Das mit dem unterschiedlich gern haben funktioniert auch bei Einzelhunden - NACHEINANDER.
Ich glaube, solche Erfahrungen machen auch durchaus viele Einzelhundbesitzer. Da gibt es in der Geschichte der Hunde, die man hatte, DEN EINEN, der wirklich ganz besonders war. Alle anderen waren auch tolle Typen, aber diesen Einen vermisst man immer noch ganz besonders. Gibt's auch bei anderen Haustieren.
Man muss deshalb auch kein schlechtes Gewissen haben. Die anderen Hunde wissen das ja nicht (man sollte es sie halt auch nicht spüren lassen, Liebe geht durch's Herz, Zuwendung durch den Kopf).
Nachdem unsere letzte Bully-Hündin Fancy gestorben war (für uns ein ganz besonderer Hund), hatte sie eine derartige Lücke hinterlassen, dass wir einerseits ihre Abwesenheit und die Ruhe im Haus kaum ertragen konnten. Andererseits war uns rational aber bewusst, dass wir keine zweite Fancy bekommen werden mit einem neuen Hund (was wenig daran ändert, dass eine Ecke im Herzen sich das trotzdem weiter wünscht, kann man nur ganz schwer abstellen).
Schliesslich nach dem Entschluss für neuen Hund, einen Welpen, fassten mein Mann und ich beide den festen Vorsatz, dem neuen Hund eine echte Chance zu geben, er selbst zu sein und auch charakterlich einfach total anders, als Fancy. Wir versuchen einfach, uns nach bestem Wissen und Gewissen auf ein ganz neues Wesen einzustellen und uns auch darauf zu freuen.
In der Realität musste ich mir das dann bei Mila ganz bewusst immer wieder klar machen.
Wir verglichen anfangs beide Hunde ständig, was natürlich emotional und irrational ist, schon allein weil man die Erinnerung an das Zusammenleben zuletzt mit einem alten Hund überhaupt nicht mit einem Welpen vergleichen kann. Bei uns war das sicher auch noch Teil des Verarbeitungsprozesses. Das kannte ich von früheren Hunden oder anderen Haustieren, die ich hatte, in diesem Ausmaß nicht.
Wir verwechselten noch jahrelang die Namen der beiden. Und ich spürte so stark, dass mein Mann in den ersten Monate Probleme damit hatte, das kleine Bündel Hund so richtig nah an sich heran zu lassen, dass ich schon fast überlegte, ob wir mit dem neuen Welpen vielleicht einen Fehler gemacht hatten in dem Sinne, dass ich Sorge hatte, er würde mit dieser Entscheidung nicht so recht glücklich werden.
Während mein Mann mit seinen Gefühlen sehr fair und rational umgehen kann, habe ich da so manchmal meine Probleme. Deshalb wollte ich der durchaus möglichen Entwicklung meiner Gefühle zu einem Status, in dem ich letztlich dem anderen Charakter des neuen Hundes doch keine Chance gebe und ihn dann auch nicht so wirklich gern habe, unbedingt aktiv entgegenwirken.
Mila trat nicht nur eine schwere Nachfolge an, sondern war auch der erste Welpe, mit dem ich seit meinen Kindertagen wieder zu tun hatte. Und ich freute mich einerseits auf die "niedlichen" Tage, gruselte mich aber irgendwie ein bisschen auch vor den "wilden, unsauberen und ungehorsamen ...".
Den Hund einfach wieder abzugeben wäre nie eine Option, die für uns in Frage kam. Zu den Hunden, die wir uns ins Haus holen, stehen wir. Aber es wäre schade gewesen, wenn sich aus dieser neuen Gemeinschaft im Prinzip auch nie wirklich mehr, als eine Duldungsbeziehung entwickelt hätte.
Deshalb hatte ich angefangen, mich schon vor Mila's Eintreffen bei uns intensiver als jemals zuvor mit Hunde- und speziell Welpentraining zu beschäftigen. Mein Ziel war es, noch viel besser als bisher zu verstehen, wie Hunde "so ticken" und mit diesem Verständnis sowie mittels Training auch Situationen mit dem Welpen meistern zu können, die mich andernfalls vielleicht hilflos und verständnislos hätten dastehen lassen und in deren Folge ich mich vielleicht über den Hund geärgert und ihn dann weniger gern gehabt hätte.
So funktionieren wir Menschen halt leider manchmal, wenn wir uns nur von unseren Emotionen steuern lassen - oder bin das nur ich?
Im Endeffekt ist Mila wirklich komplett anders, als Fancy und auch ein durchaus anspruchsvoller Charakter. Aber wir sind von Beginn an gemeinsam gewachsen und haben eine sehr gute Bindung zueinander aufgebaut. Auch bei meinem Mann brach das Eis, als er erkannte, dass sie zwar sehr schlau und fordernd ist, aber genau deshalb auch sehr gerne und gut mitarbeitet, wenn man sie ausreichend führt und fördert. Sie hat ein sehr starkes Temperament, aber sie ist dabei unheimlich fair und kooperativ, wenn man ihr den Raum dafür lässt. So langsam wird sie auch immer sensibler und anhänglicher und entdeckt auch die Vorzüge des Kuschelns.
Letztendlich hat sie mit sehr viel Witz und Charme unsere Herzen erobert und wir sind heute alle ein ganz starkes Team.
Ich liebe sie - zwar irgendwie anders als Fancy - aber inzwischen genauso sehr und möchte sie nicht mehr missen.
Sie ist ein toller Hund und ich bin froh, dass wir uns die Chance gegeben haben, das zu erkennen und bin froh, dass sie bei uns ist.
@FrenchBully
Vielleicht geht es Dir mit Deinem Bully trotz der Anlaufschwierigkeiten irgendwann ganz unerwartet genauso.
Liebe kann auch sehr gut wachsen.