Vieles kommt mir beim Lesen sehr bekannt vor. Mein erster Hund war ein extrem sensibler und unsicherer BC-Retriever-Mix. Aus mangelnder Erfahrung und aus sehr, sehr schlechter Erfahrung mit einer ganz miesen HuSchu, meinte mein Hund, alles selbst regeln zu müssen. Damit war er aber völlig überfordert und es kam zu exakt den scheinbar (!) urplötzlichen Angriffen. Fakt war, ich konnte die ganz minikleinen Signale, die er gab, nicht lesen. Dazu kam noch eine chronische Borreliose, von der wir aber nichts wussten. Wir hatten die Erstinfektion bemerkt und der Hund wurde 10 Wochen lang mit AB behandelt, bis die Entzündungswerte endlich wieder unauffällig waren. Wir dachten irrtümlich, er sei wieder gesund. Dass wir falsch damit lagen, stellte sich aber erst 5 Jahre später raus.
Mein TA empfahl mir die therapeutische HuSchu Beta-Dog und Birgit Lehnen brachte mir nicht nur bei, meinen Hund sehr gut zu lesen, sie brachte mir auch bei, die Dinge aus seiner Sicht zu betrachten. Ich nehme mal Dein Beispiel mit dem Fensterputzer: Als der das erste Mal kam, war der Hund noch neu bei Euch. Er wußte noch nicht, wie dieser Mensch einzuordnen ist, ob er dazu gehört oder fremd ist. Er war also viorsichtig und zurückhaltend, hat aber auch aufgrund seiner eigenen Posioton als noch fremder Hund keinen Anlass gehabt, ein Territorium zu verteidigen. Inzwischen ist der Hund nicht mehr fremd bei Euch, er sieht es als sein und Euer zu Hause udn dann kommt da ein fremder Mensch, dem Ihr nicht nur Einlass gewährt (und meist lassen wir ja auch noch aus Höflichkeit dem Besuch den Vortritt, der nimmt also aus Hundesicht Besitz von unserem Revier), sondern der sich dann auch noch fröhlich an Euerm Besitz zu schaffen macht, ohne dass Ihr ihn daran hindert! Der Hund hat wahrscheinlich nie gelernt, daß er solche Dinge eben nicht im Alleingang regeln darf oder sogar muss, sondern er spricht Euch vielleicht (da stimme ich den anderen absolut zu, man müsste ihn dabei sehen!) schlicht die Kompetenz ab, Euer Heim zu verteidigen, Eure Angelegenheiten selbst zu regeln.
Das mit dem Futter wegnehmen ist genauso ein Ding! Den Fehler habe ich damals auch gemacht. Es wurde einem ja von allen unmöglichen Seiten erzählt, dass man das üben müsse, das der Hund sich alles wegnehmen lässt. Am Ende war es so, dass sowohl mein Mann, als auch meine Kinder, die das nicht mit ihm "geübt" hatten, unserem Hund alles aus dem fang nehmen durften, während er mich anknurrte. Birgit meinte dazu, dass das völlig klar sei, das der Hund meine Person mit wegnehmen assoziiert, die anderen aber nicht. Ihre Lösung war Handfütterung durch mich. Es dauerte nicht lange und er brachte mich auch wieder mit geben in Verbindung. Das Problem war gegessen.
Marlon war 1,5 Jahre, als er die Erstinfektion mit Borreliose hatte. Zu exakt dieser Zeit wurde er rüdenunverträglich, von fremden Kindern böse geärgert, von einem Spaziergänger grundlos heftig auf den Kopf geschlagen -es kam also einiges zusammen. Er war weder mit fremden Rüden verträglich, noch mochte er fremde Kinder und Männer. Wenn er sich bedroht fühlte, was schon so war, wenn jemand ihn unvermittelt von oben anfassen wollte, schnappte er zu. Für Außenstehende waren seine Signale auch nicht zu sehen.
Mit Hilfe der Hundeschule und konsequentem und permanentem Üben meinerseits hatte ich ein halbes Jahr später einen Hund, der perfekt hörte, den ich supergut lesen und nur deswegen weiter halten konnte.
5 Jahre später verloren wir allerdings den Kampf gegen die Borrelientoxine. Marlon konnte normale Alltagssituationen plötzlich und anfallsartig nicht mehr einordnen und schnappte dann wild um sich. Er erkannte immer öfter Familienmitglieder nicht auf Anhieb und der TA sagte bald, dass medizinisch das Ende der Fahnenstange erreicht war. Als wir uns schweren Herzens zum Einschläfern entschieden, hatte ich den Eindruck, er war froh darüber. Ich selbst fühlte mich zwar wie ein Mörder, aber Marlon wurde in dem Moment, als die Entscheidung gefallen war vollkommen ruhig. Beim TA legte er sich auf den Tisch, ich nahm ihm den Maulkorb ab, weil ich nicht wollte, dass er mit diesem Ding stirbt und hielt seinen Kopf. Er leckte meine Hände und entspannte sich total. So hatte ich ihn schon ganz lange nicht mehr erlebt. Es brauchte die Hälfte der normalen Narkosedosis (!), da setzte der Herzschlag schon aus...
Gut, ich bin jetzt abgeschweift, aber auch darin stimme ich meinen Vorschreibern hier zu: Laß bitte auf jeden Fall auch abklären, ob es medizinische Ursachen für sein Verhalten gibt. Wir haben gleich zweimal hintereinander diese böse Erfahrung machen müssen.