Mein Problem ist, dass er sobald man auf ihn zu geht, er sich so freut, dass er komplett durchdreht.Anspringen von allen Seiten (Dominanz wird es auch sein),Rute gegen dieTür schlagen etc.
Für mich klingt das nach "aufgedreht sein". Was an diesem Verhalten findest du "dominant"?
(Das ist eine ernst gemeinte, nicht rhetorische Frage)
Draußen kennt er wohl noch gar nichts, so dass ich mit ihm z.b. den Blickkontakt erstmal nur im Haus üben kann (komm ich mir aber so blöd vor ).
Ist doch okay. Ich denke, viele Hunde kommen komplett verunsichert aus dem Tierheim und drehen dann auf, aber beim Dobi ist es immer noch mindestens eine Portion mehr.
Lass dir Zeit. Und vor allem: Lass IHM Zeit.
Und halt dich an das, was Tessa gesagt hat: Ruhe, Ruhe, Ruhe!
Bei allem nen Gang zurück schalten. Hund nicht überfordern. Der hat vermutlich im Moment wirklich soviel im Kopf, dass er draußen nicht mitkriegen KANN, was du von ihm willst.
Ich hab am Anfang den Fehler gemacht, alles auf einmal zu wollen. Bin dann auch unglücklicherweise an mehrere Hundetrainer geraten, die mit Dobermännern keine oder kaum Erfahrung hatten, und der Ansicht waren: "Der muss schnell tun, was man von ihm will, nur so gewinnt er Sicherheit. Der darf sich nicht anstellen dürfen!"
Folge: Nach 14 Tagen hatte ich einen extrem nervösen Hund. 4 weitere Wochen später waren der Hund und ich ein nervliches Wrack. Nein. Zwei nervliche Wracks. Ich hatte einen Bandscheibenschaden, der Hund einen Stresskollaps, und den zweiten Trainer hat er gebissen. Bloß weil ich (wie alle anderen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt um Hilfe gefragt hatte, mit einer Ausnahme) der Ansicht war, in 6 Wochen müsse der Hund funktionieren, alles andere sei "nicht normal" und dann hätte ich was falsch gemacht.
Und dann hab ich die Notbremse gezogen. Und 1,5 Jahre gebraucht, um die Fehler der ersten 6 Wochen wieder rauszukriegen.
So - nun hab ich doch noch geschrieben, wie ich angefangen habe.
Es ist ja auch nicht so, dass er keine Kraft hat. Damit meine ich, wenn wir draußen sind und er zieht, ist das gar nicht so leicht, mit dem stehenbleiben. 1 -2Schritte mach ich immer noch mit. Lach...
Ja, das kenn ich auch. Oder: Man geht um die Kurve, und Hund hängt in der Leine wie ein Windsurfer bei Windstärke 8 in der Kurve...
Offenbar ist auch dein Hund einer, der versucht, "dem Stress davon zu laufen". Er kommt raus, ist absolut reizüberflutet und rennt erstmal los. Rennen setzt Endorphine frei und erleichtert.
Mein Tipp für dein Kreuz wäre auch:
Führ den Hund an Halti und Halsband.
Dann gewöhn dir ein oder zwei regelmäßige Touren an, die du anfangs immer gehst, wenn möglich auch zu festen Zeiten. Für Rituale ein. Grund: Irgendwann, nach ein, zwei Wochen, wenn du Glück hast, wenn der Hund die Strecke kennt, ist EIN Haupt-Stressfaktor weg. Er muss nicht mehr ständig nach allem gucken, was ihm begegnet, er weiß so etwa, an welchen Ecken ihm was entgegenkommt usw.
Und dort übst du dann das Gehen ohne Ziehen. Das wird nach meiner Erfahrung anfangs mit Halsband und Halti wesentlich besser gehen als mit Geschirr und Halti. (Breites Halsband nehmen!)
Sicher ist das Geschirr für den Hund angenehmer, aber wenn du ihn nicht zum Stehen bekommst, ist das viel zu gefährlich. (Ich lag auch schon mal vor einem Auto aus diesem Grund.) - In dem Fall geht Sicherheit vor, und zwar so lange, bis der Hund einigermaßen zur Ruhe gekommen ist und nicht mehr dich durch die Gegend zieht, sondern umgekehrt.
Ich bin ja mittlerweile ein großer Fan vom (wohldosierten) Leinenruck, vor allem bei derartig ungünstigen Gewichtsverhältnissen. ABER: So lange der Hund draußen so beansprucht ist wie du beschreibst, wird er davon nicht viel mitkriegen. Probieren kannst du es trotzdem, einfach, weil es die
Routine des Ziehens unterbricht. Wenn man es richtig macht. Was mir jetzt, nach 2 Jahren, gelegentlich mal gelingt.
Also mehr kurze Signale geben, als den Hund dauernd ziehen lassen. - Damit würde ich aber auch erst anfangen, wenn der Hund sich etwas gefangen hat. Vermutlich kann er den Input im Moment gar nicht verarbeiten.
