Die Illusionen eines Besitzers über seinen Hund

Eine Schulkollegin meiner Tochter hat vor ein paar Monanten einen Jack Russel Terrier bekommen. Das Tier ist natürlich ziemlich lebhaft, aber das ist nicht weiter schlimm für unseren, da wir schonmal einen kannten und mit dem hat er recht gern gespielt. Das war immer recht lustig anzuschauen. Auf jeden Fall geht ihre Mutter Abend mit ihm spazieren und sie hat so aber gar keine Ahnung von Hunden (was mir jetzt auch noch stärker aufgefallen ist als vorher).
Gestern bin ich gerade bei ihrem Haus vorbeigekommen als sie grad raus wollte. Die Tür steht offen, ihr kleiner natürlich rausgeschossen und auf unseren Los. Wir wollen jetzt Spielen. Dabei auch entsprechend Lärm gemacht und geknurrt, aber das war ja ok.
Ich bin stehen geblieben und haben die beiden lassen. Sie war aber so erschrocken, konnte aber gerade nicht, kommen, hat aber sofort angefangen zu rufen ich soll ja stehen bleiben und mich um Gottes Willen nicht bewegen, sie holt ihn gleich weg. Ich habe mich nichmal bewege, aber nicht weil ich Angst hatte, sondern weil ich den beiden Gelegenheit gegeben habe sich miteinander zu beschäftigen. Ich fand das recht lustig, weil sie die ganze Zeit voller Panik gerufen hat dass ich ja nichts tun soll sie kommt mich quasi gleich retten.
Da ich gesehen habe dass sie halt so überreagiert und das auch an ihrem Hund dann auslässt habe ich meinen weggelockt (was ich sowieso üben wollte ) und das hat auch recht gut geklappt. Na, ja. Ich habe mir dann weiter keine grossen Gedanken gemacht und bin nach Hause.
Heute habe ich sie wieder auf dem Weg getroffen und es war recht ähnlich. Sie hat voller Schreck dauernd an ihrem Hund herumzerrt(wenigstens ein Brustgeschirr aber trotzdem) während meiner fast gar nicht reagiert hat. Ich habe mich dann mit ihr unterhalten und dabei habe ich dann erst so richtig mitbekommen wie sie ihren Hund einschätzt. Als ich ihre versucht habe zu erklären dass sie die beiden ruhig loslossen kann, weil die sich das schon ausmachen und das da nichts passiert, hat sie mir erstmal erklärt wie gefährlich ihr Hund ist. Hallo!?! das war irgendwie echt abgedreht. Sie steht da und erklärt mir wie ihr Hund reagieren würde (er fällt meinen dann an weil er ja so furchtbar agressiv wäre) während ich die ganze Zeit ihren Hund sehe wie er sich tatsächlich verhält (er war ganz begeistert und wollte meinen zum Spielen auffordern).
Am allerbesten habe ich dann gefunden das ich ja so ca. 10cm neben ihr stehe währen wir reden und sie mir dabei allen ernstes erklärt das ihr Hund so einen starken Beschützerinstinkt hat. Auf der Strasse darf kein Mann auch nur in ihre Nähe kommen da fällt er sie sofort an. Während sie mir das ernsthaft erklärt (obwohl ich ja gerade genau das mache) versucht ihr Hund die ganze Zeit mit meinem zu spielen. Von wegen Beschützerinstinkt, der hat da gar nichts wahrgenommen. Meiner hat das ziemlich gelassen genommen. Der hat mir richtig leid getan. Er sass die ganze Zeit neben mir und hat meine Tasche angestarrt und gewartet dass ich doch ENDLICH ein Leckerchen rausrücke, was ich dann auch getan habe. Ich war so beschäftigt ihren Hund zu beobachten dass mir das anfangs gar nicht aufgefallen ist, dass meiner da so brav gesessen hat und nur eines im Sinn hatte.

Also ich bin mir sicher dass ich meinen Hund auch manchmal etwas besser sehe als er vielleicht ist und man sich dann vielleicht auch etwas in die Tasche lügt (eigentlich hört er ja eh recht gut, oder er spielt mit allen Hunden und käme nie auf die Idee sich mal zu wehren und solche Sachen), aber diese Situation fand ich schon sehr absurd. Wie sie mir da erklärt hat wie sich ihr Hund genau verhält in dieser oder jener Situation während ich daneben stehe und sehen kann dass sich ihr Hund genau so NICHT verhält.
Er hat mir nur etwas leid getan weil sie mit ihm nicht so recht fertig wurde und ihn dann angeschrien hat dass er genau wüsste wer hier der Stärkere ist und ob er glaube sie könne sich gegen ihn nicht durchsetzen und so (zu dem Hund) und ständig an seiner Leine gezerrt hat, deshalb bin ich dann gegangen damit er wieder mehr Ruhe hat.

