Al, bei mir geht die Seite komischwerweise....
Jetzt ist auch der Text zum Beitrag online, was die Redaktion gestern wegen der Kürze der Zeit (???) nicht geschafft hat... Hier ist er:
Maria S. könnte noch gesund sein, wenn sie nicht von einem Kampfhund angefallen worden wäre. Er zerriss ihr die Wange, die Wunde ist fünf Zentimeter lang. Sie war in Mannheim beim Einkaufen unterwegs; in der Fußgängerzone sprang der Hund sie an, obwohl er angeleint war. Besitzerin und Hund sind flüchtig.
Maria S.: "Er hätte einen Maulkorb tragen sollen, dann hätte er mich nicht gebissen."
Politische Ironie: Kurz zuvor hob der Verwaltungsgerichtshof die Mannheimer Hundeverordnung auf, die eine absolute Maulkorbpflicht für alle Kampfhunde vorschrieb. Das sei zu streng, urteilten die Richter.
Rolf Schmidt, Bürgermeister, Mannheim: "Es erfüllt einen schon mit Zorn, wenn man versucht, sich als Verwaltung, der Kampfhunde, die in der Tat eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen, Herr zu werden. Und die Gerichte hebeln dann das, was man beschlossen hat und was man auch umsetzen will mit dem kommunalen Ordnungsdienst, einfach aus."
Stoffhunde am Kreuz
Gleichsetzung mit den Nazis
Am Düsseldorfer Landtag findet in der gleichen Woche, in der Maria S. gebissen wurde, eine Kundgebung voll politischer Beißkraft statt. 1.000 Hunde und ihre Besitzer protestieren gegen die geplante Kampfhundeverordnung der Landesregierung. Das Gesetz enthält Leinen- und Maulkorbzwang für 41 Kampfhunderassen - das akzeptieren die Demonstranten nicht. "Es gibt keine Kampfhunde" behaupten sie und: "Kampf dem Maulkorbzwang". Sie zeigen Stoffhunde, symbolisch ans Kreuz genagelt, sie scheuen nicht vor unsäglichen Vergleichen zurück. Den Hundegesetzentwurf von Umweltministerin Bärbel Höhn setzen sie mit der Rassenpolitik der Nazis gleich. Ihnen gilt jeder Kampfhund als ungefährlich - solange er noch Niemanden verletzt hat. Ministerin Höhn verlangt ohnehin den Maulkorbzwang nur für jene Kampfhunde, die beim amtlichen Wesenstest durchfallen. Die Hundefans beißen zurück:
Zurückhaltendes Gesetz
Dr. Helga Eichelberg, Zoologin, Uni Bonn: "Ja, mein Gott, was ist denn das für eine Rechtsauffassung: Natürlich muss er erst beißen, um als gefährlich erkannt zu werden. Denn wenn er nicht beißt, ist er ja auch nicht gefährlich."
Ministerin Höhn hat ein zurückhaltendes Gesetz vorgelegt - aus Furcht vor gerichtlichen Niederlagen, wie in anderen Bundesländern. Ihr Gesetz listet zwar 41 gefährliche Hunderassen auf, doch entscheiden soll der Wesenstest:
Bärbel Höhn, Verbraucherministerin NRW: "Bei bestimmten großen Hunden, die gefährlich werden können, machen wir Auflagen, aber wenn die Hunde es schaffen, durch einen Test nachzuweisen, dass sie ungefährlich sind, können sie sich von diesen Auflagen wieder befreien. Und daher haben bisher alle Gerichte gesagt: Dieser Ansatz ist gerichtsfest."
Wesenstests als lohnendes Geschäft
Konkret heißt das: Wenn ein gefährlicher Kampfhund während des etwa zweistündigen Psycho-Tests nicht angreift, gilt er lebenslang als harmlos. Er darf ohne Leine, ohne Maulkorb herumrennen - auch wenn andere Menschen Angst vor ihm haben und die haben 75 Prozent aller Deutschen, laut Umfragen.
