Beide Ansätze (der reizarme, mit langsamer Steigerung der Toleranz, und die Reizüberflutung) haben Aspekte, die für sie sprechen und ihnen Erfolg verschaffen können.
Der größte Nachteil am "erst reizarm, dann steigern"-Ansatz ist, dass der in bestimmten Gegenden (und ich denke, der Wohnort von
@momomo gehört genauso dazu wie meiner) fast nicht durchzuführen ist, wenn das Feindbild andere Hunde oder Spaziergänger sind.
Wir haben andererseits (unter Anleitung) anfangs etwas Ähnliches versucht wie HSH Freund, und das ging nach hinten los - bzw. es funktionierte, aber nur zeitweilig - an dem betreffenden Tag ergab sich der Hund in sein Schicksal und tolerierte alles mögliche - dafür schlug er beim nächsten beliebigen Ansatz prophylaktisch schon vorher Krach und regte sich auf, weil er sich gemerkt hatte, unter den und den Umständen komm ich in Situationen, die unangenehm sind... Und egal wie nett ich mich benehme, das einzige, was mir passiert ist, dass ich es dann noch länger aushalten muss.
Wir hatten anfangs einen Hund, der gern und ruhig Auto gefahren ist. Nachher einen, der im Auto vor allem bei längeren Fahrten total hohl gedreht hat, weil er dachte, es geht wieder zum Training (also zur Hundekonfrontation). Das hat sich zwar noch etwas später auch wieder gegeben, aber bis zu seinem seligen Ende hat er zB auf den Weg zu meinen Eltern (er kannte auch jede Strecke, die wie öfter gefahren sind) sich erst entspannt und aufgehört, zu piensen, wenn wir nach ca. 20 Minuten an der Abfahrt zu meiner früheren Trainerin vorbei waren und er sicher war, dass wir
da garantiert nicht hinfahren.
Ich denke, bei ihm war es so - der drehte so hoch, dass er sich in solchen Situationen gar nichts gemerkt hat - außer: "Das war so richtig kacke, das will ich nicht nochmal." - Die Botschaft "So schlimm war's doch gar nicht, und passiert ist mir auch nix, und irgendwo war es doch sogar ganz nett" ist im Hirn irgendwie nicht hängengeblieben.
Muss man vielleicht probieren - wenn es nicht klappt, merkt man es eigentlich schon beim zweiten, spätestens beim dritten Mal - wenn es dann nicht besser, sondern schlimmer wird, würde ich von meinem heutigen Standpunkt aus nicht weitermachen.
Ich denke, Du wirst wieder Gerri meinen, ja?
Deshalb schrieb ich zum Beispiel auch, dass der Hund dafür wirklich gesund sein muss, damit er in der Lage ist die Reize zu verarbeiten.
Leidet man unter einer Schilddrüsenunterfunktion wie ich z.B., stürzen sämtliche Reize völlig ungefiltert auf einen ein und man hat keine Chance sich dagegen zu schützen, weil das Gehirn sie nicht filtern kann.
Aus diesem Grund kommt es dann eben sehr häufig zu Aggressionen, durch die absolute Überforderung, gegen die man sich nicht wehren kann und/oder man kommt in einen hochgradigen Zustand der Erschöpfung, ein Notanker des Organismus, der damit zeigt, dass er jetzt wirklich und sofort Ruhe braucht.
Bzw. ist das bei SUF sehr oft der Fall, ob es bei jeder vorkommt, kann ich nicht sagen, ich denke je nach Grad der Erkrakung, beim einem mehr, beim anderen vllt. nicht ganz so extrem.
Ich kenne das eben selbst und kann es wegen meiner eigenen Krankengeschichte so gut nachvollziehen.
Ein Lerneffekt ist dann nicht mehr möglich, weil der Organismus einfach nur SOS schreit.
Natürlich entwickelt man dann Ängste vor dem nächsten Mal, vor allem, wenn man dem unter Zwang ausgesetzt ist.
Das Gehirn eines gesunden Organismus filtert Reize automatisch, nach ihrer Wichtigkeit und kommt daher auch mit einer Reizüberflutung zurecht, daher kann es auch einen Lerneffekt daraus ziehen.
Bei einer SDU fehlt diese "Barriere".
Eine solche Überforderung hat dann also überhaupt keinen Nutzen, sondern macht einfach nur noch kränker, gerade, wenn man häufig solchen Situationen, in diesem Zustand ausgesetzt ist.
Ob das bei Überfunktion auch so ist, weiß ich leider nicht, durch meinen Hashi beschäftige ich mich vorrangig mit Unterfunktion und spüre das eben vor allem auch am eigenen Körper?
Ich denke, es gibt sicher noch andere Krankheiten und Schäden, die so etwas verursachen können.
Vllt. wurde es bei Gerri auch durch seine Hirnschädigung begünstigt und soweit ich mich recht erinnere, litt er nicht auch an einer Schilddrüsenunterfunktion?
Deswegen habe ich wieder betont, dass der Hund untersucht werden sollte, gerade wenn man vorhat mit solchen Methoden zu arbeiten, aber eigentlich auch ohne das.
Leidet ein Hund wirklich daran, kann man nur dann erfolgreich und so mit ihm arbeiten, wenn er vernünftig eingestellt ist und auf die Therapie anspricht, ansonsten schadet es nur und bringt niemandem was.
Überhaupt versteht man jetzt vllt etwas eher, warum es Hunden (anderen Tieren wahrscheinlich ebenso) und Menschen so schwer fällt, mit einer solchen Erkrankung zu lernen, vor allem unter Ablenkung.
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