wuschel
CDU kritisiert Rasselisten
"NRW-Hundeverordnung ein bürokratisches Monstrum"
Von Jutta Vossieg
Seit knapp einem Jahr ist die nordrhein-westfälische Hundeverordnung in Kraft, doch die öffentliche Debatte darüber flaut nicht ab. "Ein bürokratisches Monstrum, ohne jeden Sachverstand erstellt, das lediglich Scheinsicherheit vorgaukelt", urteilt Eckhard Uhlenberg, Vizefraktionschef der NRW-CDU in Düsseldorf.
Seine Fraktion hat einen Antrag im Landtag gestellt, die Verordnung zusammen mit Fachleuten zu überprüfen und zu überarbeiten mit dem Ziel, ein Gesetz zu verabschieden, das einen echten Schutz vor "tatsächlich gefährlichen Hunden und ihren verantwortungslosen Züchtern und Haltern" bewirkt. Die CDU will auf diese Weise eine Beteiligung des Parlaments erzwingen. Die bisherige Verordnung ist von Umweltministerin Höhn (Grüne) im vorigen Jahr im Alleingang erlassen worden.
Die CDU kritisiert vor allem die Rasselisten als "unwissenschaftliche Flickschusterei". Seit Juli 2000 stehen 13 Hunderassen auf "Liste 1" und 39 auf "Liste 2". Für sie gelten generell Maulkorb-und Leinenzwang, ihre Halter müssen unterschiedlich scharfe Auflagen erfüllen. Alle anderen größeren Hunde sind in bebauten Gebieten an der Leine zu führen, auch ihre Halter müssen in diesem Jahr ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.
Uhlenberg ist nicht generell gegen Rasselisten, hält die NRW-Lösung aber für ausufernd: "Bei Frau Höhn landen selbst Hirtenhunde entgegen ihrem Wesen und entgegen allen wissenschaftlichen Aussagen in der Schublade Kampfhund." Ein Beispiel ist der beliebte Familienhund Briard. Andererseits fehlten erwiesenermaßen auffällige Rassen ganz. Höhn selbst sei seit einem Jahr jede Antwort darauf schuldig geblieben, welche Fachleute sie bei der Erstellung der Listen beraten haben.
Zuletzt ist sie mit dieser Frage von CDU und FDP im Mai im Agrarausschuss in die Zange genommen worden. Dreimal sei sie gefragt worden, dreimal habe sie geantwortet, die Namen der Experten fielen ihr gerade nicht ein, berichten Teilnehmer der Sitzung.
Schließlich habe sie eingewilligt, die Namensliste schriftlich nachzureichen, was bis heute nicht geschehen ist, wie Uhlenberg bestätigt. Auf drängende Nachfragen, warum die "Liste 2" zwar exotische und teilweise ausgestorbene Hütehund-Rassen enthalte, nicht aber den Deutschen Schäferhund, der für mehr als die Hälfte aller tödlichen Beißattacken der vergangenen 30 Jahre verantwortlich ist, habe Frau Höhn schließlich entnervt erklärt, sie wolle sich nicht mit den einflussreichen Schäferhunde-Vereinen anlegen, heißt es aus Teilnehmerkreisen.
Die CDU sieht daher - im Gegensatz zum Kinderschutzbund - durch die Verordnung keineswegs Sicherheit vor Hundeattacken hergestellt: Einerseits seien die Listen unsinnig, andererseits sei die Verordnung nebst ihren komplizierten Ausführungsbestimmungen von den Kommunen in der Praxis überhaupt nicht kontrollierbar.
Der CDU schwebt daher ein Gesetz vor, in dem neben einem Bußgeld von 100 000 Mark für Beißattacken vor allem die obligatorische Schulung für Hundehalter und regelmäßige Wesenstests für Hunde sowie die scharfe Kontrolle der Zucht festgeschrieben sind.
Während die Grünen am Mittwoch die Verordnung verteidigten, dringt auch die FDP auf deren Abschaffung und die Verabschiedung eines wirksamen Gefahrhunde-Gesetzes. Innerhalb der SPD gibt es seit langem deutliche Bestrebungen, die Rasselisten kräftig "einzudampfen", ohne dass der große Koalitionspartner in dieser Richtung aktiv geworden ist.
Keine Klagen anhängig
Auftrieb bekamen die Gegner der Rasselisten kürzlich auch durch Urteile der Oberverwaltungsgerichte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, durch die die dortigen Hundeverordnungen teilweise nichtig wurden. Insbesondere die Richter in Schleswig verneinten, dass die Gefährlichkeit von Hunden allein auf Grund ihrer Rassezugehörigkeit unterstellt werden könne.
Ministerin Höhn hat mehrfach bekundet, diese Urteile berührten die NRW-Verordnung nicht. Allerdings sind in NRW auch keine Klagen anhängig: CDU und FDP setzen - bisher erfolglos - auf politischen statt juristischen Widerstand. Betroffene Hundehalter können hierzulande, anders als in Schleswig-Holstein, nicht gegen das Gesetz an sich klagen. Sie müssten sich auf den langen und kostspieligen Instanzenweg begeben.
