Tja, wo beginnt bei mir "Gewalt"?
Gute Frage, nächste Frage...
Also, vielleicht ist der Unterschied (für mich), ob man zB jemanden passiv daran hindert, etwas zu tun oder etwas zu vermeiden, oder aktiv Kraft auf ihn ausübt.
Also, um mal nach TB zu gehen... wenn ein Hund mittels Halti in aller Ruhe am Rand der "Stresszone" daran gehindert wird, etwas Beängstigendes zu meiden und gezwungen wird, sich damit auseinanderzusetzen - dann ist das Zwang, aber keine Gewalt.
Gewalt wäre es für mich dann, wenn der Hund gegen seinen verzweifelten Widerstand ohne jede Gewöhnung einfach zu der Quelle seiner Angst hingezerrt würde, und da so lange bleiben müsste, bis er sie zumindest für dieses Mal schlicht ignoriert, weil der Körper gar nicht dauernd Angst haben kann!
Speziell bei der Leine wären wir ganz schnell wieder beim Leinenruck. Anleinen an sich ist Zwang, aber nicht unbedingt "Gewalt".
Ist ein leichter Leinenruck (also, nicht mehr als ein Signal) schon Gewalt, oder erst einer, bei dem der Hund den Salto rückwärts macht und auf's Pflaster klatscht? - Und wo ist die Grenze?
Ganz schwer zu sagen.
Ist ein Stachelhalsband schon "Gewalt"? - Da würden sicher hier sehr, sehr viele Leute: "Ja, auf jeden Fall!" schreien, denn "Das tut dem Hund doch weh!"
Dass es aber auch Hunde gibt, denen es eben
nicht wehtut, sondern die im Gegenteil alles andere gar nicht bemerken, und die nur so möglicherweise die Chance haben, zu lernen, was sie tun sollen (was sie in letzter Konsequenz - der Stachler sollte ja nie Dauerlösung sein - zu zufriedeneren Hunden macht, weil sie wissen, woran sie sind) - das wird dabei nicht berücksichtigt.
"Weil nicht sein kann, was nicht sein darf" - und sich diese Fraktion vermutlich nicht vorstellen kann (ich geb zu, das konnte ich am Anfang auch nicht), dass es Leute gibt, die ein Stachelhalsband nicht einsetzen, um den Hund "hart anzufassen", und ihm "zu zeigen, was Sache ist", sondern wie ein ganz normales Halsband mit "Verstärker". Damit der Hund bemerkt, dass er eins anhat.
Gewalt wär es für mich zB dann, wenn der Stachler so eingesetzt würde, dass es "extra wehtut", weil "der Hund ja sonst nicht kapiert, was man von ihm will".
Anderes Beispiel: Den Hund ohne Wasser im Sommer im Auto lassen, oder wo anbinden (auch als "Disziplinierungsmaßnahme") ist in dem Sinne keine "Gewalt" -
Tierquälerei und Grausamkeit ist es aber
auf jeden Fall.
Genauso, wie man Zwang ausüben kann, ohne gewalttätig zu sein (Beispiel: Chef verlangt unbezahlte Überstunden und droht mit Kündigung bei Weigerung - das ist nicht nett, aber man würde es kaum gewalttätig nennen, oder?), kann man Grausamkeit ausüben, ohne gewalttätig zu sein.
Kann man gewalttätig sein, ohne grausam zu sein? Schwer zu sagen. Vermutlich am ehesten in einer Art von ritualisierter Gewalttätigkeit, beim Boxen z.B.
Gibt es in der Hundeerziehung Situationen, die Gewalttätigkeit erfordern?
Sagen wir mal so - wenn der Spacko rumspinnt und völlig austickt, und die einzige Möglichkeit, ihn unter Kontrolle zu halten, für mich darin besteht, ihn wie einen um sich schlagenden Kartoffelsack durch die Luft zu wuchten und umzuwerfen - dann ist das sicher nicht "nicht gewalttätig".
Und Leute, die mich nur mit Hund draußen treffen, sind meist sehr überrascht, was für eine nette harmlose Person ich doch im Alltagsleben zu sein scheine.
(Meinen Nachbarn, der aber sowieso ein etwas anderes Menschenbild hat, bestätigte das in seiner Annahme, man könne eben eigentlich niemandem trauen..., wir würden der Welt alle nur was vorspielen. Das stimmt nicht. Ich BIN nett. Ich bin nur nicht gewillt, wie ein Fähnchen im Winde hinter meinem wahnsinnigen Köter herzufliegen, wenn bei dem mal wieder alle Stricke gerissen sind.)
Ob es nötig ist, ob alles auch anders ginge, ob es gerechtfertigt ist... - ob es sinnvoll ist... kann ich schlecht sagen. Wenn ich es nicht sinnvoll fände, würde ich es in dem Moment nicht machen. Was nicht heißt, dass ich das gerne tue.
Mir hat mal jemand aus der "Hundesportszene" (und nein, es war nicht Bürste, und auch sonst niemand hier aus dem Forum, und niemand, bei dem ich je zum Training war) vorgeschlagen, dem Spacko ein TIG um den Hals zu binden und wenn er spackt, solange den Knopf zu drücken, bis er das nicht mehr tut. Zitat: "Und dann tut er das danach nie wieder!"
Abgesehen davon, dass ich das nicht glaube... - und so schön, wie's wäre, wenn er das nie wieder täte, und er bestimmt viel glücklicher wäre, wenn er das nicht machen müsste, weil er sich ja auch selbst damit fertig macht - würde ich das niemals ausprobieren.
Es widerstrebt mir einfach. Das wäre für mich zB "Gewalt im Sinne einer konstruktiven Lösung", die für mich nicht gerechtfertigt wäre.
Genauso wenig, wie den Spacko am Halsband im Kreis durch zu Luft zu wirbeln, was auch schon einTrainer gemacht hat und dann der Ansicht war: "Jetzt hat er's kapiert!" - War nicht der Fall, und fand ich auch weder angemessen noch gerechtfertigt.
Ich hab mich gezwungen, das in Ordnung zu finden, weil ich meinem Hund helfen wollte und dachte, ich hätte keine Ahnung und müsse das Urteil anderen überlassen. Und habe heute noch ein schlechtes Gewissen deswegen. Nicht nur, weil es gar nichts geholfen hat, sondern weil es an sich für mich von Anfang an nicht "in Ordnung" war.
Ein geschmissener Latschen, wenn Hund was vom gedeckten Tisch klaut, ist dagegen zwar auch "Gewalt", kein Zwang - aber für mich durchaus angemessen, effektiv und auf jeden Fall sinnvoller als ein langer sachlicher Vortrag darüber, warum er das nicht tun sollte.
Entschuldigt, dass ich es nicht klarer formulieren kann. Ich vermute, jeder hat eine interne Grenze für inakzeptable Sachen, und die liegt bei jedem anders... das macht es so schwer, da auf einen Nenner zu kommen.