Kannst du zu dem Thema etwas zum Lesen empfehlen? Mir war das bisher auch nicht bekannt und dachte immer, dass sie überwiegend zum Einsatz an Schafsherden gezüchtet wurden. Finde ich sehr interessant!
Wenn du Russisch kannst, lässt sich diesbez. sicher etwas machen.
Wenn nicht, musst du das glauben, was ich mal vor ein paar Jahren dazu geschrieben habe:
Hunde unter'm Roten Stern
Seine Vorfahren stammen aus Georgien, Armenien, Aserbaidshan; er selbst wurde in Russland geschaffen, bekam hier seinen FCI - Standard und wurde weltberühmt. So berühmt, daß kaum noch einer weiß, welchen Grundstock er mal hatte. Seine Väter in Georgien heißen Nagazi, diejenigen in Armenien nennen die Einheimischen Gampr. Geht man etwas weiter westlich, findet man noch den türkischen Vetter, den Karshund. Er selbst heißt Kaukasischer Owtscharka oder eben auch Kaukase. Allen seinen Vorfahren ist gemein, daß sie als Hirtenhunde die Herden verschiedener Volksgruppen schützen, in verschiedenartigen klimatischen Regionen und Topographien leben und dementsprechend über Hunderte von Jahren zu diesem Zweck optimiert und selektiert wurden. Berghunde sind langhaariger, schwerer, Steppenhunde leichter gebaut, haben fast Stockhaar - hierzulande würde man sie wohl für einen "CAO" halten. Er selbst hat Herden eher selten gesehen, denn das sollte er nie. Er war zu Höherem bestimmt, dem Dienst am Vaterland.
Dazu ein wenig Geschichte aus Hundesicht:
Noch im 1. Weltkrieg setzte Russland überwiegend Airedale - Terrier in der Armee ein. Vorwiegender Einsatz war der Dienst als Sanitäts - und Meldehund. Die Hunde stammten zum größten Teil aus deutschen Zuchten und Linien. Prinzipiell bewährten sich die Terrier sehr gut, das Dumme war eben, es war keine eigene Rasse und man war abhängig von Importen. An den Grenzen sah es etwas anders aus. Dort setzte man vorrangig Dobermänner ein. Diese waren zwar hervorragende Diensthunde aber klimatisch z.T. nicht so recht einzusetzen - Fell zu kurz, kaum Unterwolle. Und das alte Dilemma, es waren deutsche Hunde. Kurzzeitig wurde der Dobermann dann vom DSH abgelöst, bis man dann auf die zündende Idee kam und die eigenen Ressourcen nutzen wollte. Mittlerweile war die Oktoberrevolution (1917) und es entstand die Sowjetunion, ein riesiges Staatengebilde, dem nach und nach 17 Teilrepubliken und einige autonome Republiken angehörten. 1920 kamen die Armenische und die Aserbaidshanische SSR, 1921 die Georgische SSR zur UdSSR. Was lag also näher, als die kynologischen Schätze zu heben, welche sich in den Kaukasusrepubliken befanden.
The scientifically based experiences will reveal the breed most convenient for us, but at the moment our orientation, should be directed on our Caucasian sheep-dogs and our northern Laikas. Having taken in a basis endurance, unpretentiousness and mobility of the given dogs (the last does not concern to the Caucasian sheep-dogs) and having considered their full acclimatization, we can expect to leave in the near future from the German market and to work exclusively on new our Russian breeds.
... schrieb 1928
V.V.Yazikov, führender Kynologe der UdSSR in seinem Buch
"Theory of training of the dogs"
Von nun an wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Man organisierte landesweite Ausstellungen / Wertungen für Wach - und Schutzhunde, es gab Preise, Pokale und so mancher Hirte präsentierte stolz seine Herdenwächter. Kynologen im Auftrag des Militärs kauften vielversprechende Hunde auf. Gleichzeitig entstanden gigantische Zuchtanlagen. Farmen mit über 200 Hunden forcierten die Selektion und planmäßige Zucht des zukünftigen "Kaukasen". Die Kennels standen unter Führung der Roten Armee, bekanntester unter ihnen ist der "Red Star", der sich rühmte, bessere Hunde zu haben als die besten Ahnen in Georgien. So entstanden dann der Moskauer Wachhund, der Schwarze Russische Terrier (der sogenannte Stalin - Hund) und im Jahre 1956 veröffentlichte das Landwirtschaftsministerium die Zahl von 7.609 Wachhunden, in der Regel Kaukasische Owtscharki. Bevorzugter Einsatz war die Bewachung von Industrieanlagen, der Einsatz in den Gulags und als Grenzhund. Prämisse war damals, den Hund unter Kontrolle des Militärs zu halten, für Privatleute war es so gut wie unmöglich, in ihren Besitz zu kommen. Ja und Schafe sahen diese Hunde natürlich nie, dafür wurde in Richtung Gebrauchshund selektiert und so begleiteten Kaukasen auch die Miliz, den Zoll und wurden militärisch ausgebildet, natürlich auch im Schutzdienst, wenn man die russische Variante so bezeichnen will.
