Sonntag, 6. Juni 2004
Norddeutschland
Betrugs- Skandal bei "Tierhilfe"
Razzia: In einem der größten deutschen Tierschutz-Vereine sollen Hunderttausende Euro veruntreut worden sein
Von Ulf B. Christen
Seeth-Ekholt - Die "Arche 2000 Welt-Tierhilfe", einer der größten deutschen Tierschutzvereine, ist ins Visier der Justiz geraten. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt gegen die Vorsitzende, den Geschäftsführer und 22 weitere Verdächtige wegen Untreue, Betrugs und Steuerhinterziehung. Die Tierschützer sollen Vereinsgeld in die eigene Tasche gesteckt und Mitglieder abkassiert haben. "Wir haben den Verdacht, dass große Summen beiseite geschafft wurden", sagt der Leiter der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen, Oberstaatsanwalt Werner Spohr.
Steuerfahnder und Staatsanwälte, Beamte des Bundeskriminalamts und 200 Polizisten haben jetzt die Zentrale der Tierschützer in Seeth-Ekholt (Kreis Pinneberg) sowie Geschäfts- und Privaträume in acht anderen Bundesländern durchsucht, darunter Hamburg, Niedersachsen und Bremen. Dabei wurden kistenweise Unterlagen beschlagnahmt. Ihre Auswertung dürfte mehrere Monate dauern, weil die Tierschützer ein kaum durchschaubares Organisationsnetz gesponnen haben.
Zur möglichen Schadenshöhe machte Spohr keine Angaben. Insider vermuten, dass seit 1999 mindestens 500 000 Euro aus der "Arche"-Kasse für private Zwecke abgezweigt wurden.
Geschröpft wurde der Verein offenbar mit mehreren Tricks. So sollen Mitarbeiter überhöhte Mietkosten angegeben, Leasing-Verträge für Autos frisiert und viel zu hohe Reise- und Fahrtkosten abgerechnet haben. Laut Spohr gab es zudem Barabhebungen vom "Arche"-Konto. Im Zentrum der Ermittlungen steht der Geschäftsführer des Vereins. Er soll die Strippen gezogen, Verwandte bei "Arche 2000" untergebracht und auch mit ihrer Hilfe Kasse gemacht haben.
Die Staatsanwaltschaft hat zudem Anhaltspunkte dafür, dass "Arche"-Mitglieder betrogen wurden. Der Verein soll bezahlte Beiträge nochmals angemahnt oder sogar abgebucht haben. Viele Mitglieder merkten nichts.
Die Vorsitzende Christina Sultan aus Hamburg wäscht ihre Hände in Unschuld. "Ich habe nichts gemacht", sagt sie. Zu den Vorwürfen gegen Mitarbeiter äußere sie sich nicht. "Ich hoffe, dass die Justiz den Fall aufklärt."
"Arche 2000" wurde vor zehn Jahren gegründet. Sie hat nach Angaben ihrer Vorsitzenden inzwischen 80 000 Mitglieder und betreut sieben Tierhöfe. Der Verein unterstütze 50 Kooperationspartner in Deutschland. "Arche 2000" kümmere sich so um weit mehr als 10 000 Tiere. Christina Sultan: "Ich hoffe, dass wir das alles irgendwie retten können."
Bei anerkannten Tierschutzverbänden hält das Mitleid sich in Grenzen. "Arche 2000" ist umstritten, weil der Verein mit fragwürdigen Methoden wirbt. Zu spektakulären Tierrettungsaktionen wurden TV-Sender eingeladen. "Drückerkolonnen" keilen neue Mitglieder und treiben Spenden für den Verein ein, der nicht gemeinnützig ist. "Das ist eine gängige Methode", behauptet Vereinschefin Sultan. Es sei falsch, von "Drückern" zu sprechen. "Wir arbeiten mit Promotion-Teams." Derartige Haustür- und Telefonaktionen lehnt der Deutsche Tierschutzbund (DTB) ebenso wie andere Verbände ab. DTB-Sprecherin Marion Steinbach beantwortet die Frage nach der Seriosität von "Arche 2000" knapp: "Wir arbeiten mit diesem Verein nicht zusammen."
