Hallo, Cobi1984,
ich habe den Eindruck, daß Deine Frage hier im Forum ein wenig untergegangen ist. Da ich seit 1/2 Jahr Kontakt zu einem Kangal habe, der inzwischen mein eigener Hund ist, kann ich Dir vielleicht weiter helfen. Ich glaube nämlich, daß die ganzen Schauergeschichten nur dadurch aufgekommen sind, daß diese Hunde ganz anders reagieren, als wir es gewohnt sind.
Mein neuer Freund ist aus dem Tierheim. Er ist ca. 7 J. alt, wurde 2,5 J. im Tierschutz betreut und galt dort als besonders schwierig. Da er der "King" war, suchte er sich die Leute aus, die zu ihm durften, und biß auch ein paarmal kräftig zu, wenn es nicht nach seiner Schnauze ging. Nach dem Tod meiner Hündin suchte ich gerade einen neuen Begleiter, fand aber zunächst kein passendes Tier. Als ich das Tierheim unverrichteter Dinge wieder verlassen wollte, schmiegte sich dieser "Teufel" an das Gitter, als bettelte er um Streicheleinheiten. Zunächst wurde mir ein Probe-Spaziergang verweigert. Ich sei zu klein, zu alt, zu schwach und der Hund tue dies und das auf gar keinen Fall - dann kam eine lange Liste. Schließlich erbarmte sich eine der Betreuerinnen und ließ uns beide probelaufen. Ich muß gestehen, daß ich mich 14 Tage später ernsthaft fragte, ob ich mir dieses Ungeheuer wirklich antun sollte. Nun, das Ergebnis habe ich oben schon vorweggenommen. Wir haben die Liste systematisch abgearbeitet. Als letzten Punkt hat er vor 3 Tagen endlich auch meine beiden Katzen akzeptiert, die gehen jetzt genauso beim abendlichen Spaziergang mit, wie sie das beim verstorbenen Hund auch getan haben. Der nicht einmal stubenreine (hat im Tierheim seine eigene Decke regelmäßig bepinkelt), mit vielen Macken gesegnete und bissige Hund hat sich in 1/2 J. zu einem freundlich/friedlichen Mitbewohner entwickelt. Das finde ich, ist eine stramme Leistung von diesem Tier ! Ich bin froh, daß ich nichts über Kangals gelesen habe (ich wußte nicht einmal, was das für Hunde sind), bevor ich dem Hund begegnet bin, sondern unbefangen beobachten und meine Schlüsse ziehen konnte. Und die teile ich Dir hier mit:
1. Mein Kangal ist ein sehr kluges Tier. Er ist einfühlsam und anpassungsbereit. Die leisen Töne in einer Beziehung beherrscht er bis zur Perfektion. Es gibt z.B. keine überschwenglichen Begrüßungen, dafür aber einen leisen und sanften Stubser an die Hand. Ich habe beobachtet, daß er sich gern wieder zurückzieht, wenn er nicht verstanden wird (er kann ja auch ohne Mensch leben). Fühlt er sich aber verstanden, tut er alles für seinen Menschen, er führt dann auch völlig unsinnige Befehle aus (Pfötchen geben u.a.). Diese eher lautlose Beziehung scheint das A und O für den Lernwillen des Hundes zu sein. Ich könnte mir vorstellen, daß da schon viele Fehler gemacht werden, weil Unkundige eben ein genormtes Hundebild im Kopf haben und vom eher introvertierten Kangel deshalb enttäuscht werden.
2. Wichtig ist, daß man die Beziehung nicht "vermenschlichen" kann. Mein Kangal bleibt immer Hund und erwartet von mir, daß ich das Frauchen bin. Wenn ich ihn zum Partner oder Kind mache (in meinem Kopf), wird er sofort dominant und will sich mit allen Mitteln durchsetzen. Eine klare Rang-ordnung und Konsequenz sind also unbedingt erforderlich.
3. Sein Freiheitsbedürfnis ist enorm. Mein Hund gehorcht super, wenn er frei laufen kann. Wenn ich ihm die Leine anlege, wird es wesentlich schwieriger. Die Einsicht und erst recht die Konsequenz daraus erforderten doch am Anfang eine gehörige Portion Mut, aber der Einsatz hat sich gelohnt.
4. Das Territorialverhalten kann man dadurch abschwächen, das man den Hund schon als Welpen zu Besuchen und an möglichst viele Plätze mitnimmt. Es geht auch noch bei älteren Hunden, wie ich täglich erfahre. Häufig denselben Weg zu gehen findet der Hund von sich aus langweilig, er liebt die Abwechslung. Die Verteidigungsbereitschaft habe ich in den Griff bekommen, indem ich ihn in kitzeligen Situationen Platz machen lasse und ihn ganz wild hinter den Ohren kraule.
5. ....6... wird wohl noch kommen, denn wir arbeiten täglich weiter - z.Zt steht "komm" und "hier" auf dem Programm.
Du siehst, die meisten Hunde sind von Natur aus keine Ungeheuer und Deiner wird sich auch nicht dazu entwickeln, wenn Du ihn beobachtest und Deine Erziehung auf ihn abstellst - Null-acht-fuffzig-Hunde-Erziehungs-Anweisungen greifen beim Kangal nicht. Und das finde ich gerade so spannend. Es ist ähnlich wie in der Kindererziehung: Es gibt ein Problem und man kann sich Gedanken machen, wie man es löst. Und wenn man es gelöst hat, ist das eine große Befriedigung für beide Seiten. Wen ich gewußt hätte, was mich erwartet, hätte ich mir schon früher einen Kangal zugelegt, es wird nie langweilig.
Und nun wünsche ich Dir viel Freude an Deinem neuen Rudelmitglied - laß dich bloß nicht von irgendwelchen Vorurteilen abschrecken.