Nach dem Tod des kleinen Volkan durch zwei rasende Pitbulls in Hamburg versprachen Politiker, solche Taten künftig zu verhindern. Aber: Nach wie vor gilt in Deutschland: In einigen Bundesländern ist man gegen Kampfhundattacken besser geschützt als in anderen. In vielen Ländern kippten hundefreundliche Richter solche Verordnungen gleich reihenweise. Hunde-Gutachter reden ihnen ein, die Rasseneinteilung sei ungenau und ungerecht. Jeder einzelne Kampfhund müsse statt dessen von ihnen hundepsychochologisch begutachtet werden. Dafür kassieren dieselben Gutachter meist zwischen 400 und 1.000 Euro pro Hund - ein lohnendes Geschäft.
Die Aggressionstests haben nur begrenzten Aussagewert, sind nur eine Momentaufnahme. Auch Hunde verändern ihr Wesen. Besonders gut weiß das Wolfgang Poggendorf vom Hamburger Tierschutzverein, der schon hunderte von Kampfhunden geprüft und vermittelt hat.
Kampfhundfreundliche Gutachten
Wolfgang Poggendorf, Tierschutzverein Hamburg: "Selbst, wenn ein Hund einen Aggressions- und Wesenstest bestanden hat, ist nicht sichergestellt, dass von diesem Hund keine Gefahr mehr ausgeht. Ich kann von da her immer empfehlen, dass besonders bei Großhunden, in besonderen Situationen bei Veranstaltungen ein Maulkorb bereit liegt, um den Hund oder auch andere Lebewesen zu schützen."
Zu den kampfhundfreundlichen Gutachtern zählt die Kieler Verhaltensforscherin Dorit Feddersen. Sie redete der Justiz das Rassekriterium aus. Es gäbe ja große Aggressivitätsunterschiede. Erst recht ist sie gegen generellen Maulkorbpflicht:
Feddersen: "Eine generelle Maulkorbpflicht ist eine verordnete Tierquälerei, die ist tierschutzrelevant. Hunde sind Lauftiere und Hunde nehmen im Sinnesbereich des Riechens sehr viel auf und verhalten sich auch entsprechend und es sind soziale, obligat soziale Lebewesen, die eben auch lernen müssen, eben auch störungsfrei mit anderen Hunden Kontakt aufzunehmen, Konflikte auszutragen, das geht mit dem Maulkorb halt schwieriger."
Hitzetod im Maulkorb? Diese absurd klingende Frage beschäftigt den Tiermediziner Professor Simon seit 30 Jahren. Im Max-Planck-Institut Bad Nauheim erforscht er die Hitzeregulierung bei Hunden. Seine klare Schlussfolgerung: Maulkörbe sind unschädlich.
Simon: "Wir haben die Hunde auf ein Laufband gestellt, um Hecheln anzuregen und man hat dann durch die Messung des ausgeatmeten Wasserdampfs und durch Bilanzierung der Wärmebildung und der Gesamtwärmeabgabe festgestellt, dass etwa 50 Prozent der Wärme über die Atmung und etwa 50 Prozent über die Haut abgegeben werden. Wichtig ist, wenn man wieder auf den Maulkorb zu sprechen kommt, dass die Atmung mit geöffnetem Maul möglich ist, dann ist aufgrund dieser Untersuchung nicht davon auszugehen, dass es zu einer nennenswerten Beeinträchtigung der Wärmeabgabe kommt."
Doch Kampfhundefans wie die in Düsseldorf lassen sich durch neue Erkenntnisse der Hundeswissenschaft nicht beeindrucken. Was sie am Maulkorb stört - das ist die Optik.
Frontal21: "Wie finden Sie, wie ein Maulkorb aussieht?"
Hundehalter: "Ich find das eine unverschämte Schweinerei mit der Maulkorbpflicht.
Frontal21: "Warum?"
Hundehalter: "Es sieht beschissen aus, beschissen. Oder wollen Sie etwa so aussehen, mit einem Maulkorb?"
Darum geht es: Maulkörbe machen hässlich. Ob das Menschleben kosten kann, interessiert Frauchen und Herrchen weniger.
Hier der direkte Link zur Diskussion:
Frontal+21&CONTEXT=DISCUSSION&ID=1020781753516&TITLE=Maulkorb-Erlass
Marion und ihre 2 Höllenhunde Tau & Tiptoe