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Hallo,
hier ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 26.06.01
Umstrittene Gesetze über das Verbot von Import, Zucht und Handel
Der Kampf um die Kampfhunde
Ein Jahr, nachdem ein Kind zerfleischt wurde, ist der juristische Streit um die Haltung gefährlicher Tiere noch längst nicht beigelegt
Von Cathrin Kahlweit
Jan Ziekow hat keine enge Beziehung zu Hunden. Er selbst besitzt kein Tier. Dennoch befasst sich der Verwaltungsrechtler, Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, derzeit intensiv mit Hunderassen, Zuchtmerkmalen und Beißquoten. Ziekow bereitet im Auftrag des „Verbandes für das Deutsche Hundewesen“ (VDH) eine Verfassungsbeschwerde vor. Das „Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“, das der Bundestag nach langen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss schließlich im Frühjahr beschlossen hat, soll fallen – weil es, so der Verband, die Hundehaltung in Deutschland „massiv reglementiert“.
Ziekow ist Jurist und kein Hundeexperte; er formuliert die Klage mit kühlem Verstand und nicht mit heißem Herzen. Mit dieser rationalen Haltung steht er in der Debatte um die Bekämpfung gefährlicher Hunde ziemlich alleine da. Auch ein Jahr nach dem Überfall zweier Kampfhunde auf den türkischen Jungen Volkan in Hamburg ist die Erregung bei den Kampfhunde-Fans, aber auch bei den Gegnern dieser Tiere nicht abgeflaut.
Am 26.Juni 2000 wurde das Kind von zwei Pitbulls zerfleischt; die beiden Halter sind inzwischen zu einer Freiheits- und einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Bevölkerung war schockiert, die Politik reagierte hektisch mit der Verschärfung von Landesgesetzen zur Hundehaltung. Das Ergebnis: Alle Bundesländer haben unterschiedliche Listen von Hunden, die als besonders gefährlich gelten; je nach Land ist ihre Haltung und Zucht verboten – oder aber eine Wesensprüfung des Hundes und ein Hundeführerschein des Halters nötig. Die Bundesregierung hat Import, Zucht und Handel von vier Hunderassen verboten.
Feigheit vor dem Feind
Hinter den Kulissen, im Internet vor allem, konstruieren Hundefreunde gewagte Zusammenhänge („Wie sadistisch von der Regierung, Hitlers Geburtstag als Zeitpunkt für die Verkündung der geplanten Auslöschung einer unschuldigen Minorität zu wählen“) oder bezeichnen einen Polizisten, der einen Kampfhund erschossen hat, schon mal als „Hosenscheißer“, der „früher an der Front wegen Feigheit vor dem Feind erschossen worden“ wäre. Umgekehrt sehen sich die Halter von angeleinten und mit Maulkorb versehenen Tieren bei Spaziergängen Anfeindungen ausgesetzt.
Der VDH geht davon aus, dass ein Erfolg in Karlsruhe die Diskussion über Kampfhunde neu belebt – und ihre Tiere teilweise rehabilitiert. Derzeit werden von der Gruppe „Kampfhunde in Not“ noch Kläger gesucht, die „gut ausgebildete, freundliche, gehorsame Hunde“ vorweisen können und sich vor Repressalien nicht fürchten. Denn, so die Warnung: Wegen der „wachsenden Hundefeindlichkeit“ seien „Drohanrufe, der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen sowie Denunzierungen“ nicht auszuschließen. Per Fragebogen werden potentielle Kläger ausfindig gemacht, die „keinerlei Vorstrafen“ haben, ein „seriöses Auftreten“ an den Tag legen und ein Tier mit Hundeprüfung ihr eigen nennen. Bislang liegt erst ein Aktenordner mit Bewerbungen bei Professor Ziekow, der in einer Art „Casting“ auswählen soll, welche Kläger im Namen des Verbandes beim Bundesverfassungsgericht auftreten. Das Verfahren sei ein wenig ungewöhnlich, sagt Ziekow; normalerweise gebe es zuerst einen Kläger und dann eine Klageschrift. Er habe auch nicht vor, mit „jedem einzelnen Hundehalter sein Hundeleben durchzusprechen“. Andererseits sei es nur natürlich, dass die passenden Kläger zur Klage gegen das Kampfhund-Gesetz ausgesucht würden.
