Guten Morgen Phoenixrot.
Herzlichen Glückwunsch und schön, dass Du dem Tier ein tolles Zuhause schenkst.
Vor 2,5 Jahren habe ich eine Angsthündin in mein Rudel aufgenommen. Sie war vier Monate alt, als sie ihr vormaliger Halter, ein Schäfer, für ein ganzes Jahr komplett von Mensch und Tier isolierte, weil sie ihm ob unzureichender Keeness nutzlos schien.
Bei unserer ersten Begegnung war ihre Rute bis zum Maul durchgesteckt, ein geduckter Gang und von Furcht erfüllte Augen komplettierten das Bild.
Ich ließ sie das Haus vermessen. Vier Stunden saß ich am Boden eines Zimmers an der gleichen Stelle. Kein direkter Blickkontakt, wenige Worte, keine Geräuschkulisse. Stunde umd Stunde kam sie mir näher, vorsichtig und bedächtig. Ich streckte nicht meine Hand nach ihr aus, sondern wartete zu, bis, ja bis sie sich an mich ankuschelte. Ohne Ankündigung - einfach so.
Gib Deinem Hund Zeit und Raum, soviel er braucht und schenke ihm Reizarmut, in dem Du ihm den Radius Deiner Welt ganz lang- und behutsam nahebringst.
Für meine Hündin bedeutete das: Zwei Wochen Haus und Garten und alle, die damit zusammenhängenden neuen Geräusche. Das war Stress genug für sie.
Und noch etwas ganz Wichtiges: Verinnerliche, dass das Wichtigste in eurem Zusammenleben darin besteht, dass es Dir an jedem Tag gut gehen möge.
Das klingt wie ein schnöder Programmsatz, hilft Dir aber zu vermeiden, dass Du unvorhersehbaren Entwicklungen hinterrennst und nur reagierst.
Sei Du von Anfang an der Bestimmer, lobe Gutes, aber unterbinde stante pede und konsequent unerwünschtes Verhalten.
Und sollte Dein Hund bei den ersten Spaziergängen in neuer Umgebung angstvoll zirkeln, dann brich nicht ab und kehre um.
Ich habe gelernt, dass sich meine angsterfüllte Hündin den ihr Angst bereitenden Situationen stellen und nicht durch sie hindurchrennen soll. Setzt in einer solchen Situation eine Angst- oder Panikattacke ein, sollte man nicht umkehren, weil dieser Umkehrpunkt immer wieder ein Auslöser für künftige Attacken sein kann.
Daher lautet die Devise: Stehen bleiben und - soweit möglich - sich Zeit nehmen.
Mein hündischer Angsthase zog mit eingezogener Rute, ich blieb stehen und sagte mit sachlicher Stimme ein langgezogenes "Bei", in Abständen von vielleicht 30 Sekunden. Zu Anfang brauchte es bis zu gefühlten zwei, drei Minuten, bis sie sich an mich anschmiegte und verängstigt die Umwelt betrachtete. In der ersten Woche setzte ich sie diesen Stressituationen, in denen sie auch nur bedingt ansprechbar war, für max. 15 Minuten aus. Wir drehten dabei eine Runde, liefen also nicht die gleiche Strecke wieder zurück.
In dem Maße, wie sich ihre Angst verringerte, erhöhte sich ihre Aufmerksamkeit, verminderte sich das Ziehen an der Leine.
Nach drei Wochen waren ihr nur noch gänzlich fremde Hunde suspekt. Dann wickelte sie sich um mein Bein.
Nach fast fünf Monaten berührt sie selbst ein dauerkläffender Dackel nicht mehr. Gelangweilt schaut sie mich dann an, als wolle sie sagen: "Große Klappe, nix dahinter."
Lange Rede, kurzer Sinn: Geduld und Spucke und das dem Hund zu vermittelnde, gute Gefühl der Souveränität waren die Schlüssel zum Erfolg.
Ich wünsche euch zweien alles Gute und viele Erfolgserlebnisse für die kommenden Wochen und Monate. Und denke daran: Es soll Dir gut gehen - an jedem Tag.
Gruß
Bernd