@guglhupf
Vielen Dank für deine religionsgeschichtlichen Ausführungen. Ich habe gehofft, du meldest dich hier zu Wort.
Ich hatte vorhin einen sehr langen Beitrag fast fertig und dachte auch, der würde eh hier irgendwie gespeichert. Er war jetzt allerdings weg, als ich wieder online war, und ich habe keine Zeit, ihn nochmal zu verfassen.
Zum Thema "die Ungarn als Buhmann", möchte ich ergänzend ausführen:
Was die Islamfeindlichkeit aus historischen Gründen angeht, hast du einerseits sicherlich recht, was die Balkanstaaten angeht - bei Polen aber mW nicht.
Andererseits glaubten noch im 19. Jahrhundert die Ungarn, sie hätten selbst türkische Wurzeln (bei der Suche nach engeren sprachlichen Verwandten waren sie in der direkten Nachbarschaft nicht fündig geworden und die vielen üs und ös klangen immerhin ähnlich) - aus diesem Grund ist das ganze ungarische Parlament (ein Gebäude aus dieser Zeit) innen im Treppenhaus und Eingangsbereich mir "orientalischen" Mustern verziert, um auf das damals gemutmaßte nationale Erbe der Ungarn hinzuweisen. - Und manchen Ungarn sind bis heute die Türken als irgendwie entfernte Verwandte gefühlt näher als die Finnen (die Sprachverwandtschaft mit denen scheint vielerorts als etwas Künstliches, "Herbeikonstruiertes" empfunden worden sein). - Das Verhältnis zur Türkei scheint also mindestens ambivalent zu sein.
Erst ein wirklich wagemutiger ungarischer Sprachforscher, dessen Name mir leider entfallen ist, hat dann zu Fuiß im Ural die wahren Sprachverwandten der Ungarn aufgespürt und gilt dort heute als Nationalheld.
(
@mama5 - du weißt doch sicher, wen ich meine, oder? Der hat mir sehr imponiert, aber den Namen weiß ich leider trotzdem nicht mehr.)
Auf der anderen Seite waren die ausgeprägten Ressentiments, die mir in Ungarn, als ich dort war, begegnet sind, eher gerichtet gegen Roma, Rumänen allgemein, Juden, Kroaten, Deutsche/Österreicher (okay, da leuchten mir die historischen Gründe ein), Russen (ebenso)... ich fand das extrem, auch zu einer Zeit, als das hier lange noch nicht so salonfähig war wie jetzt. Und das kann nicht alles mit "historisch begründeter Islamfeindlichkeit" erklärt werden.
Vielleicht eher schon mit sprachlicher und teils kultureller relativer Isolation und dem Gefühl, irgendwie auch im eigenen Land lange die sprachliche Minderheit gewesen zu sein...
Nur damit du nicht denkst, ich mache Ungarn zum billigen Buhmann. Ich bin in den 1990ern einige Male da gewesen, auch in ungarischen Familien, als ich einen Schüleraustausch betreut habe und habe über meine eigenen Erfahrungen/Beobachtungen geschrieben. Ich kann das nicht "wegdiskutieren". Weil ich es gesehen habe und es mir da schon aufgefallen ist. Gegen das, was dort verzapft wurde, waren unsere damaligen "Rechten" (auch die ganz rechten) Teils wirklich harmlos.
Die Tendenz zur Ausgrenzung und Abgrenzung gegen Minderheiten, aber auch nach außen gab es damals schon, und ich fand sie deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland, selbst bei Leuten mit vergleichbaren Einstellungen.
).