Jenseits aller Emotionen ist der Kampf gegen die unterschiedlichen „Gefahrtier-Verordnungen“ im Laufe des vergangenen Jahres zu einem juristischen Kleinkrieg zwischen Hundehaltern, Landesparlamenten, der Bundesregierung und der EU-Kommission geworden. Die Vorwürfe der Hundefreunde: Die Ländergesetze seien nicht koordiniert und die Listen gefährlicher Hunde willkürlich erstellt; nicht die Rasse, sondern individuelle Charaktereigenschaften besagten, ob ein Hund gefährlich sei oder nicht. Die Argumente der Gesetzgeber: Eine Reihe von Hunderassen (allen voran Bullterrier, Staffordshire Terrier, Pitbull und American Staffordshire Terrier) sei nachweislich besonders gefährlich; Auflagen für die Hundehalter reichten zum Schutz der Bevölkerung nicht aus; einzig ein Zucht- und Importverbot könne die Gefahren bändigen.
Eine Reihe von Ländergesetzen mit Listen gefährlicher Hunde, die im vergangenen Herbst entstanden, haben die Hundefans bereits gekippt. Die Oberverwaltungsgerichte Lüneburg und Schleswig urteilten im Frühjahr, die Indizierung von Rassen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Jedem Tier müsse seine Gefährlichkeit individuell nachgewiesen werden. Und die EU- Kommission hat bereits einen Brandbrief nach Berlin geschrieben: Das Importverbot für Pitbulls, Staffords und Bullterrier verstoße gegen die Warenfreiheit in der EU.
Auch Jan Ziekow sammelt in Speyer derweil fleißig Argumente gegen Rasselisten. Er ist sich sicher, dass das Bundesgesetz der Klage des VDH nicht standhalten wird. Der Jurist setzt dabei vor allem auf zwei Argumente: „Es kann nicht sein, dass ich einen bestimmten Hund in fünf Bundesländern halten, in fünf anderen Ländern aber nicht halten darf.“ Und: „Der Bund soll erst mal wissenschaftlich nachweisen, woraus sich die Gefährlichkeit eines Hundes ergibt. Allein aus der Rasse sicher nicht.“
hier ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 26.06.01
Umstrittene Gesetze über das Verbot von Import, Zucht und Handel
Der Kampf um die Kampfhunde
Ein Jahr, nachdem ein Kind zerfleischt wurde, ist der juristische Streit um die Haltung gefährlicher Tiere noch längst nicht beigelegt
Von Cathrin Kahlweit
Jan Ziekow hat keine enge Beziehung zu Hunden. Er selbst besitzt kein Tier. Dennoch befasst sich der Verwaltungsrechtler, Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, derzeit intensiv mit Hunderassen, Zuchtmerkmalen und Beißquoten. Ziekow bereitet im Auftrag des „Verbandes für das Deutsche Hundewesen“ (VDH) eine Verfassungsbeschwerde vor. Das „Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“, das der Bundestag nach langen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss schließlich im Frühjahr beschlossen hat, soll fallen – weil es, so der Verband, die Hundehaltung in Deutschland „massiv reglementiert“.
Ziekow ist Jurist und kein Hundeexperte; er formuliert die Klage mit kühlem Verstand und nicht mit heißem Herzen. Mit dieser rationalen Haltung steht er in der Debatte um die Bekämpfung gefährlicher Hunde ziemlich alleine da. Auch ein Jahr nach dem Überfall zweier Kampfhunde auf den türkischen Jungen Volkan in Hamburg ist die Erregung bei den Kampfhunde-Fans, aber auch bei den Gegnern dieser Tiere nicht abgeflaut.
Am 26.Juni 2000 wurde das Kind von zwei Pitbulls zerfleischt; die beiden Halter sind inzwischen zu einer Freiheits- und einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Bevölkerung war schockiert, die Politik reagierte hektisch mit der Verschärfung von Landesgesetzen zur Hundehaltung. Das Ergebnis: Alle Bundesländer haben unterschiedliche Listen von Hunden, die als besonders gefährlich gelten; je nach Land ist ihre Haltung und Zucht verboten – oder aber eine Wesensprüfung des Hundes und ein Hundeführerschein des Halters nötig. Die Bundesregierung hat Import, Zucht und Handel von vier Hunderassen verboten.