Seeth-Ekholts Bürgermeister Otto Leverköhne (CDU) wundert sich nicht, dass die Justiz bei "Arche 2000" nachhakt: "Der Verein soll nicht ganz sauber sein."
erschienen am 5. Juni 2004 in Norddeutschland
Quelle: Hamburger Abendblatt
Norddeutschland
Betrugs- Skandal bei "Tierhilfe"
Razzia: In einem der größten deutschen Tierschutz-Vereine sollen Hunderttausende Euro veruntreut worden sein
Von Ulf B. Christen
Seeth-Ekholt - Die "Arche 2000 Welt-Tierhilfe", einer der größten deutschen Tierschutzvereine, ist ins Visier der Justiz geraten. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt gegen die Vorsitzende, den Geschäftsführer und 22 weitere Verdächtige wegen Untreue, Betrugs und Steuerhinterziehung. Die Tierschützer sollen Vereinsgeld in die eigene Tasche gesteckt und Mitglieder abkassiert haben. "Wir haben den Verdacht, dass große Summen beiseite geschafft wurden", sagt der Leiter der Abteilung Wirtschaftsstrafsachen, Oberstaatsanwalt Werner Spohr.
Steuerfahnder und Staatsanwälte, Beamte des Bundeskriminalamts und 200 Polizisten haben jetzt die Zentrale der Tierschützer in Seeth-Ekholt (Kreis Pinneberg) sowie Geschäfts- und Privaträume in acht anderen Bundesländern durchsucht, darunter Hamburg, Niedersachsen und Bremen. Dabei wurden kistenweise Unterlagen beschlagnahmt. Ihre Auswertung dürfte mehrere Monate dauern, weil die Tierschützer ein kaum durchschaubares Organisationsnetz gesponnen haben.
Zur möglichen Schadenshöhe machte Spohr keine Angaben. Insider vermuten, dass seit 1999 mindestens 500 000 Euro aus der "Arche"-Kasse für private Zwecke abgezweigt wurden.
Geschröpft wurde der Verein offenbar mit mehreren Tricks. So sollen Mitarbeiter überhöhte Mietkosten angegeben, Leasing-Verträge für Autos frisiert und viel zu hohe Reise- und Fahrtkosten abgerechnet haben. Laut Spohr gab es zudem Barabhebungen vom "Arche"-Konto. Im Zentrum der Ermittlungen steht der Geschäftsführer des Vereins. Er soll die Strippen gezogen, Verwandte bei "Arche 2000" untergebracht und auch mit ihrer Hilfe Kasse gemacht haben.
Die Staatsanwaltschaft hat zudem Anhaltspunkte dafür, dass "Arche"-Mitglieder betrogen wurden. Der Verein soll bezahlte Beiträge nochmals angemahnt oder sogar abgebucht haben. Viele Mitglieder merkten nichts.
Die Vorsitzende Christina Sultan aus Hamburg wäscht ihre Hände in Unschuld. "Ich habe nichts gemacht", sagt sie. Zu den Vorwürfen gegen Mitarbeiter äußere sie sich nicht. "Ich hoffe, dass die Justiz den Fall aufklärt."
"Arche 2000" wurde vor zehn Jahren gegründet. Sie hat nach Angaben ihrer Vorsitzenden inzwischen 80 000 Mitglieder und betreut sieben Tierhöfe. Der Verein unterstütze 50 Kooperationspartner in Deutschland. "Arche 2000" kümmere sich so um weit mehr als 10 000 Tiere. Christina Sultan: "Ich hoffe, dass wir das alles irgendwie retten können."
Bei anerkannten Tierschutzverbänden hält das Mitleid sich in Grenzen. "Arche 2000" ist umstritten, weil der Verein mit fragwürdigen Methoden wirbt. Zu spektakulären Tierrettungsaktionen wurden TV-Sender eingeladen. "Drückerkolonnen" keilen neue Mitglieder und treiben Spenden für den Verein ein, der nicht gemeinnützig ist. "Das ist eine gängige Methode", behauptet Vereinschefin Sultan. Es sei falsch, von "Drückern" zu sprechen. "Wir arbeiten mit Promotion-Teams." Derartige Haustür- und Telefonaktionen lehnt der Deutsche Tierschutzbund (DTB) ebenso wie andere Verbände ab. DTB-Sprecherin Marion Steinbach beantwortet die Frage nach der Seriosität von "Arche 2000" knapp: "Wir arbeiten mit diesem Verein nicht zusammen."
Seeth-Ekholts Bürgermeister Otto Leverköhne (CDU) wundert sich nicht, dass die Justiz bei "Arche 2000" nachhakt: "Der Verein soll nicht ganz sauber sein."
erschienen am 5. Juni 2004 in Norddeutschland
Quelle: Hamburger Abendblatt