So, dann will ich auch mal!
ich kann ihm vorher 50 mal was aus dem Maul holen ohne dass er Theater macht, oder mich 50 mal auf der Couch rumdrehen ohne dass es ihn stört. Und beim 51. Mal dreht er völlig ab. Was soll das?
Schwer zu sagen, ohne die 50 Mal vorher und das 51. gesehen zu haben, aber: Wenn ihn das Umdrehen generell entweder stört oder verunsichert, könnte folgendes der Fall sein:
Situation: Du und dein Raptor liegen auf dem Sofa. Du drehst dich, Hund denkt sich (im übertragenen Sinne); "Musst das jetzt sein? - Na gut, schon vorbei."
Kurze Zeit später setzt du dich anders hin. Hund (im Halbschlaf
"Wahh, was ist DAS?"
Du drehst die wieder, Hund, schon leicht genervt: "Kann die das nicht mal LASSEN?"
Er könnte jetzt vom Sofa gehen, aber eigentlich liegt er gern da. (Terriersturkopf
). Er könnte dir die Meinung sagen - aber er will an sich keinen Streit mit dir. Außerdem weiß er im Prinzip, dass er dann Ärger kriegt. Also sagt er nichts und bettet sich wieder zur Ruhe.
Aber es kann der liebste Terrier nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Frauchen nicht gefällt. Er will schlafen, DU drehst dich dauernd, er erschreckt sich jedes Mal ein bisschen - und IRGENDWANN platzt ihm der Kragen.
Der Fachausdruck dafür ist "Triebstau" - der Effekt ist der gleiche, wie wenn man im Büro an einem Vormittag lauter unhöfliche und nervige Anrufer hatte, und immer nett und höflich ist - und irgendwann ruft einer zuviel an, und er kriegt es dann ab.
Wir haben schon alle möglichen Methoden versucht um ihn ruhig zu kriegen in einer solchen Situation. Sanfte und harte. Von der beruhigenden Stimme und Beschwichtigungssignalen bis hin zum Alphawurf/Schnauzgriff und Wegsperren. Alles führt mit Geduld zum Erfolg, dass er früher oder später den kürzeren zieht. Aber es kommt eben immer und immer wieder vor....
Wir haben gelernt ihm keine Angst zu zeigen, und auch schon die ein oder andere Bisswunde davon getragen. Aber er scheint es nicht zu verstehen.
Das wird auch immer wieder vorkommen, solange ihr bestimmte Situationen nicht anders angeht. Diese Unsicherheit verliert er ja nicht dadurch, dass er dauernd (und dauernd ANDERS) zurechtgewiesen wird - und dieser Triebstau ist eine Sache, an der der Hund nichts ändern kann.
Die meisten JRTs regen sich sehr schnell sehr auf ("geraten in hohe Trieblagen"), das war aufgrund ihres Jobs in früheren Zeiten ja durchaus auch so gewünscht. Das ist eine Eigenschaft eures Hundes, an der ihr im Grunde nicht viel ändern könnt. Und euch drauf einstellen.
Ab morgen gehen wir wieder in die Hundeschule. Unsere Trainerin meint, wir kriegen das wieder hin. Sie will ihn mit ihrer Schäferhündin zusammen spielen lassen, damit sie ihm zeigt dass er nicht der Boss ist. Ich habe Angst vor einem Blutbad...
Wenn du Angst vor einem Blutbad hast, setz deinem Hund, egal wie doof das bei "so einem Kleinen" aussieht, in Gottes Namen bei einer derartigen Gelegenheit einen Maulkorb auf. Dann brauchst du keine Angst zu haben, und er kann mit dem Maulkorb alle Verhaltensweisen zeigen, die er braucht - nur eben BEISSEN kann er nicht mehr.
Glaub mir, ich hab selbst einen "verrückten" Hund, nur mindestens 5 Nummern größer. Ich WEISS, wie ätzend man sich da fühlt.
Du schreibst in einem deiner Posts außerden: "Jeder Profi erzählt dir etwas anderes."
Wie sagte meine Hundetrainerin so schön: "Viele Wege führen nach Rom". Jeder Profi hat seine Erfahrungen mit gewissen Hunden gemacht und die Methode gefunden, die für ihn, mit den Hunden in seiner Umgebung, am besten funktioniert. Und für jeden Profi gibt es IMMER mindestens einen Hund, bei dem sie absolut versagt - manchmal hat er den nur noch nicht getroffen.
Wer wirklich gut ist, hat den Schneid, das offen zuzugeben.
Du selbst kannst als Besitzerin eines "nicht alltäglichen" Hundes nur eines machen. Gut zuhören, dir vieles ansehen, dann schauen, wie es auf deinen Hund wirkt, und dir aus allem, was du so hörst, das zusammensuchen, was für dich und den hund am besten ist.
Dein Hund scheint ziemliche Verlustängste zu haben (man nennt es auch Futterneid, aber ich denke, es geht eventuell noch um mehr). Wenn er aber trotzdem widerstandslos tauscht: Dann TAUSCHE. Wenn du einen Zweithund ins Haus holst, und doch eigentlich WEISST, dass dein Hund mit dem Futter Probleme macht, musst du die Hunde SOFORT getrennt füttern, mit einer geschlossenen Tür zwischen ihnen. Und NIE beiden gleichzeitig Leckerchen geben. Man kann daran arbeiten, aber BIS es soweit ist, muss man sich im Alltag drauf einstellen.
Du kannst nicht hoffen, dass dein Hund sich plötzlich normal verhält, nur weil du es lieber hättest, es wäre so. Glaub mir einfach, so schön es wäre, es passiert nicht.
