Ein paar Tipps für Freunde und Feinde der Stadthunde

Kai

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An der Leine

Ein paar Tipps für Freunde und Feinde der Stadthunde

Gerhard Mauz

Auf Hamburgs Ersten Bürgermeister Ortwin Runde ist am 1. Mai ein Attentat verübt worden, das nicht mit dem Datum zu tun hatte, weder mit Arbeitslosigkeit noch mit Überstunden. Runde wurde nicht verletzt, musste aber seinen Anzug wechseln. Sven S., 28, hatte ihn aus einer Wasser-Pumpgun mit roter, indischer Lebensmittelfarbe bespritzt. Dass es zu dem Anschlag in Hamburg und nicht in Berlin kam, ist leicht zu erklären. Der Name des Regierenden Bürgermeisters Diepgen hätte den Chor, der den Angriff begleitete, nicht möglich gemacht: "Ortwin Runde / tötet Hunde." Auch eine Organisation wie "Die Tierbefreier" weiß längst, wie man mediale Marken setzt. Runde hat Strafanzeige erstattet, und so wird es wohl (etwa wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung) dazu kommen, dass vor Gericht ausgebreitet werden kann, was die "Kampfhundeverordnung" für die Tierbefreier ist - Mord nämlich.

"Das hat wieder gezeigt", sagte der Erste Bürgermeister Hamburgs, nachdem er wiederhergestellt war, "dass das Problem mit den Kampfhunden auf beiden Seiten der Hundeleine liegt". Und er sagte auch, dass "wir uns von solchen Angriffen in unserer Politik nicht beirren" lassen. Nun ja, auch das ist heute Politik. Und das nicht erst in diesen Tagen.

Wussten Sie, "dass der absolutistische Staat, der 1830 in Berlin die Hundesteuer eingeführt hat, um die Hundehaltung der Unterschichten einzuschränken", inzwischen durch den demokratischen Rechtsstaat abgelöst worden ist, dass sich aber seither "am Rahmen nichts geändert" hat? Denn: "Der Hund gilt nach wie vor, seiner Beliebtheit bei einer erklecklichen Minderzahl von Stadtbewohnern ungeachtet, als ein Element, das die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährdet."

Von der Berliner Publizistin Katharina Rutschky (mediale Marke: Sie wurde 1999 mit dem Heinrich-Mann-Preis für Essayistik ausgezeichnet), ist in diesem Jahr (bei Rowohlt, 223 Seiten) "Der Stadthund" erschienen, das Buch, aus dem hier zitiert wird, und das gerade anlässlich des Runde-Attentats von größtem Interesse ist. Auch sein Untertitel "Von Menschen an der Leine" erinnert - wie Ortwin Rundes Kommentar - daran, dass sich nicht nur der Hund an der Leine befindet.

Von Hunden und Kindern

Hundefreunde wie Hundefeinde sollten Katharina Rutschky lesen. Die einen, um darüber nachzudenken, warum und wie sie einen Hund brauchen, was das Tier ihnen gibt, ihnen ersetzt und was es ihnen erträglich macht. Und die anderen darüber, ob und warum sie das Feindbild Hund nötig haben, einen Feind, der für manchen sogar noch vor dem Raucher, diesem Verbrecher, kommt. Im "Stadthund" finden sich Gedanken zur "parallelen Entwicklung von Tier- und Kinderschutz", denen man sich stellen sollte: "So viele Hundeverordnungen gegen Hunde, so viele Verordnungen gibt es gegen frei laufende Kinder seit dem 19. Jahrhundert in den Städten. Dabei hatten die Kinder noch Glück im Unglück, denn sie verschwanden aus dem öffentlichen Raum bloß in die Reservate des Kindergartens und der Schule, wo sie als Lernarbeiter doch noch dem Gebot einer rationalen Lebensführung angepasst werden konnten. Als Lernende wird in sie investiert und auf spätere Rendite gehofft. Der Preis ist eine Kinderferne der Gesellschaft, oft als Kinderfeindlichkeit denunziert, die mit sozialpolitischen Anstrengungen allein nicht mehr zu beheben ist." (Rutschky)

Das Verhältnis der Menschen zu den Tieren ist seit Creutzfeld und Maul- und Klauenseuche, seit Leichenbergen in ein vordergründiges, rasch wieder verdrängtes Gespräch geraten. Und der Umstand, dass Tiere mit Mehl gefüttert wurden (und werden?), das man aus den Kadavern von ihresgleichen gewinnt, hat nur wenige entsetzt.

Wer es streng wissenschaftlich will: Die Kieler Verhaltensforscherin Dr. Dorit Feddersen-Petersen, eine angesehene, immer häufiger bemühte Sachverständige, hat (etwa in "Hunde und ihre Menschen", Kosmos, 207 Seiten), festgestellt: "'Kampfhund' als Sammelbegriff für bestimmte Hunderassen, nämlich die angeführten ,Doggenartigen', ist biologisch unsinnig und unhaltbar ...". Und es heißt dort: "Schuldig sind einzig und allein die Hundehalter, die bestimmte Rassen für ihre verwerflichen Zwecke (,Waffen ohne Waffenschein') benutzen."

In Hamburg kam im vergangenen Jahr der kleine Volkan durch zwei Hunde ums Leben. Sein Tod löste eine hektische Betriebsamkeit der Politik aus. Was da in Bildern und Filmen zu sehen war - da musste man tätig werden. Es passiert immer wieder etwas, auch durch Hunde, auch durch Hunde, die nicht auf der Liste der "Kampfhunde" stehen. Aber das erfährt man kaum. Bilder und Filme braucht es. Vielleicht gibt es einmal Bilder und Filme vom Tod eines Kindes auf dem Weg zur Schule oder zum Kindergarten, die etwas zur Sicherung dieser Wege bewirken.

Gerhard Mauz ist Autor des "Spiegel".
 
  • 28. April 2024
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