Carolin, ich glaub so schlimm, wie sich das zur Zeit anfühlt, ist das bei Euch beiden gar nicht. Dein Hund ist noch sehr jung und voller Energie. Und Du hast Dir zudem eine Hunderasse ausgesucht, die nicht gerade als anspruchslos gilt.
Wenn ich so lese, was du schon alles versucht hast ... vielleicht hast Du es sogar bisher für Dein eigenes Ego und Deinen Geldbeutel einfach ein bisschen "ZU sehr versucht". Damit meine ich, wenn man zu viel in zu kurzer Zeit versucht, zu erreichen, setzt man die Latte sehr hoch und Enttäuschungen sind schnell mit von der Partie, weil die Erwartungen und die Realität einfach nicht zusammenpassen. Es ist sehr gut, dass Du es nicht schleifen lassen willst. Aber vielleicht musst Du Dir selber einfach noch ein bisschen mehr Zeit geben.
Ich bin mir sicher, dass mit Deinem Hund alles ok ist und auch, dass Eure Bindung noch weiter wachsen wird. Viele Dinge brauchen einfach auch ihre Zeit. Das betrifft sowohl Bindung, als auch Verhalten und Training.
Weisst Du was ich SO OFT über Besitzer mit Bullterrierwelpen und Junghunden (meine Rasse) lese?
"Mein Welpe ignoriert mich, andere sind alle interessanter, er knüffelt andauernd, zerrt unglaublich an der Leine oder will gar nicht laufen und hängt zuhause ständig unter der Decke".
Ich kenn mich nicht mit vielen Hunderassen so wirklich richtig gut aus. Aber einige Probleme klingen mir schon ähnlich, manche total verschieden. Tatsache ist, gerade bei Junghunden egal welcher Rasse kann man schonmal ein bisschen verzweifeln. Und eines habe ich einfach im Gefühl: Das Grundprinzip der Hund-Mensch-Beziehung basiert immer auf denselben Eckpfeilern, ganz egal was für einen Hund Du hast - und es muss WACHSEN. Deine ganzen Anstrengungen bisher waren diesbezüglich auch alles andere als umsonst, auch wenn sich das momentan für Dich vielleicht ein bisschen so anfühlt.
Du hast ja auch eine absolut realistische Sicht auf die Dinge. Dir ist klar, wieso zuhause oder auf dem ruhigen Parkplatz alles funktioniert und dann mit vielen Hunden drumherum plötzlich gar nicht mehr.
Wenn Leckerchen und Ball draussen komplett uninteressant sind, spar Dir den Ballast auch vorerst. Dann hast Du die Hände frei, mit ihm die Richtung zu ändern, wenn Du einen Hund in der Ferne auf Euch zukommen siehst, schon lange bevor Dein Hund da überhaupt hin ziehen kann. Vorerst versuche, die Situation vielleicht wirklich einfach erstmal zu vermeiden.
ALLES, was Du bisher mit Deinem Hund versucht hast, war gleichzeitig immer auch Aufmerksamkeit für ihn und Du arbeitest damit auch schon die ganze Zeit an Eurem Verhältnis. Du musst nicht mehr bei Null anfangen. Damit hast Du vielen in Deiner Situation etwas voraus.
Und dass Leckerchen und Ball nicht so einfach funktionieren, wie der Trainer das vielleicht versprochen hat, ist auch ganz normal. Da ist Dein Hund kein Einzelfall. Ich arbeite mit meinem Hund auch noch an verschiedenen Umgebungssituationen. Denn wenn eine funktioniert, ist das noch lange keine Garantie, dass es nicht die nächste Situation mit NOCH mehr Reiz gibt, die es dann wieder schwierig macht. Hunde lernen am besten durch Gewöhnung. Und genau DAS ist manchmal schwer, ihnen problemlos zu geben. Gerade die Alltagssituation, für die wir trainieren wollen, lassen sich oft in kleinen Schritten nur ganz schwer simulieren. Deshalb muss man dann erstmal managen, gleichzeitig jede Chance zum Üben in kleinen Schritten ausnutzen und einfach auch ein bisschen langen Atem haben.
Gib nicht auf. Mach weiter die Vertrauensspiele und Euer Training.
Und Situationen, die derzeit noch so ausser Kontrolle sind für Dich, wie die Begegnung mit anderen Hunden, MANAGE halt einfach. Lass nicht den Hund die Situation bestimmen.
Besorge Dir alles, was nötig ist, um ihn besser halten zu können, ohne dass Du bald 2m lange Arme hast, ändere notfalls eine zeitlang Eure Gassi-Route oder -zeit ... was immer vorübergehend notwendig ist, setze Euch beide diesem Stress einfach mal eine Weile wenns irgendwie geht nicht oder nur in abgeschwächter Form aus. Und schaffe Dir dann langsam und gezielt Situationen, in denen Du das mit Deinem Hund kontinuierlich üben und aufbauen kannst. Und lass Deinen Hund dabei auch gleichzeitig einfach noch ein bisschen erwachsener werden. Das wär mein Plan, wäre ich in Deiner Situation jetzt.
Verweigere Deinem wilden süßen Dalmi einfach, dass er mit dem Ziehen auch wirklich zu anderen Hunden hin kommt, so lange bis Du aufgrund aller Dinge, die Du tust mit ihm selbst das Gefühl hast, jetzt ist der Zeitpunkt besser, das nochmal ganz gezielt und in GANZ kleinen Schritten anzugehen.
Kleine Schritte sind wichtig. Nicht nur, um Frust bei Dir und dem Hund zu vermeiden. Sondern auch um Deinem Hund Zeit zum Lernen zu geben, damit er die Schwelle zwischen ruhiger und ablenkungsfreier Umgebung hin zu korrektem Verhalten mit viel Ablenkung meistern kann. Das ist eine große Aufgabe für ihn.
Wenn er gerne mit anderen Hunden spielt, muss man ihm das ja nicht komplett nehmen, wenn Du z.B. in Deiner Umgebung eine Hundespielgruppe findest oder einen Auslauf oder oder, wo er unangeleint laufen und spielen kann und Ihr einfach nicht in dieser Problemsituation seid.
Wenn mein Wissen über Dalmis richtig ist, dann wirst Du es bei dieser Rasse immer mit einem kleinen Hibbel zu tun haben. Aber die Situation kann sich trotzdem im Lauf der Zeit nach Deinen Vorstellungen verbessern. Da bin ich mir absolut sicher.