Nur im Rudel aggressiv
Die Hunde, die ein Abtwiler Mädchen verletzten, haben sich «hündisch» verhalten
Sieben Hunde, die im November eine Schülerin im Grenzgebiet St.Gallen-Abtwil angefallen haben, als es auf der Flucht vor ihnen stürzte, warten im Tierheim Sitterhöfli auf neue Besitzer. Einzeln oder paarweise gehalten sind sie harmlos.
Gerold Huber
Engelburg. «Die Hunde sind völlig normal», sagt Tierheimleiter Heinz Staub. «Sie hatten es sicher auch vorher nicht schlecht.» Es sei aber so, dass Hunde im Rudel sich stärker fühlten und - deshalb - zusammen schneller angriffen. «Das ist wie bei Jugendlichen. Alleine können sie wunderbar anständig sein, im Rudel aber pöbeln und äusserst aggressiv werden. In der Gruppe fühlen sie sich stark.»
Im Revier angriffig
Das Abtwiler Schulmädchen war am 6. November mit einer Kollegin unterwegs, um Pro-Juventute-Marken zu verkaufen. Der tragische Vorfall ereignete sich bei einer abgelegenen Liegenschaft, wo sich das Rudel zuerst ruhig verhielt. Als die Tiere aber plötzlich bellten, rannte eines der Mädchen erschreckt weg und stürzte. Die Hunde fielen übers Kind her, kratzten, bissen es und liessen wieder von ihm ab. «Für sie waren die Mädchen Eindringlinge ins Revier», erklärt Tierpflegerin Cécile Kempfen. Als das Mädchen davonrannte, erwachte der Jagdtrieb. «Was die Hunde machten, war absolut hündisch.»
«Guet zwääg»
Alleine oder zu zweit seien die Retriever-, Collie- oder Schäfermischlinge nicht auffällig. «Sie haben kein gesteigertes Aggressionspotenzial», betont Heinz Staub. Mit Sicherheit seien diese Tiere keine Kampfhunde. «Nein, niemals. Nein!», doppelt Cécile Kempfen nach. «Keiner ist ein Problemhund. Sie sind friedlich und genügsam.» Aus diesen Gründen möchte sie der Tierschutzverein St. Gallen neu platzieren, anstatt sie einzuschläfern. Die 9- bis 12-jährigen Mischlinge sollen mit neuen Besitzerinnen oder Besitzern einen schönen Lebensabend verbringen können. «Si sind guet zwäg», beschreibt sie Heinz Staub, «körperlech wie au psychisch.» Er halte die Mischlinge im Auftrag des Tierschutzes in Pension, bis ein neues Zuhause gefunden sei. Ihr ehemaliger Besitzer dürfe auf Stadtratsbeschluss hin nur noch einen einzigen Hund halten.
Hund und Wolf
Was dem Menschen immer wieder bewusst werden muss: Der Hund stammt vom Wolf ab. «Das wird oft vergessen», bemängelt Heinz Staub. «Viele Leute vermenschlichen die Tiere. Zudem ist das Tier keine programmierbare Maschine.» Der Tierheimleiter weiss, wie es ist, mit einem Rudel zusammenzuwohnen. In seinem eigenen Haus lebt er mit vier Welsh-Corgie-Mischlingen. «Fast die Gleichen wie die, die Königin Elisabeth züchtet», amüsiert sich Staub. «Auch diese Kleinen schnappen zu, wenn jemand in ihr Revier eindringt. Ich will ja, dass sie Eindringlinge fernhalten.» Wichtig sei bei Hunden immer, das sie spürten, wer ihr Meister sei. «Sonst versuchen sie selbst, das Alphatier zu sein, was zu zermürbenden Machtkämpfen führt.» Das geschehe oft in Familien mit wenig Hundeerfahrung. Dann helfe meist nur noch, den Gefährten wegzugeben. «Einen neuen Besitzer akzeptiert es dann leichter.» Bei Jungtieren in der Geschlechtsreife sei eine äusserst klare Rangordnung unumgänglich. «Wer sich als 'Leittier' nicht eignet, kriegt mit jedem Hund ein Problem.»
«Alphatiere» gesucht
Die Mischlinge sollen nun Plätze bei Menschen erhalten, die sich als «Alphatiere» eignen. «Wer zudem genügend Zeit hat, wird es gut haben mit ihnen. Sie sind anhänglich, lieb», versichert Tierpflegerin Cécile Kempfen.