Wenn er DIR gegenüber schwierig mit Futter und Spielzeug ist, warum sollte er einem anderen hund gegenüber anders sein?
(Ja, ich weiß: hinterher ist man immer schlauer... Glaub mir, dass ich bei meinem Monster schon viele "hinterhers" hatte.
)
Und jetzt mal zu seinem Verhalten bei Hundebegegnungen
Zu seinen Gegnern in der Hundewelt: Grundsätzliche steht er jedem anderen Hund immer erstmal freundlich gegenüber.
Ich kann mich irren - ohne ihn zu sehen, ist das schwierig zu sagen, aber man kann sein Verhalten nach deiner Beschreibung auch mühelos ganz anders deuten.
Vor meinem inneren Auge entstand unwillkürlich folgendes Bild:
Wenn wir beim Gassi gehen fremde Hunde treffen, zeigt er Beschwichtigungssignale pur. Er geht zuerst ganz langsam auf den anderen zu, wackelt mit dem Schwanz.
Ist der Schwanz dabei stramm nach oben gerichtet und wackelt nur leicht, kann das einfach ein Zeichen von Aufregung sein - und Unsicherheit.
Wenn er noch etwa 15 m Entfernung hat, legt er sich ins Platz, mit Kopf auf dem Boden und bewegt sich nicht.
Tut meiner auch. Und zwar guckt er die anderen nicht "freundschaftlich" an, dabei, sondern fixiert sie. Das heißt: Er TAXIERT sie. Sind die gefährlich? Wo ist der Schwachpunkt? - Fixieren heißt außerdem auch: "Falls du es böse meinst, komm mir nicht zu nahe. Ich hab dich genau im Blick und kann auch anders." - Das ist nicht notwendigerweise ein Zeichen von Agression, aber durchaus von "offensiver Unsicherheit"
Ich lobe ihn dann dafür immer, weil ich es toll finde dass er das von sich aus macht.
Die von dir dann auch noch bestärkt würde.
Erst wenn ich dann sage "Auf, geh hin", springt er freudig hoch und will mit dem anderen spielen.
Ist er jemals direkt aus dieser Position auf den anderen Hund losgegangen, oder kommt das immer erst später?
Wie gesagt: Da ich den Hund dabei nicht sehe, kann ich auch völlig daneben liegen. Aber denk mal drüber nach, ob nicht was dran sein könnte.
Für meine Interpretation würde auch diese Aussage von dir sprechen:
Bei Hunden die er schon kennt macht er das übrigens selten.
Die braucht er nicht zu taxieren, da weiß er, wie er sich zu verhalten hat.
So, und jetzt kommt das absolut faszinierende: Bei großen Hunden gibt es nach etwa 5 min grundsätzlich Ärger, aus Spiel wird Ernst. Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, wie das Ganze wirklich enden würde, da ich das Spiel dann immer abbreche.
Mit dem Nachsatz zusammen, dass er mit kleinen Hunden diese Probleme nicht hat, würde ich (rein spekulativ!) folgende Diagnose wagen.
1) Er ist in der Tat bei großen Hunden unsicherer als bei kleinen.
2) Im Spiel werden die ihm schnell zu grob oder er gerät ins Hintertreffen
3) Er ist nicht souverän genug - entweder er kriegt Angst, schiebt Frust oder beides. Folge: Die Situation kippt.
Da JRTs wie gesagt oft sehr triebstarke Hunde sind, ist er WESENTLICH schneller als viele andere Rassen auf einem recht hohen Erregungslevel, vor allem, wenn er nicht ausreichend ausgelastet ist. Dann ist er im übertragenen Sinne nervös, fahrig, hat Hummeln im Hintern und "explodiert" bei jeder Kleinigkeit. Dann entgleist das ganze, und dass er in dem Moment einfach kein Ende findet, liegt an der extrem hohen Trieblage, in der er sich befindet.
Es geht dann im wahrsten Sinne des Wortes mit ihm durch und er kommt einfach nicht zum Ende.
Stell dir vor, du hast dich über irgendwen SCHRECKLICH geärgert. Unabhängig davon, ob das nun "angemessen" ist oder nicht. Du bist SAUWÜTEND. Du willst der Person gerade ins Gesicht schreien, sie soll gefälligst dies oder das unterlassen, da tut sie es von sich aus und sagt: "Tschuldigung!" (und verzieht sich). Du KANNST eigentlich nun gar nichts mehr machen. Aber wütend bist du eigentlich, zumindest ne kleine Weile, immer noch. Das hoch drei, und du hast nen JRT, der sich grade in was reinsteigert.
Ich finde es durchaus sinnvoll, ihn in dem Moment aus der Situation raus zu nehmen. Ihn auszulasten ist sicher auch ne gute Idee, wobei ich nicht weiß, ob Agility wirklich so ne gute Idee wäre. (Also: ich weiß es nicht. Das ist keine Suggestivformulierung
Könnt mir vorstellen, für nen Hund, der sich so schnell aufregt, ist das gar nicht so gesund, weil ihn das eher aufputscht.
Also, vielleicht könnte man mal Fährtensuchspiele mit ihm machen, Dinge, wo er nicht nur ungerichtet powern kann, sondern sich konzentrieren muss. Und wo seine Selbstbeherrschung (von der hat er nämlich scheints nicht so viel) gefördert und bestärkt wird.
Ich meine als Ergänzung zum Powern, nicht anstatt.
Alles Gute und liebe Grüße,
Lektoratte