Grundsätzlich finde ich - egal welches Erziehungsproblem betreffend - den hier schon mehrfach geäußerten Tipp, ZUERST zu managen und gleichzeitig unter KONTROLLIERTEN Bedingungen zu üben, absolut richtig.
Abgeleint wird eben erst, wenn der Hund auch in diesem Zustand zuverlässig abrifbar und kontrollierbar ist und man sich selbst das auch zutraut.
Hunde brauchen beim Lernen Zeit, viel Wiederholung und Raum für Konzentration. Einer der häufigsten Fehler bei der Hundeerziehung ist, den Hund IN der Alltagssituation, auf die man ihn eigentlich mit Training vorbereiten möchte, trainieren zu wollen. Dabei ausser Acht lassend, dass die für alle Seiten stressige Alltagssituation, die man so entschärfen möchte, alles andere als eine GEEIGNETE Trainingssistuation ist.
Also erstmal managen, solange es eben notwendig ist, sprich in der Reizumgebung nicht ableinen etc. Und extra Zeit für Training einrichten, ruhige Trainingsbedingungen mit wenig Ablenkungen und Einflüssen schaffen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, je nachdem, an welchem Problem man arbeiten muss.
Trainer und Hundeschulen können da Fluch oder auch große Hilfe sein.
Leider muss man individuell seinen besten Weg finden.
Es gibt auch Probleme, bei denen findet man gar keinen Weg, die Alltagssituation im Training so reproduzieren, dass wirklich erfolgreich am Problem gearbeitet werden kann.
Dann bleibt man unter Umständen darauf angewiesen, dieses Problem solange der Hund lebt zu managen und kann sich an dieser Stelle eben NIE darauf verlassen, dass der Hund sein Verhalten ändert.
Ob das hier der Fall ist, kann ich nicht beurteilen. Aber gerade bei Unverträglichkeiten oder Angstverhalten von Hunden sollte man auch diese Möglichkeit immer im Hinterkopf haben.
In einem Punkt bin ich allerdings komplett anderer Meinung, als einige meiner Vorredner:
“Ein Hund, der Menschen anbellt, geht gar nicht” verallgemeinert Hundeverhalten meiner Meinung nach ein bisschen sehr arg.
Im Alltag zwischen Hund und Mensch und dann noch zwischen “Kampfhund” und Mensch wird heutzutage den Hunden viel oft einfach verwehrt, sich gemäß ihrer Natur und Instinkte zu verhalten.
Es wird vollkommen verkannt, dass selbst eine Drohung immer noch Kommunikation und nicht gleich Angriff ist.
In der Folge wird dem Hund schon das Drohen untersagt, was aber nicht unbedingt die zugrunde liegenden Unsicherheiten behebt. Die bleiben oft. Und wenn dem Hund das Warnen erstmal erfolgreich aberzogen wurde, ist meist der nächste Schritt die schlimmere Option - der Schritt nach vorn OHNE Vorwarnung.
Bellen als Drohgebärde in einer nicht bedrohlichen Alltagsbegegnung ist natürlich in der Tat ein unerwünschtes Verhalten. Und man sollte Wege finden, dem Hund zu vermitteln, dass Pöbeln an diesen Stellen nicht nur unerwünscht, sondern auch unnötig ist, weil nichts Bedrohliches in der Nähe ist.
Allerdings ist in meinen Augen Bellen bei Begegnungen nicht zwangsläufig jedes Mal ein Drohverhalten.
Das muss man sich wie bei vielen anderen Verhaltensweisen im Einzelfall genau anschauen.
Leider wird es oft genau so gedeutet, selbst von Hundebesitzern, die an sich wissen sollten, dass ein Hund weit mehr drauf hat, als eine Sorte von “Wau Wau”.
Noch schwieriger wird es meist mit Menschen, die selbst keine Hunde haben oder mögen. Und selbstverständlich potenziert sich das noch, wenn die betroffene Rasse in der Öffentlichkeit als gefährliche Rasse angesehen wird.
Die TE empfindet selbst ja auch das Bellen ihres Hundes als unangenehm. Insofern ist es auch aus diesem Grund sinnvoll, hier Lösungen zu finden.
Wenn man das Bellen nicht abstellen kann, es sich beispielsweise an der Leine fortsetzt, dann ist es aber eben evtl. sinnvoll, sich noch andere Strategien zu überlegen, als den Hund per Training “ruhigstellen” zu wollen.
Bellen dient der Kommunikation - aber bei weitem nicht nur der Kommunikation nur von Drohungen.
Die Ursache für Bellen, WENN es denn als Drohung eingesetzt wird, ist nicht selten Verunsicherung beim Hund.
Wenn man an dieser Ursache erfolgreich arbeitet, erledigen sich manchmal so einige “Marotten” mit einem Schlag, mit denen man vorher zu kämpfen hatte.
Möglicherweise legt sich das Problem schon, wenn der Hund sich in seine neue Umgebung besser eingelebt hat.
Mein Bulli ist sie reinste “Labertasche” - soweit ich weiss gar nicht so üblich bei dieser Rasse eigentlich, aber es gibt eben auch solche Exemplare unter den Bullterriern.