Es tut mir leid für den Hund, aber das hast du genial geschrieben *tränenwegwisch*.

Kannst du dir in etwa vorstellen was man zu hören bekommt wenn man Trainer ist...?
Ich sach 'et immer: Selber gucken, selber gucken, selber gucken.
Alles andere hat keinen Wert. Wenn die Tante jetzt einem Trainer am Telefon von ihrem Hund erzählt, dann erwartet der einen völlig anderen Hund.
Unangenehm wird es dann, wenn die Leute dir erzählen, Fiffi zieht an der Leine, ansonsten isser ganz lieb, und dann steht da plötzlich ein ernsthaft offensiv aggressiver Rotti-Mix vor dir...:scream:, das passiert nämlich auch.

LG
Mareike

Mareike,

wat meinst du, wat die Dobileute in Lintorf geguckt haben, als das beschriebene "Monster" auf den Platz kam, und erstmal GAR nix machte (und brav an drei angeleinten Hunden vorbei marschierte)...

Und ICH erst...

Einen Ausraster hat er dann doch noch gekriegt, als auf der anderen Seite des Platzes ein echt bombastischer Rüde gearbeitet wurde, der immer mal wieder wenigstens ansatzweise in unsere Richtung rannte (und dabei über eine Hürde hüpfte... also nachher auch wieder abdrehte... war Garri nur net klar, dass das so muss. ), und mich und eine Trainerin zu zweit paar Meter über den nassen Rasen gezerrt (ich rutschte mit den Turnschuhen aus, sie griff nach der Leine und fiel über mich - uns beide hat er dann nicht mehr geschafft, weil keiner von uns losgelassen hat), aber dann war auch wieder gut.

Ich meine, die waren nachher immer noch sehr nett zu mir, aber irgendwo haben die bestimmt gedacht: "Die arme Frau. Hat so ein nettes Sensibelchen an der Leine und kommt schon damit nicht klar, wo wir hier GANZ andere Kaliber habem. Tut und macht alles, aber irgendwo - reicht's bei IHR halt nicht. Arme Frau, armer Hund."

Nachher hab ich gedacht: Vielleicht war ja der Grund für Garris überraschende Friedfertigkeit, dass da nur Dobermänner waren?

Wir hatten bis kurz vor dem Termin dort ja regelmäßig mit der alten Dobihündin eines guten Bekannten gearbeitet (auf Abstand spazieren gehen), die schon darum die Ruhe weg hatte, weil sie nach 5 Minuten schon vergessen hatte, was der fremde Hund da eigentlich wollte. Die zuckelte so vor sich hin und beachtete Garri gar nicht, und war so absolut in ihrem eigenen Kopp drinn (die war schon 15 und wirklich ein wenig senil, ne richtige nette wunderliche Alte), dass er neben der schon beim 3. Spaziergang ohne jede Attacke nebenhergehen konnte und bei Hundebegegnungen schaute, was sie so machte. (Leider bellte sie bei kleinen Kläffern auch schon mal gern, vorausgesetzt, sie hörte sie noch.)
Irgendwie hatte er vielleicht noch "Dobi=ungefährlich" auf dem Schirm. Leider war die Hündin kurz vor meinem Besuch in Ratingen verstorben, und der Besitzer ist danach weggezogen, sodass wir das leider nicht vertiefen konnten.

Naja, wie auch immer. Es war nicht so, dass mein Hund etwa über Nacht geheilt gewesen wäre. Abseits vom Hundeplatz, bei ganz normalen Nicht-Dobis, war dann wieder alles wie immer. (Und nicht nur, wenn ICH den Hund geführt habe.)

Aber da war ja keiner von den DV-Leuten mehr dabei.

LG, Lektoratte

bones schrieb:

Kannst du dir in etwa vorstellen was man zu hören bekommt wenn man Trainer ist...?
Ich sach 'et immer: Selber gucken, selber gucken, selber gucken.

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Das selber schauen alleine nützt nichts, wenn man das immer uminterpretiert. Ist wie bei den Kindern. Alles was man an den anderen Kindern nicht mag ist bei den eigenen da plötzlich ja GAAANZ anders.

Alles andere hat keinen Wert. Wenn die Tante jetzt einem Trainer am Telefon von ihrem Hund erzählt, dann erwartet der einen völlig anderen Hund.

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Wenn du ihr zuhörst und den Hund nicht kennst, dann würdest du da auch was ganz anderes erwarten. Da würde man sich dann ein agressives schwieriges Monster vorstellen. Das war ja gerade das Absurde daran. Wenn da jemand keine Ahnung hat und den Hund nicht sieht, was denkt man sich da wenn die plötzlich hektisch schreit "NICHT BEWEGEN! Bleib ja stehen ich komme gleich, JA NICHT BEWEGEN!"

