Und das ist auch so ein Märchen: Die Qualität der Hunde sei gesunken.
Das ist ein schwieriges Thema, mit vielen berechtigten Argumenten. Ich bin noch nicht lange genug dabei, um die Unterschiede feststellen zu können, aber Fakt ist: Früher wurde anders, wesentlich härter, erzogen und ausgebildet. Zwangslastige Ausbildung ist aber heute so gut wie ausgestorben (zumindest im Leistungssport, weil sie nicht nur keinen Spaß macht, und die Leute viel mehr über Lernverhalten wissen, auch ganz anders mit ihren Hunden leben - sondern auch, weil man damit heutzutage glücklicherweise nix mehr "reißen" kann). Auf den IPO-Podesten steht kein einziger Hund mehr, der auf einer Prüfung in A, B oder C Meideverhalten zeigt, und das ist gut so!
Aber viele heutige Hunde hätten früher nie eine Chance auf Erfolg gehabt, heute kann man durch geschickte Ausbildung Schwächen prima kaschieren. Und das ist auch eigentlich kein Problem, solange die Züchter nicht darauf hereinfallen.
Die Frage ist: Waren die Hunde früher wirklich stärker, dominanter? Oder wurden sie durch die damalige Ausbildung härter und stärker...? Das ist ein wenig wie Henne und Ei, und die gleiche Diskussion kann man z.B. über andere Sportarten führen, wie Ringsport und KNPV im benachbarten Ausland. Da sind die Hunde auch angeblich "die Echten", "die Harten", "die Heftigen". Aber wenn man genau hinsieht, werden sie in vielen Fällen einfach nur "großgekloppt". Reine Gewöhnung und genauso "gemacht" (nur andersherum) wie auch viele Hunde im IPO-Sport.
Was ich für die Gebrauchshundezucht viel bedenklicher finde, ist, dass die Anforderungen an das Umweltverhalten aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen konträr zum "guten Gebrauchshund" laufen (was für ein Satz). Ein guter Gebrauchshund, sei es nun Mali, Rotti, DSH oder andere, soll gesund, robust, ausbildbar, belastbar und triebstark sein. Er soll natürliches Schutzverhalten (oder wie man es denn nennen will) zeigen und gute Härte sowie gesunde Aggressionen haben.
Soweit so gut, nur können erstens immer weniger Leute mit sowas umgehen, und zweitens ist das gesamtgesellschaftlich gar nicht mehr gewünscht. Der Blick für's Normale ist weg, oder anders gesagt: Normal ist nicht mehr normal. In meinen Augen eine Folge des Wattebausch-Wahns und der SoKa-Problematik.
Ein Rüde, der keine fremden Rüden mag (und auch Ernst macht!) wird heutzutage doch schon als "nicht sozial" angesehen. Gleiches gilt für den berühmten Postboten: Duldet ein Hund keine Fremden im Haus, dann ist das "ein Problem" - früher war sowas einfach "ein guter Hund".
Auch die Selektion wird immer schwieriger, wie soll man denn Belastbarkeit, genetisch bedingte Gesundheit und Robustheit und körperliche wie psychische Härte prüfen, wenn man Hunde immer schonen muss, nur bestes Futter füttert, bloß nie Zwänge anwenden darf, Mäntelchen und Schuhe für den Winter kaufen, Stress unbedingt vermeiden muss, und ein bloßer Leinenruck schon als Gefahr für die Nackenwirbelsäule gesehen wird? Wenn ich das Hündchen in Watte packe, keinen Schutzdienst mache, ihn nicht bei Kälte auch mal im Auto lasse, bei Hitze Ball spiele und in's Auto sowie Treppen runter hebe - was ist denn dann bitte ein Röntgenbild mit 12 Monaten wert??
Die Schwierigkeit in der Zucht ist nun, Menschen zu finden, die mit einem Gebrauchshund und dessen Stärken, aber auch Alltagsproblemen, umgehen können - aber ihn trotzdem lieben und als Familienmitglied ansehen. Oft sind erfahrene Leute eher vom alten Schlag, halten die Hunde im Zwinger und bilden aus wie anno dazumal. Oder aber die Leute sind lieb und nett und clickern, können aber mit Aggressionen überhaupt nicht umgehen (das ist natürlich plakativ dargestellt). Beide Lager sind völlig ungeeignet für einen Mali (und andere Gebrauchshunde).
Es gibt aber sehr wohl ein drittes Lager: Hundebegeisterte Outdoor-Leute, die gern mit ihrem Hund leben und arbeiten, sich fachlich weiterbilden, bei tollen Schutzdiensten den Atem anhalten, Durchsetzungsfähigkeit und Härte bewundern, und trotzdem liebevoll lächeln, wenn der Sack sich schon wieder auf's Bett geschlichen hat.
Nur muss man diese Leute finden, und das ist eben zeitaufwendig. Einfach zu behaupten es gäbe sie nicht, ist eine faule Ausrede und eine beleidigende Verleumdung für jeden anderen, der sich diese Arbeit macht. Ich habe bislang 13 Hunde gezüchtet, das ist nicht viel. Aber 100% dieser Hunde wird geliebt, lebt in der Familie, darf arbeiten, und zu allen habe ich oft Kontakt, per Telefon, Mail, persönlich, bekomme Fotos, Videos, etc., die meisten sehe ich sogar regelmäßig, trotz großer Entfernungen. Kein einziger ist Sportgerät, kein einziger wird misshandelt oder als Ego-Objekt missbraucht, und keiner ist durch Sport krank, ganz im Gegenteil.
Das alles kostet natürlich viel Zeit und Geld, und ich kenne zugegebenermaßen nur wenige Züchter, die soviel Aufwand betreiben. Von denen braucht sich allerdings wundersamerweise niemand über kranke Hunde, Hundesport, Hundesportler, Diensthundführer oder Gebrauchshundezucht zu beschweren...
@carenina: Das Rudeltier Hund braucht aber doch zu seinem Glück keinen Kontakt zu fremden Hunden?! Eine solche "Verträglichkeit" braucht in aller Regel nur der Mensch zu seinem Glück, Hunde sind eigentlich mit Kleingruppen zu zweit oder dritt bestens bedient.
LG
Mareike