Mein 2. zweiter Geburtstag

bxjunkie

Bordeauxdoggen Flüsterin®
15 Jahre Mitglied
Eine Horrorvorstellung. Auf einmal bekommt das Herz zu wenig Blut und somit zu wenig Sauerstoff. Eines der Herzkranzgefäße ist verschlossen. Für den Betroffenen heißt es: auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus! Dann gibt es eine Chance, das Herz und damit das Leben zu retten.
Ich habe diese Erfahrung machen müßen...vor 2 Jahren...

Ich liege auf der Liege im EKG Raum der Praxis und ahne, daß irgendwas nicht ok ist.
Mein EKG ist nicht so, wie es sein sollte. Sekunden später weiß ich, daß ich richtig vermute: "Der Rettungswagen ist unterwegs...Sie haben einen Infarkt"
Ich sitze wie festgenagelt. Herzinfarkt - das hat mir noch gefehlt. Herzinfarkt. Ich doch nicht...die müßen sich irren...

Begonnen hat meine Betriebsstörung 15 Minuten vorher....ich sitze ahnungslos am Kaffeetisch, rauche und surfe im Netz als es in meinem inneren "knallt"...gemerkt habe ich nur einen Stich mittig hinter'm Brustbein. Ich habe natürlich sofort nach den Symptomen gegoogelt (macht doch jeder so, oder nicht? :D ) und Dr.Google meinte "Lungenembolie oder Herzinfarkt" Nun ja...Herzinfarkt konnte ich ja wohl ausschliessen, also Lungenembolie.
Kurz überlegt und dann entschieden doch noch vor der Gassi Runde mit meinen Hunden zum Hausarzt zu fahren, der nur wenige Fahrminuten entfernt seine Praxis hat...auf dem Weg dorthin ging es mir schon wieder so gut, das ich dachte umzudrehen...zu meinem Glück gestaltete sich das wenden auf der engen Landstrasse eher umständlich, so dass ich beschloss "nun bist du einmal unterwegs, nun fährst du auch weiter..."
Die mittlerweile 2. Entscheidung die mir das Leben retten sollte...
Es stellte sich also heraus das ich einen schweren großen Hinterwandinfarkt hatte...einen sogenannten STEMI der Hinterwand um genau zu sein...was nichts anderes bedeutet als das meine gesamte Herzhinterwand ohne jegliche Sauerstoffversorgung da stand und mein Leben in akuter Gefahr war...
Ich merkte freilich nichts davon, denn mir ging es erstaunlich gut...das einzige was ich nicht vertrug war die Morphiumspritze die man mir im Rettungswagen gab..da diese aber wohl die Herzrechtslast (frag mich mal einer was das heißt, k.A.) verringert habe ich zugestimmt, obwohl ich keine Schmerzen hatte...
In der Klinik angekommen warten schon einige Pfleger, Schwestern und der Chef Kardiologe Dr. Ashraf auf mich...ich muß mich komplett entkleiden (außer meinen Socken...die will ich anlassen ich neige zu kalten Füßen und in dem OP Saal ist es arschkalt) und bekomme dafür ein schickes Flügelhemd angezogen...dann muß ich mich
auf den bereits vorbereiteten OP Tisch legen, man deckt meinen Körper mit sterilen Tüchern ab und ich muß mich mit unter dem Kopf verschränkten Armen hinlegen und bekomme gesagt das ich in dieser Haltung zu verharren habe und mich auf keinen Fall bewegen darf...was prompt dazu führt, das meine Nase juckt...

Wenn ich vor etwas Angst habe, dann vor dem, was jetzt kommt. Als das Wort "Herzkatheter-Untersuchung" fällt, rutscht mir das Herz ins Flügelhemd.
Die Vorstellung, jemand fährt mir mit einer Sonde durch eine Einstichstelle in der Leiste auf dem Weg über eine Schlagader ins Herz und macht sich dort zu schaffen - das läßt mich ins Schwitzen geraten. Was aber niemanden interessiert..."bleiben Sie ruhig liegen, den Rest machen wir"
Dr.Ashraf kommt zu mir und bevor mir wieder schlecht vor Angst werden kann erklärt er mir, was er tun wird. Es könne mir höchstens ein wenig warm ums Herz werden, wenn er das Kontrastmittel spritze. Warm ums Herz - ein schönes Bild. Der Doktor sagt, daß ich alles auf einem Monitor verfolgen könnte, nur zuweilen das über meiner Brust aufgehängte Röntgengerät mir die Sicht versperren werde. Ich versuche, witzig zu sein, und entgegne, daß seine freie Sicht wohl wichtiger sei als die meine. Mir geht's gut. Unter örtlicher Betäubung setzt der Doktor einen winzigen Schnitt in meine rechte Leiste, durch die er den Katheter in die Schlagader das Bein hinauf und dann durch eine Rechtskurve weitergeführt . "So, jetzt sind wir im Herzen", sagt er und meint damit den Katheter. "Wir" sind drin, und ich habe nichts davon bemerkt.
Via Monitor sehe ich das drahtähnliche Gebilde in meiner Pumpe, die sich regelmäßig zusammenzieht und wieder entspannt. Nach einer halben Stunde ist die Prozedur beendet. Der Komplettverschluss in meinem rechten Herzkranzgefäß, der Auslöser meines Infarkts, ist mit einem Ballon geweitet. Ein Stent, eine röhrchenartige Gefäßstütze, wird dafür sorgen, daß sich die Stelle nicht erneut zusetzt. Ich bekomme noch 2 weitere Stents gesetzt... "Da sind noch zwei Engstellen, die machen wir direkt mit" Ich werde von den beiden Pflegern erneut sanft gebettet, diesmal in mein Bett. Nach dieser halben Stunde frage ich mich, wovor ich Angst gehabt hatte.