Unangenehm wird es dann, wenn die Leute dir erzählen, Fiffi zieht an der Leine, ansonsten isser ganz lieb, und dann steht da plötzlich ein ernsthaft offensiv aggressiver Rotti-Mix vor dir...:scream:, das passiert nämlich auch.

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Da kann ich mir gut vorstellen. Ich muss mir auch immer wieder vor Augen halten wie ein anderer unseren Hund sieht. Dass jemand Angst vor ihm haben kann, das kann man sich schlecht vorstellen, aber ich weiss noch als ich das erste Mal die Züchterin besucht habe. Mein Freund hat mich gebeten da raus zu fahren und ich habe OK gesagt. Er hat mir aber nicht gesagt was uns da erwartet. Ich steige dann aus, auf einmal kommt so ein riesiger Hund ums Auto gelaufen und springt mich gleich mal an zur Begrüssung. da ist mir im ersten Moment auch mal das Herz in die Hose gerutscht. Dass das Neufundländer sind und die total lieb sind wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Und die sind ja nicht gerade klein...

@Lektorratte: Der Vorführeffekt - davor ist niemand gefeit. Aber wenn man als Trainer mit den Hunden eine Weile arbeitet merkt man ja in aller Regel schon recht zügig, wo's hakt. Und man darf natürlich nie den Fehler machen die Leute alle für blöd oder Lügner zu halten (obwohl die Versuchung manchmal groß ist ich geb's zu).

@Sparhawk: Es gibt ein schönes Sprichwoort, weiß grad' nicht von wem: "Die eigenen Hunde machen keinen Lärm. Sie bellen nur."

Ich hab' immer versucht, die Terminabsprachen/Telefonate so kurz wie möglich zu halten. Die Leute erzählen oft stundenlang und wollen schonmal Patentrezepte, und am Ende kommt nur Mist dabei heraus, weil man von ganz falschen Hundeproblemen ausgeht.
Das meinte ich mit "selber gucken" - Hinfahren, arbeiten, angucken, beschreiben lassen, Umfeld sehen usw., dann bekommt man ein realistischeres Bild.

LG
Mareike

PS: Neufis sind doch Schoßhunde! *duck*

Derlei Geschichten kriege ich auch immer wieder mal zu hören. "Mein Hund macht immer in die Wohnung" heißt es dann. Oder auch "Mein Hund verträgt sich nicht mit anderen, der stürzt sich immer gleich drauf." Oder den berühmten Standardsatz "Der will doch nur spielen".
Erstens ist es meistens gar nicht so schlimm, wie die Leute es einem erzählen und zweitens erwarten sie zumeist ein Patentrezept mit sofortiger Wirkungsgarantie. Als gäbe es am Hund irgendwo einen Schalter, den sie bloß umlegen müßten, damit der Hund wieder "funktioniere".
Nach meinen Erfahrungen sind die meisten Hunde unterfordert und denken sich somit selbst allerhand "Blödsinn" aus, und die meisten Menschen mit ihren Hunden überfordert - sie scheinen zu vergessen, daß sie sich ein Lebewesen ins Haus geholt haben.

So etwas bekommt man in der Regel kaum aus den Leuten heraus. Wenn sie sich dann um Erziehungshilfe bemühen, haben sie zumeist schon viele andere Dinge versucht, die allein deshalb schon nichts fruchten konnten, weil sie nur kurz ausprobiert wurden. Ein Versuch über zwei oder drei Tage nutzt halt gar nichts.
Ich habe es erst einmal erlebt, daß sich jemand vor dem Kauf eines Hundes derart gründlich informiert hat, daß es auch sein vierter Hund hätte sein können. Und zwar nicht nur so allgemeine Informationen wie etwa welcher Züchter in Frage kommt oder wo der Hund schlafen soll. Da ging es ganz besonders auch um das Wesen des Hundes und erst recht darum, wie man sich seinem Hund verständlich macht, was er dürfen soll und was nicht.

Wenn Du die Frau schon kennst, dann schnapp sie dir das nächste Mal, geh mit ihr in einen Park oder auf ein eingezäuntes Grundstück und lasst mal die Leinen los.

Und rate der Frau, unbedingt eine Hundeschule zu besuchen - Sonst wir nämlich aus dem Hund wirklich noch das, was sie in ihm sieht...

Ja, das werde ich eh versuchen wenn ich sie das nächste Mal sehe. Ist aber etwas schwierig weil ich nicht ganz so gut mit ihr klar komme. Versuchen möchte ich es aber auf jeden Fall. Wir haben eh praktisch ums Eck einen Friedhof da ist eine grosse Wiese, wo oft Hundebesitzer sind und ihre Hunde spielen lassen. Da werde ichs mal mit ihr probieren, falls sie mitkommt.