Mila hat ein enormes Repertoire an Tönen und Bellen und nutzt das auch gerne.
Sie geht zwar nicht direkt nach vorn und bellt los, wenn sie Menschen begegnet. Ich nehme mal an, das exakt ist
das Problem, um welches es hier geht und was auch am ehesten bedrohlich wirkt und beim Hund aus Unsicherheit … oder … oder … tatsächlich als eine “Flucht nach vorn” zu bewerten ist.
In solchen Fällen gewinnt man viel, wenn man an der eigenen Bindung zum Hund, seinem Vertrauen in die eigene Person als Hundeführer arbeitet und es gelingt, beim Hund grundsätzlich ein bisschen die Angst vor der Begegnung mit “Neuem” abzubauen.
Bei einem Tierheimhund kennt man selten die ganze Vorgeschichte, was zu unangenehmen Überraschungen führen kann und in bestimmten Situationen Verhalten zutage fördern, mit dem man nur schwer im Vorfeld rechnen kann.
Deshalb ist in diesen Fällen Vorsicht (managen/ vorbeugen) erst recht oberstes Gebot.
Trotzdem finde ich eben, dass man auch Bellen differenziert betrachten und bewerten sollte.
Auch mein Hund bellt Menschen - nicht nur, aber auch - aus Unsicherheit an.
Das ist der Fall, wenn jemand vor ihr stehen bleibt, sich nicht regt und sie anstarrt.
Fremde tun das gelegentlich gerne, wenn sie sie toll finden und ansehen, aber nicht anfassen möchten, nicht wissend, dass wenig Gestik und Stimme es dem Hund erschwert, die Situation einzuschätzen und ein unsicheres Verhalten eher noch fördert. Anstatt entweder einfach den Hund zu ignorieren und vorbei zu gehen oder, wenn man den Kontakt möchte, dabei keine “Starrwettbewerbe” anzufangen, sondern Gesten und Stimme zu zeigen, damit der Hund weiss, woran er ist, lösen manche durch ihr eigenes Verhalten das Problem selbst aus und merken es nichtmal.
Bei Mila kommt es auch vor, dass sie Menschen anbellt, um zu “erzählen” - man sieht ihr an und hört es auch, dass dies Sorte von Gebell nichts mit Drohungen zu tun hat. Wir haben ihr so eine Art “Flöten” aus dem Bellen heraus beigebracht, weil wir das so niedlich finden. Das setzt sie auch bei Wildfremdem gerne mal immer genau dann ein, wenn sie besonders positiv bei einer Kontaktaufnahme auffallen möchte, also genau das Gegenteil vom Drohen. Denn sie weiss, bei uns löst das jedes Mal Verzückung aus.
Wir haben schon oft festgestellt, dass Bellen bei vielen erst einmal negativ behaftet ist und manche Menschen verunsichert, weil ihnen Bellen eben nur als Drohverhalten bekannt ist.
Ohne Leine läuft unser Hund sowieso nur in Auslaufgebieten aber auch an der Leine “schwatzt” Mila ganz gerne mal.
Deshalb erklären wir in solchen Situation ab und zu, wenn es losgeht, dass sie “gerade erzählt, wie ihr Tag heute war” oder schon sieht, dass man sie streicheln will und ruft “na komm schon her und mach”. Vielen Menschen hilft das schon, ihr Bellen anders zu sehen.
Wenn Verunsicherung das Verhalten steuert, kann Leine auch mal kontraproduktiv sein. Aber nicht immer ist Ableinen dann die optimale Lösung. Wenn wir merken, dass unsere Erklärung nicht auf fruchtbaren Boden fällt, die Situation zu kippen droht oder die Menschen sehr ablehnend reagieren (was wir fast nie erleben), dann räumen wir einfach flugs und ohne viel Aufstand das Feld.
Mila lässt sich sehr schnell aus solchen Situationen lösen. Wenn das nicht klappen würde, dass wäre dies und das Arbeiten an Unsicherheiten wie gesagt mein allererster Trainingsansatz, bevor ich versuchen würde ihr Bellen selbst quasi abzustellen.
Ist jetzt ganz schön viel Text geworden.
Ich finde es halt einfach schade, dass heutzutage dem Hund jegliche natürliche Regung verwehrt wird, denn es könnte sich ja jemand erschrecken. Ich finde, ein bisschen mehr Aufklärung unter Menschen zum Einen und zum Anderen eben einfach verantwortungsvolles Verhalten bei Hundehaltern (z.B. nicht Ableinen und auf den Hund vertrauen, obwohl man weiss, es kann schief gehen) und einfach ein bisschen mehr Kommunikation bei Begegnungen mit anderen Menschen würde meiner Ansicht nach Wunder wirken. Und wir müssten unseren Hunden nicht jede tierische Zuckung verbieten.
Ich kenne die Situation der TE nicht im Detail und kann daher nicht beurteilen, wieso ihr Hund eigentlich bellt. Aber das allein ist für mich eigentlich auch schon Grund genug, zu sagen: “Bellen geht gar nicht” vereinfacht das Ganze etwas zu sehr.