Feigheit vor dem Feind
Hinter den Kulissen, im Internet vor allem, konstruieren Hundefreunde gewagte Zusammenhänge („Wie sadistisch von der Regierung, Hitlers Geburtstag als Zeitpunkt für die Verkündung der geplanten Auslöschung einer unschuldigen Minorität zu wählen“) oder bezeichnen einen Polizisten, der einen Kampfhund erschossen hat, schon mal als „Hosenscheißer“, der „früher an der Front wegen Feigheit vor dem Feind erschossen worden“ wäre. Umgekehrt sehen sich die Halter von angeleinten und mit Maulkorb versehenen Tieren bei Spaziergängen Anfeindungen ausgesetzt.
Der VDH geht davon aus, dass ein Erfolg in Karlsruhe die Diskussion über Kampfhunde neu belebt – und ihre Tiere teilweise rehabilitiert. Derzeit werden von der Gruppe „Kampfhunde in Not“ noch Kläger gesucht, die „gut ausgebildete, freundliche, gehorsame Hunde“ vorweisen können und sich vor Repressalien nicht fürchten. Denn, so die Warnung: Wegen der „wachsenden Hundefeindlichkeit“ seien „Drohanrufe, der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen sowie Denunzierungen“ nicht auszuschließen. Per Fragebogen werden potentielle Kläger ausfindig gemacht, die „keinerlei Vorstrafen“ haben, ein „seriöses Auftreten“ an den Tag legen und ein Tier mit Hundeprüfung ihr eigen nennen. Bislang liegt erst ein Aktenordner mit Bewerbungen bei Professor Ziekow, der in einer Art „Casting“ auswählen soll, welche Kläger im Namen des Verbandes beim Bundesverfassungsgericht auftreten. Das Verfahren sei ein wenig ungewöhnlich, sagt Ziekow; normalerweise gebe es zuerst einen Kläger und dann eine Klageschrift. Er habe auch nicht vor, mit „jedem einzelnen Hundehalter sein Hundeleben durchzusprechen“. Andererseits sei es nur natürlich, dass die passenden Kläger zur Klage gegen das Kampfhund-Gesetz ausgesucht würden.
Jenseits aller Emotionen ist der Kampf gegen die unterschiedlichen „Gefahrtier-Verordnungen“ im Laufe des vergangenen Jahres zu einem juristischen Kleinkrieg zwischen Hundehaltern, Landesparlamenten, der Bundesregierung und der EU-Kommission geworden. Die Vorwürfe der Hundefreunde: Die Ländergesetze seien nicht koordiniert und die Listen gefährlicher Hunde willkürlich erstellt; nicht die Rasse, sondern individuelle Charaktereigenschaften besagten, ob ein Hund gefährlich sei oder nicht. Die Argumente der Gesetzgeber: Eine Reihe von Hunderassen (allen voran Bullterrier, Staffordshire Terrier, Pitbull und American Staffordshire Terrier) sei nachweislich besonders gefährlich; Auflagen für die Hundehalter reichten zum Schutz der Bevölkerung nicht aus; einzig ein Zucht- und Importverbot könne die Gefahren bändigen.
Eine Reihe von Ländergesetzen mit Listen gefährlicher Hunde, die im vergangenen Herbst entstanden, haben die Hundefans bereits gekippt. Die Oberverwaltungsgerichte Lüneburg und Schleswig urteilten im Frühjahr, die Indizierung von Rassen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Jedem Tier müsse seine Gefährlichkeit individuell nachgewiesen werden. Und die EU- Kommission hat bereits einen Brandbrief nach Berlin geschrieben: Das Importverbot für Pitbulls, Staffords und Bullterrier verstoße gegen die Warenfreiheit in der EU.
Auch Jan Ziekow sammelt in Speyer derweil fleißig Argumente gegen Rasselisten. Er ist sich sicher, dass das Bundesgesetz der Klage des VDH nicht standhalten wird. Der Jurist setzt dabei vor allem auf zwei Argumente: „Es kann nicht sein, dass ich einen bestimmten Hund in fünf Bundesländern halten, in fünf anderen Ländern aber nicht halten darf.“ Und: „Der Bund soll erst mal wissenschaftlich nachweisen, woraus sich die Gefährlichkeit eines Hundes ergibt. Allein aus der Rasse sicher nicht.“