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Aus dem Tagblatt vom 24.2.2001 © St. Galler Tagblatt AG
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Die Hunde, die ein Abtwiler Mädchen verletzten, haben sich «hündisch» verhalten
Sieben Hunde, die im November eine Schülerin im Grenzgebiet St.Gallen-Abtwil angefallen haben, als es auf der Flucht vor ihnen stürzte, warten im Tierheim Sitterhöfli auf neue Besitzer. Einzeln oder paarweise gehalten sind sie harmlos.
Gerold Huber
Engelburg. «Die Hunde sind völlig normal», sagt Tierheimleiter Heinz Staub. «Sie hatten es sicher auch vorher nicht schlecht.» Es sei aber so, dass Hunde im Rudel sich stärker fühlten und - deshalb - zusammen schneller angriffen. «Das ist wie bei Jugendlichen. Alleine können sie wunderbar anständig sein, im Rudel aber pöbeln und äusserst aggressiv werden. In der Gruppe fühlen sie sich stark.»
Im Revier angriffig
Das Abtwiler Schulmädchen war am 6. November mit einer Kollegin unterwegs, um Pro-Juventute-Marken zu verkaufen. Der tragische Vorfall ereignete sich bei einer abgelegenen Liegenschaft, wo sich das Rudel zuerst ruhig verhielt. Als die Tiere aber plötzlich bellten, rannte eines der Mädchen erschreckt weg und stürzte. Die Hunde fielen übers Kind her, kratzten, bissen es und liessen wieder von ihm ab. «Für sie waren die Mädchen Eindringlinge ins Revier», erklärt Tierpflegerin Cécile Kempfen. Als das Mädchen davonrannte, erwachte der Jagdtrieb. «Was die Hunde machten, war absolut hündisch.»
«Guet zwääg»
Alleine oder zu zweit seien die Retriever-, Collie- oder Schäfermischlinge nicht auffällig. «Sie haben kein gesteigertes Aggressionspotenzial», betont Heinz Staub. Mit Sicherheit seien diese Tiere keine Kampfhunde. «Nein, niemals. Nein!», doppelt Cécile Kempfen nach. «Keiner ist ein Problemhund. Sie sind friedlich und genügsam.» Aus diesen Gründen möchte sie der Tierschutzverein St. Gallen neu platzieren, anstatt sie einzuschläfern. Die 9- bis 12-jährigen Mischlinge sollen mit neuen Besitzerinnen oder Besitzern einen schönen Lebensabend verbringen können. «Si sind guet zwäg», beschreibt sie Heinz Staub, «körperlech wie au psychisch.» Er halte die Mischlinge im Auftrag des Tierschutzes in Pension, bis ein neues Zuhause gefunden sei. Ihr ehemaliger Besitzer dürfe auf Stadtratsbeschluss hin nur noch einen einzigen Hund halten.
Hund und Wolf
Was dem Menschen immer wieder bewusst werden muss: Der Hund stammt vom Wolf ab. «Das wird oft vergessen», bemängelt Heinz Staub. «Viele Leute vermenschlichen die Tiere. Zudem ist das Tier keine programmierbare Maschine.» Der Tierheimleiter weiss, wie es ist, mit einem Rudel zusammenzuwohnen. In seinem eigenen Haus lebt er mit vier Welsh-Corgie-Mischlingen. «Fast die Gleichen wie die, die Königin Elisabeth züchtet», amüsiert sich Staub. «Auch diese Kleinen schnappen zu, wenn jemand in ihr Revier eindringt. Ich will ja, dass sie Eindringlinge fernhalten.» Wichtig sei bei Hunden immer, das sie spürten, wer ihr Meister sei. «Sonst versuchen sie selbst, das Alphatier zu sein, was zu zermürbenden Machtkämpfen führt.» Das geschehe oft in Familien mit wenig Hundeerfahrung. Dann helfe meist nur noch, den Gefährten wegzugeben. «Einen neuen Besitzer akzeptiert es dann leichter.» Bei Jungtieren in der Geschlechtsreife sei eine äusserst klare Rangordnung unumgänglich. «Wer sich als 'Leittier' nicht eignet, kriegt mit jedem Hund ein Problem.»
«Alphatiere» gesucht
Die Mischlinge sollen nun Plätze bei Menschen erhalten, die sich als «Alphatiere» eignen. «Wer zudem genügend Zeit hat, wird es gut haben mit ihnen. Sie sind anhänglich, lieb», versichert Tierpflegerin Cécile Kempfen.
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Aus dem Tagblatt vom 24.2.2001 © St. Galler Tagblatt AG
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