In den nächsten Tagen geht es zügig aufwärts. Mein Herz hat beim Infarkt keinen Schaden davongetragen. Was bleibt, ist das flaue Gefühl, meinen Herzinfarkt nicht bemerkt zu haben. Nichts von eisernen Klammern, die die Brust zusammenquetschen, kaltem Angstschweiß, Panikgefühl und ausstrahlenden Schmerzen. Lediglich einen intensiven aber keineswegs beunruhigend Schmerz hinter'm Brustbein und das merkwürdige Gefühl man sollte da mal jemanden draufschauen lassen...

Heute feiere ich meinen 2. zweiten Geburtstag...2 Jahre ist es schon her...mir geht es zu 90% gut...seelisch und körperlich...manchmal überkommt mich wieder die Angst es könnte nochmal passieren. Auch und gerade heute mache ich mir Sorgen und Gedanken, deswegen hab ich nun auch die Geschichte aufgeschrieben,
für jeden den es interessiert lesbar...auch wenn es keiner lesen sollte...es hat seinen Zweck erfüllt...mir geht es besser :)
Ach so...und ich bin seit 2 Jahren Nichtraucher...auch das ein Erfolg auf den ich unglaublich stolz bin...darauf und auf meine Intuition :)
 
  • 27. April 2024
  • #Anzeige
Hi bxjunkie ... hast du hier schon mal geguckt?
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puh - heftig, so mitten aus allem gerissen zu werden.
Schön, dass Du das alles so gut überstanden hast :)

und ich kann dich verstehen, ich hätte auch Angst gehabt
 
Herzlichen Glückwunsch zum zweiten Zweiten!

Ich freue mich mit Dir und kann Dir nachfühlen.

Alles Liebe
Dagmar
 
Herzlichen Glückwunsch. Dann kannst du jedes Jahr 2 x feiern. :)
Die ganze Zeit dachte ich während ich deinen Text las, ob du wohl mit der Qualmerei aufgehört hast. Der erlösende Satz dann zum Glück am Ende. ;)
 
Herzlichen Glückwunsch zum 2. Geburtstag...
Und es ist verdammt richtig und wichtig, die Geschichte aufzuschreiben, zumal sich Herzinfarkte bei Frauen in anderen Symptomen äußern als beim Mann..
 
Glückwunsch zum zweiten, so ganz anderen und doch so wichtigen "Geburtstag"

Das tückische an den Infarkten bei Frauen ist ja (wie Christine schon schrieb), dass die Symptome so unspezifisch sind und eigentlich alles oder nichts sein könnten ....

Du hast echt schwer Glück gehabt, dass das Wenden auf der Landstrasse das größere Übel war ...
 
Wahnsinn, alles Gute zum 2. Geburtstag, gut dass Du auf Dein Bauchgefühl gehört hast :fuerdich:.
 
Toll geschrieben!
Wie schön, dass du nicht wenden konntest und weiter gefahren bist!

Bei Frauen macht sich der Infarkt leider sehr unspezifisch bemerkbar. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene ihre Geschichte teilen. Danke dafür!
 
Eine Horrorvorstellung...
Glückwunsch zu deinem zweiten Geburtstag :)
 
Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Zukunft - mit hoffentlich gesundem Herzchen!
 
Alles Gute zum zweiten Geburtstag!
Für mich war sehr schön geschrieben und auch informativ.
Liebe Grüsse Mama5
 
Dem kann ich mich nur anschließen!

Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!
 
Herzlichen Glückwunsch auch von mir, zum 2. Geburtstag und zum guten Bauchgefühl.

Erschreckend wie schnell es vorbei sein kann - ohne großartige Warnung im Vorhinein...
 
Ich danke euch allen :love: Ja das Erlebnis hat mich sehr verändert...ich bin in vielen Dingen kompromissloser geworden, aber auch ruhiger in manchem...es lohnt manchmal einfach nicht immer einen Aufriss zu machen.
Ich kann nur jedem raten gut auf sich aufzupassen, denn treffen kann es jeden. Ich war auch kein klassischer Herzinfarktkandidat...noch jung (48Jahre) schlank, kein Diabetes etc. ich hatte erhöhte Cholesterinwerte, aber die hat fast jeder...ich hab geraucht seit 35 Jahren...naja machen andere auch...und dennoch mich hat es getroffen...also lieber einmal zuviel zum Doc als einmal zu wenig...und hört das rauchen auf :lol: Nein Scherz...muß jeder selber wissen und wenn man nicht raucht ist das auch kein 100% Schutz...und wenn es nur einen etwas sensibler gemacht hat für die Thematik, dann ist das für mich ein Erfolg :) In diesem Sinne...passt auf euch auf!
Danke an alle die sich die Mühe gemacht haben es zu lesen :herzen:
 
Herzlichen Glückwunsch zum 2.Geburtstag. Ich kann es Dir nachfühlen. Herzkathederuntersuchung hatte ich auch schon. Knuddel.
 
Sehr berührend geschrieben , danke Dir dafür.
Und auch von mir ganz herzlichen Glückwunsch .

LG Barbara
 
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Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Glück und Gesundheit :birthday: :torte:Du musst registriert sein, um diesen Inhalt sehen zu können.
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