Herr Chillie,
bei einem Krallenhalsband (das fälschlich auch "Stachler") genannt wird, sind die Krallen tatsächlich stumpf, und sie dienen dazu, den Druck stärker zu übertragen, als das ein geschlossenes Halsband kann - ohne sich "einzugraben", "blutige Wunden zu reißen" oder ähnliches.
Das kann - richtig eingesetzt - wenn man über Halsband/Leine arbeitet, und nicht über akustische Signale (weil der Hund vielleicht nicht gut oder gar nicht hört, aber eben auch, wenn man einfach mit dieser Methode arbeitet, weil man sie für sinnvoll hält), für den Hund sogar schonender sein, weil er ein Signal schon bei sehr leichtem Zug bemerkt, wo er bei einem anderen Halsband schon großen mechanischen Kräften ausgesetzt wäre.
Nicht, weil die Stacheln so sehr wehtunt und schwere Verletzungen hinterlässen, sondern weil sie ein kurzes, intensives, oberflächliches Signal vermittel, dass den Hund erreicht, ohne seine Wirbelsäule aus der Form zu bringen.
Ist bisschen schwer zu erklären, aber der Hund leidet de facto unter dem Stachelhalsband weniger, als wenn man ihn an einem normalen oder einen Kettenhalsband führen würde.
Auf den Trichter bin ich gekommen, weil ich (Hundeschule...) meinen Hund ne Zeitlang mit Stachel geführt habe. (Begründung siehe unten unter "ABER...") Er lief dann wesentlich besser an der Leine - und auch nach der Hundeschule und nach den Spaziergängen wesentlich besser insgesamt. Humpeln, Kopf tief halten, Beine zittern - war alles mit dem Stachler wesentlich weniger bis eine Zeitlang auch gar nicht mehr vorhanden. Ich musste weniger stark auf ihn einwirken, und er hat sich auch mehr geschont, weil ihm bewusster war, dass er an der Leine war.
(Nachteil: Wenn dann ein anderer Hund kam, wo ihm immer alles durchgeht, war dann sofort die Verknüpfung Hund-Schmerz da, weil dann der Stachler logischerweise auch nix bewirkt hat... ich hab dann nachher (allerdrings nur sehr kurz) dual geführt, sprich, Stachler zum normal Führen, Halti/Halsband für Hundebegegnungen, aber das nicht mehr ausgebaut, weil wir dann die neurologischen Befunde hatten und herauskam, dass ich ihn am besten eben gar nicht mehr am Halsband führe, und das sinnvollerweise auch nie hätte getan werden sollen.)
Okay - aber mal zurück von seltsamen Sonderfällen zu "ganz normalen Hunden" bei "ganz normalen Hundebesitzern", und damit zum ABER:
Das Problem am Stachelhalsband, wenn es im Dauereinsatz getragen und damit quasi ständig eingesetzt wird, ist logischerweise, dass der Hund sich daran gewöhnt. Solange es locker sitzt, nicht zu klein ist und sich nicht zusammenzieht, tut es ihm zwar nicht weh, aber sowie dann Zug auf die Leine kommt, ist es etwas unangenehm. (Ich gehe jetzt von normalen, stumpfen, nicht angespitzten Krallen aus.)
Aber es ist eben IMMER unangenehm, wenn Zug auf die Leine kommt. Der Hund gewöhnt sich dran und kann dann auch nicht mehr mit dem Krallenhalsband unterscheiden, ob und wann ihm ein Signal vermittelt wird, und wann sich "nur" die Leine spannt.
Sprich: Der Hund zieht wieder genau wie vorher, nur ist er durch ein normales Halsband jetzt so gut wie gar nicht mehr zu erreichen. Das Stachelhalsband ist sein normales Reizniveau, das andere wird ausgeblendet. Der Hund wird quasi "schwerhörig" (oder eher schwerfühlig).
So bin ich zu "meinem" Stachelhalsband gekommen (und ja, die Stacheln sind stumpf. Und nein, sie reißen auch bei einem durchdrehenden Dobermann keine Wunden.) Meine damalige Trainerin dachte angesichts des Verhaltens des Hundes, der Rasse und seiner Vorgeschichte, er sei von seinen ersten Besitzern genauso geführt worden wie euer Rotti, sprich, mit einem "Stachler" als normalem Halsband.
Ihr Plan war also, dem Hund die Grundbegriffe des Leinentrainings mit dem Stachler beizubringen, und dann nach und nach "zurückzubauen", erst auf Kette, dann auf normales Halsband. Das war bei ihr der einzige Fall, in dem sie selbst mit einem Stachler gearbeitet hat: Sie hat mit dem Halsband angefangen, das der Hund kennt, und ihn dann quasi umgewöhnt.
Hat bei uns nicht geklappt, war aber nicht ihre Schuld. Es gibt halt nichts umzugewöhnen, wenn die "Reizunempfindlichkeit" im Halsbereich und sonst überall von einer Rückenmarksverletzung herrührt, und nicht (oder nicht nur*) vom falsch eingesetzten Stachelhalsband.
(*Das der Hund übrigens tatsächlich kannte und überhaupt nicht negativ verknüpft hat. Ich hab's zuhause ausgepackt und zusammengebaut, und er kam angedackelt und war der festen Überzeugung, wir gehen jetzt spazieren, freu freu... - hat uns natürlich darin bestärkt, dass es so gewesen war, wie sie vermutet hatte... War halt leider doch nicht so.)
Lange Rede, kurzer Sinn:
Ich halte auch nichts davon, einen Hund ein Stachelhalsband dauernd, also quasi als normales Halsband tragen zu lassen.
Als Korrekturhilfe kann es im Einzelfall sehr sinnvoll sein, aber da ist es in der Tat genau wie mit dem Halti: Man KANN eine Menge verkehrt machen. Und zwar bei beiden.
Die ernstliche Verletzungsgefahr ist aber bei einem normalen, unangespitzten Stachelhalsband, wie man es im Zooladen kriegt, in der Tat geringer als beim Halti.
Ob die Schäden für den Hund durch Dauereinsatz auch geringer sind, ist eine andere Frage. Wie gesagt, ich halte davon nichts.