In den Bergen Georgiens und in den Steppen Aserbaidhans züchteten hingegen die Hirten ihre Hunde wie vor 1000 Jahren. Sie selektierten nach Eignung an den Herden, achteten auf Loyalität gegenüber Nutzvieh und vor allem der Dorfbewohner, ein ganz entscheidender Faktor. Der Körperbau mußte den hohen Anforderungen bezüglich der jeweiligen Topographie Rechnung tragen und die Hunde mußten ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, Herden gegen Raubtiere zu verteidigen. Ab und an kamen russische Kynologen, kauften einige gute Hunde und zogen wieder von dannen. Blutauffrischung für den "Kaukasischen Owtscharka". Am 30. 01. 1985 wurde der FCI Standard für diesen festgeschrieben - Ursprungsland Russland.
Nun könnte man meinen, daß dies doch alles ok sei, denn schließlich hat die Armee dem Ganzen einen einheitlichen, weltweit gültigen Standard gebracht und züchtete unter kynologischer Anleitung und optimalerer Versorgung als das bei den Hirten jemals möglich war, den Kaukasen. Könnte man, wenn da nicht die Sache mit dem Zuchtziel wäre. Die russischen Kaukasen sollten natürlich keine Schafe schützen, sondern die sozialistische Revolution. Ihre Gegner waren keine Wölfe oder Bären, sie sollten Schärfe gegenüber Menschen entwickeln. Loyalität gegenüber Zweibeinern, dem man in den Gebirgsdörfern stets höchste Priorität einräumte, war beim Wächter des Gulags natürlich hinderlich. So entstand dann auch der Ruf des Kaukasen, ein scharfer und unbestechlicher Wachhund zu sein, was natürlich zutrifft.
Während seine Vorfahren selbständig agierende Herdenschützer waren, die im Team komplexe Aufgaben, wie etwa die eines Angriffs eines Wolfsrudels zu managen hatten, verlangte man vom Armee - Kaukasen natürlich eine Bereitschaft zur Unterordnung und Mitarbeit und wollte weitgehend verlässliche Hunde. Vom Grundstock, dem Arbeitshund an den Herden bis zum Mauerhund an der deutsch / deutschen Grenze war es ein langer Weg. Er hat die Hunde verändert, physisch und vor allem psychisch. Manche nennen es "Entwicklung von Hunderassen", sicher irgendwo auch nicht falsch.
Man kann nun der Ansicht sein, daß es nicht mehr schlimmer kommen könnte, doch auch das ist leider nicht der Fall. Während die Staatskennel wenigstens noch ein Zuchtziel und eine Optimierung der Rasse unter kynologischer Anleitung verfolgten, denn die Hunde sollten ja einsatzfähig sein, interessierte sich nun ein bis dato völlig neues Klientel für die imposanten Tiere. Die Privatzüchter kommen auf den Plan. Man erkannte sehr schnell, wie zuverlässig ein Kaukase das Haus schützen konnte und erregte auch allgemeines Aufsehen, wenn man mit ihm durch die Gegend lief. Owtscharkas wurden zum weltweiten Exportschlager, wurden als Security Dogs und Statussymbole vermarktet und man konnte auch ganz gut Geld mit ihnen verdienen. Zuchtklubs entstanden, Ausstellungen fanden statt und die Hunde wurden immer gewaltiger - und kränker. Letzteres spielt allerdings nicht mehr so eine große Rolle, da die Hunde weder Strafgefangene im sibirischen Gulag zu bewachen haben, geschweige denn, jemals ein Schaf in natura sehen. Lustigerweise redet man aber ganz selbstbewußt vom HSH, zumindest in Deutschland. Die FCI sagt "Herdenhund. Wach - und Schutzhund".
1990 begann der Abzug der Russen aus Ostdeutschland. Kasernen wurden abgerissen, Ladas und Farbfernseher landeten im Marschgepäck der Rotarmisten, als sie gen Heimat fuhren. Was ging, wurde verhökert, um wenigstens etwas Wohlstand aus dem wiedervereinten Deutschland mit nach Hause nehmen zu können. Zurück blieben große, zottige Hunde, in der DDR allgemein als "Kaukasischer Schäferhund" mit einem berüchtigten Ruf bekannt. Was aus ihnen wurde, lässt sich nicht so recht verifizieren. Tierheime waren oftmals absolut überfordert, geeignetes Klientel, an das vermittelt werden konnte, war schwer zu finden.
Im Westen wurden die Hunde zunehmend bekannter und Schoke beschrieb den Kaukasischen Owtscharka, den "Hund der Hirten".
Von all dem bekam der Nagazi in Georgien nichts mit und auch der Gampr würde sich wundern, wieso der Standard, der ihn als Hund der Hirten eigentlich beschreiben sollte, so gar nicht zu ihm passt.