@Vrania
Das sehe ich ganz genau so.
Im Berufsleben stehst du doch noch nicht am Ende... genau genommen noch nichtmal in der Mitte.
Wann fängt man frühestens an - mit 16 oder so? - Dann hast du jetzt 11 Jahre hinter dir. Und (bei Rente mit 66 ) 39 Jahre vor dir!!!!
Also - ausreichend Zeit, nochmal loszulegen und das Richtige für dich zu machen.
Ich habe ja nun Abitur gemacht, dann direkt studiert (das sogar mit etwas Mühe ohne große Zeitverluste), mit Diplom abgeschlossen und danach sogar noch promoviert. Obwohl ich da eigentlich schon wusste, dass das ausgesuchte und mühsam erkämpfte Feld doch nicht meines ist.
Einfach weil "man das in dem Feld eben so machte" - bzw. machen musste, um überhaupt mal in einem entsprechenden Beruf zu arbeiten... und weil die Promotion in dem Fach eben immer mindestens mit einer halben Stelle oder einem gleichwertigen Stipedium verknüpft war. Ich habe das also ganz simpel als Möglichkeit gesehen, noch mehr praktische Erfahrung zu sammeln und gleichzeitig etwas Geld zu verdienen.
(Denn im Vergleich mit meinem Studentenbudget war damals der Tarif BAT IIa/2 schon ganz gut.
)
Nun lief es aus verschiedenen Gründen ab dem Moment nicht mehr ganz so glatt, auch wenn ich diese Zeit nicht missen möchte. Und bis ich tatsächlich promoviert war, war ich schon 30 - und wusste dafür dann ganz genau, dass ich in der Forschung jedenfalls nicht mehr arbeiten wollte.
War aber zugleich so spezialisiert, dass andere Jobs insgesamt ziemlich knäpplich waren.
Und für alles andere, was sich so angeboten hätte, dank der Promotion absolut überqualifiziert.
- So kann man sich nämlich, wenn man nicht aufpasst, genauso ins Knie schießen und sich Wege verbauen.
Da stand ich dann genauso da und fragte mich, was ich nun mit mir und meinem gewonnenen Wissen und allem, was ich so kann, anfange. Das war ja nicht wenig. Aber es war eben in der vorliegenden Form wenig alltagstauglich.
Ich hab mich sogar noch auf PostDoc-Stellen beworben (das sind immer so relativ kurze, abgeschlossene Projekte für Nachwuchswissenschaftler auf dem Weg zu Habilitation). Da trennte sich dann allerdings die Spreu vom Weizen, und die Chefs, denen ich offen sagte, dass ich wirklich noch maximal 3 Jahre was machen und dann aussteigen wollte, haben mich auch auf kürzer befristete Verträge nicht eingestellt.
Worüber ich im Nachhinein sehr froh war.
Auf einer Jobmesse habe ich dann von einer Weiterbildungsmaßnahme erfahren, die sich an genau so Leute wie mich gerichtet hat: Naturwissenschaftler, die eher in die Wissenschaftskommunikation gehen wollten.
Die habe ich dann mitgemacht (da war ich 31), und es hat sich bestätigt, was ich direkt beim Lesen des ersten Flyers gedacht hatte, dass das nämlich mein Ding ist. Also genau das, was ich immer machen wollte, die optimale Mischung aus dem, was ich gelernt habe und dem, was ich gut kann. Und mit der dort erworbenen Qualifikation habe ich mich selbstständig gemacht. Über das intensive Networking des Ausbildungsinstituts habe ich sogar die ersten Kunden bekommen, und mache das seitdem und bin froh und glücklich darüber.
Und ich habe nichts bereut. Nicht einmal die wirklich auch menschlich anstrengende Promotionszeit, in der ich Erfahrugnen gemacht habe, die mir jetzt wieder sehr helfen.
27 ist nicht spät.
Einer meiner Onkel hat seine Berufung erst mit 40 entdeckt. Bis dahin war er ein unentschlossenes Wunderkind, das nicht wusste, was es wollte, und im Versicherungsbereich vor sich hindaddelte - verglichen mit seinen schulischen Leistungen und denen im Studium klar ein Underachiever.
Heute hat er ein mittelgroßes, gut gehendes eigenes Unternehmen und jettet in der Weltgeschichte herum - und macht dabei wirklich gute Arbeit, soweit ich das beurteilen kann. Die ihn auch noch ausfüllt und zufrieden macht!
Man muss nicht bis 25 alles Wesentliche geschafft haben und danach kommt nichts mehr.
Je nach Ausbildungsweg ist man mit 25 nichtmal fertig oder steht gerade am Anfang vom Berufsleben und ob der Einstieg dann gelingt, ist ja noch nichtmal gesagt!