Und noch einer:
NEONAZI-FESTNAHME
„Es war wie im Fernsehkrimi“
VON UNSERER REDAKTEURIN ULRIKE SCHERB
Kassel - Schreck am frühen Morgen. Von den Schüssen, mit denen am Mittwoch zwei Kampfhunde in der Trottstraße getötet wurden, wachten die Nachbarn auf. Ein Polizeieinsatz, bei dem der Neonazi Bernd Tödter festgenommen wurde. Vorübergehend.
„Gegen sechs Uhr tat es Donnerschläge“, erzählt die Frau. Am Mittwochmorgen in der Trottstraße in Bad Wilhelmshöhe. Die Frau will anonym bleiben. Aus Angst. Aus Angst vor ihrem Nachbarn und dessen Umfeld: dem 27-jährigen Neonazi Bernd Tödter, der am Mittwochmorgen bei einem Einsatz des Sondereinsatzkommandos (SEK) der Polizei festgenommen wurde.
Ein Einsatz, bei dem die beiden Kampfhunde des Mannes erschossen wurden. Tödter stand unter dem dringenden Tatverdacht, volksverhetzende Musiktitel ins Internet gestellt zu haben.
Die Frau, die in der Nachbarschaft wohnt, kennt den Mann vom Sehen. Mit Springerstiefeln und Bomberjacke sei der Mann immer rumgelaufen. Portugiesische Nachbarn, die im gleichen Haus wie der 27-Jährige gewohnt haben, sollen Angst vor ihm und seinen Bekannten gehabt haben. Um den Pöbeleien des Rechten zu entkommen, sind die Nachbarn erst kürzlich ausgezogen.
In dem Acht-Familien-Haus steht an keinem Klingelschild der Name Tödter. Nach Angaben der Polizei ist der 27-Jährige nirgends gemeldet. Offenbar lebt Tödter hier unter einem Pseudonym.
„Der wohnt da oben mit seiner Frau und einem kleinen Kind“, erzählt eine andere Nachbarin. Auch sie und ihr Mann sind durch den fürchterlichen Lärm im Haus wach geworden. „Wir sind aus dem Bett geflogen. Es hat geknallt, wir haben gedacht, was ist denn jetzt los.“
Nach den Schilderungen der Polizei wollten Beamte des SEK am Mittwochmorgen nach einem richterlichen Beschluss in die Tödter-Wohnung eindringen. Als die Polizeibeamten die Wohnungstür öffneten, seien sie von zwei Hunden, „augenscheinlich trainierte Kampfhunde“, angegriffen worden, so Polizeisprecher Volker Pieper. Die Beamten hätten keine andere Wahl gehabt, als die Hunde der
Rasse Stafford zu erschießen.
Diese Schüsse sind die Donnerschläge, die die Nachbarin gehört hat. Dazu kam noch Gebrüll. „Kinder und Leute haben geschrien.“ Zwei Stunden lang beobachtete die alte Dame, was sich im Nachbarhaus abspielte.
„Es war wie im Fernsehkrimi.“ Sie sah auch, wie die Polizei, („rund zehn Mann waren das, mit Helmen und Visieren, ich dachte, das ist die GSG 9“) zwei blaue Säcke aus dem Haus trug. Aus denen sei Blut getropft. „Sehen Sie dort auf dem Bürgersteig, kann man das Blut der Hunde noch sehen.“
Als die Hunde noch lebten, habe sie es möglichst vermieden, mit ihnen Kontakt zu haben, sagt die Frau. „Ich war nur platt, als ich gesehen habe, dass kleine Jungen die Hunde ausgeführt haben. Die waren vielleicht zehn Jahre alt.“
Tödter kokettierte offenbar gern mit der Gefährlichkeit seiner Kampfhunde. Neben seiner Wohnungsklingel hängt ein Schild mit der Aufschrift „Achtung Wachund, Sie könnten der Nächste sein.“ Dazwischen eine Strichliste mit Briefträgern, Gerichtsvollziehern oder lästigen Verwandten.
Nachdem die Polizei die Kampfhunde erschossen hatte, wurden in der Wohnung von Bernd Tödter eine Schreckschusswaffe, die einer Polizeiwaffe täuschend ähnlich sein soll, sowie umfangreiches Propagandamaterial der rechten Szene aufgefunden. Eine weitere Waffe sei in Tödters Auto gefunden worden.
Der Mann, dessen Festnahme am Mittwochmorgen für viel Lärm in der Trottstraße sorgte, kam am Mittwochnachmittag wieder auf freien Fuß. Die Staatsanwaltschaft sehe nach Sichtung des Beweismaterials keinen Grund mehr für die Beantragung eines Haftbefehls, so Polizeisprecher Pieper.
Hessische Allgemeine 11.04.02
Beckersmom
SUAVITER IN MODO - FORTITER IN RE