohlen mehr bekommen können, das hatte Sie schon gewusst, als sie noch pumpend vor Erschöpfung auf dem kalten, gefrorenen Schlamm lag, der ihr Winterauslauf war. Keinen Abschied hatte sie nehmen dürfen von der Frucht, die sie so lange und voll soviel Liebe in sich getragen hatte und keinen vollen Tag hatte es gedauert, bis harte Schläge sie auf einen Transporter trieben.

Ihr Bein schmerzt, als sie so ihren Gedanken nachgeht. Es schmerzt schon lange, aber sie hat gelernt diese Schmerzen zu ignorieren, denn wenn sie bei der Arbeit kürzer trat oder zögerte, die Hürden zu nehmen, die sie vor ihr aufbauten, biss die Gerte in ihre Flanke. Erst, als sie die Beine nicht mehr hoch genug bekam und auch Schläge nicht mehr halfen, ließ man ihr etwas Ruhe.

Einen Hengst hat sie nie gesehen, dennoch hatte sie in den Sommern darauf immer ein Fohlen zur Welt gebracht und die wenigen Mondläufe, die sie mit ihnen verbringen durfte, hatten sie ruhiger gemacht. Sie hatte ihre Fohlen immer geliebt und das war vielleicht auch der Grund, warum sie beinahe froh war, als dieses Fohlen hier, dessen Mutter vor dem Transporter zusammengebrochen war, sie von der Last ihres prallen Euters erlöste. Doch der Transport war lang und Pausen gab' es nicht. Sie gab soviel von sich, wie sie ohne Wasser nur konnte und ertrug still den Durst, der ihre Kehle ausdörrte. Es war die Hoffnung gewesen, die ihr dabei half, die jedoch zu Nichte wurde, in dem kurzen Moment des scharfen Bremsens, als ein großer Wallach in dem engen Transporter wegrutschte und dem Fohlen dabei das Bein brach. Doch es war tapfer gewesen, wollte leben und hatte sich daher aufgerappelt und weiter die wenige Milch und die Liebe aufgesaugt, die es bekommen konnte.

Nun liegt es da. Sie wusste um seinen Tod letzte Nacht, als es schwach und krank von der entzündeten Wunde sein Leben in den Schoß des eisigen Windes legte, der unablässig über die öde Ebene wehte. Die blaue Zunge hängt nun kraftlos zwischen den kleinen Zähnen im geöffneten Maul. Die Augen geschlossen, so hat der Tod selbst sich seiner angenommen.
Mit einer Wolke weißen Dampfes fährt ein Seufzer aus ihren Nüstern.

Ein Stück weiter steht der alte Wallach, der letzte, der noch da ist, seid sie heute morgen begonnen haben, kleine Gruppen von ihrem Transporter in die Halle zu treiben, die hinter ihnen steht. Sie weiß um ihr Schicksal. Angst war jedes Mal aus dem Tor gekrochen, als man es öffnete, der Geruch von Grausamkeit und Gewissheit. Keines der Pferde kam wieder heraus und alles was sie noch von ihnen in Erinnerung hat, sind das furchtsame Wiehern, und das panische Brüllen, das der Wind ihr herüber trug, bevor es jäh verstummte.
So wird auch sie hier ihren Lohn empfangen. Kein Schrecken ist in diesem Gedanken und keine Bosheit. Nie hatte sie geschlagen oder gebissen, nie hatte sie die Arbeit verweigert, gleich wie hart sie war. Und auch jetzt empfindet sie keinen Hass. In der Zeit bei den Menschen hatte sie viel gelernt, hatte die wenigen sanften Hände lieben gelernt, die harten Hände und die Schmerzen ertragen. Ein wenig Furcht vor dem Weg aus der Welt, und doch Geduld mit denen, die ihr diesen Weg bereiten würden.

Da - schon kommen sie, der Mann mit dem Treiber und sein Helfer, der die Tore öffnet. Ein letztes Mal fällt ihr Blick auf das Fohlen vor ihren Hufen und sie fragt sich, ob es wohl Pech oder Glück gehabt haben mochte mit dem kurzen Weg seines Lebens.

Mit einem Klatschen fällt der Knüppel auf ihre kantige Kruppe und hinterlässt einen Striemen im stumpfen Fell, umrandet von Raureif. Ihre Augen weiten sich unter den eingefallenen Gruben rechts und links des gelbweißen Sterns auf ihrer Stirn, und sie setzt sich in Bewegung, dem Wallach hinterher, den die Schläge zuerst trafen. Während sie so geht denkt sie an das, was sie gelernt hat seid sie vor 12 Jahren von der Seite ihrer Mutter gezerrt worden war. Sie hat die Menschen nie verstanden. Druck und Schmerz waren die Boyen am Kanal ihres Lebens und nur selten kam eine kühlende Welle, die Schmerzen zu lindern.

Das Tor wird scheppernd vor ihnen geöffnet und ein warmer Dunst schwüler Angst schlägt süß in ihr Gesicht. Feuchte Spuren roten Lebens grinsen mit gallertigen, pupillenlosen Augen von weißen Kacheln. Zwischen Wänden und Gittern aus Stahl läuft ein Zittern der Furcht über ihre Flanke, verkrampft dort und sucht sich einen weg in ihre weißen Augen. "Nein, auch jetzt werd ich nicht Schlagen oder Beißen, auch jetzt werde ich folgen," denkt sie bei sich," wie ich es ein Leben lang getan habe." Keinem hier wird sie zürnen, keinen verfluchen. Ihr Ende ist nahe, dessen ist sie gewiss und sie heißt es willkommen.
"Die Menschen," so steht es in ihren Gedanken, "können nicht sehen, können nicht hören und auch nicht fühlen. Wie sollen sie wissen," fragt sie sich und tritt in die enge, metallene Box," als blinde und taube Geschöpfe, was wirklich um sie geschieht?"

Manuel Böttcher
by Doggenschutz E-Mail
 
Ich hatte das per Mail erhalten - einfach nur schrecklich :heul: :heul: :heul:

LEIDER sind Tiere so treu und dumm, es wäre gut, wenn sie sich gegen uns Peiniger wehren würden :(
 
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