Habt ihr einen halbwegs großen Garten, wo er ohne Leine laufen kann?
Wenn nicht, oder auch ansonsten, kannst du versuchen, ihn auf einer Wiese o.ä. (soweit vorhanden) an die Schleppleine zu nehmen (evtl. am Geschirr - ist für den Hund besser. Wenn du dann allerdings bei jedem seiner Sprints auf dem Bauch liegst, nimm ein breites Halsband).
Führen würde ich den Hund nicht daran, daher die Wiese. Bleb fest stehen und gönn ihm eine Auszeit.
Garri war am Anfang so auf "Hauptsache Laufen" gepolt, dass er, sowie er die Leine frei bekam, wie ein Irrer im Kreis herum gerast ist - den konnte man im Prinzip müde longieren wie ein Pferd.
Achtung: Dieser Tipp ist nur eingeschränkt praktikabel - wenn du nicht sicher bist, den Hund an der 8 oder 15 m Leine halten zu können, mach es nicht!
Ach ja - auch noch wichtig, auch wenn ich es am Anfang nicht verstanden habe: Mach keine Riesenwanderungen und versuch, den Hund "müde zu laufen" - das schaffst du sowieso nicht. Dass er zieht wie ein - ehm - Dobi - ist nicht notwendigerweise eine Folge der Tatsache, dass er nicht ausgelastet ist. Er ist gestresst, draußen überfordert, und will darum an allem so schnell wie möglich vorbei.
Geh darum nicht zu lange mit ihm. Eventuell öfter, aber eben nicht so ausdauernd. Damit er zwischendrin mal in vertrauter Umgebung abschalten kann.
Ein gestresster Dobi ist wie ein hyperaktiver Autist auf Speed. "Ich kann nicht, ich muss noch, was mach ich da... was war das? und das? - Und was ist das? Wer zieht mich jetzt wieder? Oh nee, da vorn... - Und hier, schon wieder..."
Der hat nach ner gewissen Zeit einfach den Kopf voll und braucht ne Pause - und diese Zeit ist nach meiner Erfahrung am Anfang recht kurz. (Also, vielleicht nicht bei jedem so kurz wie bei meinem Irren, aber vielleicht ja auch doch?)
Also: Stress vermeiden, nicht zuviel Neues auf einmal machen, am Anfang keine Wunder erwarten.
Ich bin nach einiger Zeit glücklicherweise an jemanden geraten, der an sich kein Hundetrainer war, aber seit mehr als 20 Jahren Dobermänner hielt. Der hat mir viel geholfen.
Da war es aber anfangs so, wenn wir uns getroffen haben, dass wir vielleicht ganze 15 Minuten draußen etwas mit dem Hund gemacht haben.
Und dann hatte der Hund genug und war fix und alle für den Tag. Später waren es 20 Minuten, dann 30. Eigentlich nie mehr.
Oft genug war es dabei so, dass der Hund nen schlechten Tag hatte, und nur damit beschäftigt war, in der Gegend rumzustarren. Oder imaginäre Gefahren zu fixieren und zu verbellen. Oder im Kreis zu rennen und 4 von 5 Versuchen, ihn zu irgendwas zu bewegen, zu ignorieren.
Und dann kamen wir nach Hause, der Hund pennte ne Runde - und kannte auf einmal das Kommando, was wir an dem Tag neu geübt hatten. Der hat sich alles gemerkt, nur in dem Moment da draußen umsetzen konnte er es noch nicht, weil es erstmal sacken musste. Ganz erstaunlich.
Ach ja: Die Tatsache, dass mein lieber Hund mich nie angesehen hat (am wenigsten draußen), wurde mir anfangs von mehreren Leuten auch als "Dominanz"-Gebaren gedeutet. "Dem ist alles egal, der blendet dich aus und ignoriert dich bewusst. Der nimmt dich nicht ernst und hat es nicht nötig, dich anzusehen!" (Und auch sonst niemanden).
Dass er dabei trotzdem (wenn nicht gerade ein anderer Hund oder etwas anderes "Schreckliches" in Sicht kam) erstaunlich gut hörte (er hatte praktisch immer mindestens ein Ohr nach hinten geklappt
) , änderte an dieser Interpretation nichts.
Von "Meideverhalten" hatten diese Leute offenbar noch nie etwas gehört.
Tja - da hatte ich einen Dobi, der im Haus jeder Konfrontation aus dem Weg ging, sich ohne mehrfache Aufforderung nicht an den Fressnapf traute, jeden Blick sorgsam vermied, und genau dadurch andeutete, dass er eigentlich nach der Weltherrschaft strebte und eine "sehr feste Hand" benötigte.
Seitdem mag ich das Wort Dominanz nicht mehr besonders gern. Weil es eine viel zu einfache Erklärung für die allermeisten Sachen ist.
Liebe Grüße,
Lektoratte