Kritik an der NRW-Regelung äußerte gestern auch der Deutsche Tierschutzbund: "Die Bilanz ist katastrophal", erklärte der Präsident des Bundes, Wolfgang Apel. Es sei eine Scheinsicherheit geschaffen worden, ohne die Ursachen anzugehen. Seit Juli 2000 seien in NRW rund 950 "Listenhunde" in Tierheime gebracht worden. Es dränge sich der Eindruck auf, die Politiker reichten das Problem an den ehrenamtlichen Tierschutz weiter
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 07.06.01
"NRW-Hundeverordnung ein bürokratisches Monstrum"
Von Jutta Vossieg
Seit knapp einem Jahr ist die nordrhein-westfälische Hundeverordnung in Kraft, doch die öffentliche Debatte darüber flaut nicht ab. "Ein bürokratisches Monstrum, ohne jeden Sachverstand erstellt, das lediglich Scheinsicherheit vorgaukelt", urteilt Eckhard Uhlenberg, Vizefraktionschef der NRW-CDU in Düsseldorf.
Seine Fraktion hat einen Antrag im Landtag gestellt, die Verordnung zusammen mit Fachleuten zu überprüfen und zu überarbeiten mit dem Ziel, ein Gesetz zu verabschieden, das einen echten Schutz vor "tatsächlich gefährlichen Hunden und ihren verantwortungslosen Züchtern und Haltern" bewirkt. Die CDU will auf diese Weise eine Beteiligung des Parlaments erzwingen. Die bisherige Verordnung ist von Umweltministerin Höhn (Grüne) im vorigen Jahr im Alleingang erlassen worden.
Die CDU kritisiert vor allem die Rasselisten als "unwissenschaftliche Flickschusterei". Seit Juli 2000 stehen 13 Hunderassen auf "Liste 1" und 39 auf "Liste 2". Für sie gelten generell Maulkorb-und Leinenzwang, ihre Halter müssen unterschiedlich scharfe Auflagen erfüllen. Alle anderen größeren Hunde sind in bebauten Gebieten an der Leine zu führen, auch ihre Halter müssen in diesem Jahr ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.
Uhlenberg ist nicht generell gegen Rasselisten, hält die NRW-Lösung aber für ausufernd: "Bei Frau Höhn landen selbst Hirtenhunde entgegen ihrem Wesen und entgegen allen wissenschaftlichen Aussagen in der Schublade Kampfhund." Ein Beispiel ist der beliebte Familienhund Briard. Andererseits fehlten erwiesenermaßen auffällige Rassen ganz. Höhn selbst sei seit einem Jahr jede Antwort darauf schuldig geblieben, welche Fachleute sie bei der Erstellung der Listen beraten haben.
Zuletzt ist sie mit dieser Frage von CDU und FDP im Mai im Agrarausschuss in die Zange genommen worden. Dreimal sei sie gefragt worden, dreimal habe sie geantwortet, die Namen der Experten fielen ihr gerade nicht ein, berichten Teilnehmer der Sitzung.
Schließlich habe sie eingewilligt, die Namensliste schriftlich nachzureichen, was bis heute nicht geschehen ist, wie Uhlenberg bestätigt. Auf drängende Nachfragen, warum die "Liste 2" zwar exotische und teilweise ausgestorbene Hütehund-Rassen enthalte, nicht aber den Deutschen Schäferhund, der für mehr als die Hälfte aller tödlichen Beißattacken der vergangenen 30 Jahre verantwortlich ist, habe Frau Höhn schließlich entnervt erklärt, sie wolle sich nicht mit den einflussreichen Schäferhunde-Vereinen anlegen, heißt es aus Teilnehmerkreisen.
Die CDU sieht daher - im Gegensatz zum Kinderschutzbund - durch die Verordnung keineswegs Sicherheit vor Hundeattacken hergestellt: Einerseits seien die Listen unsinnig, andererseits sei die Verordnung nebst ihren komplizierten Ausführungsbestimmungen von den Kommunen in der Praxis überhaupt nicht kontrollierbar.
Der CDU schwebt daher ein Gesetz vor, in dem neben einem Bußgeld von 100 000 Mark für Beißattacken vor allem die obligatorische Schulung für Hundehalter und regelmäßige Wesenstests für Hunde sowie die scharfe Kontrolle der Zucht festgeschrieben sind.
Während die Grünen am Mittwoch die Verordnung verteidigten, dringt auch die FDP auf deren Abschaffung und die Verabschiedung eines wirksamen Gefahrhunde-Gesetzes. Innerhalb der SPD gibt es seit langem deutliche Bestrebungen, die Rasselisten kräftig "einzudampfen", ohne dass der große Koalitionspartner in dieser Richtung aktiv geworden ist.
Keine Klagen anhängig
Auftrieb bekamen die Gegner der Rasselisten kürzlich auch durch Urteile der Oberverwaltungsgerichte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, durch die die dortigen Hundeverordnungen teilweise nichtig wurden. Insbesondere die Richter in Schleswig verneinten, dass die Gefährlichkeit von Hunden allein auf Grund ihrer Rassezugehörigkeit unterstellt werden könne.
Ministerin Höhn hat mehrfach bekundet, diese Urteile berührten die NRW-Verordnung nicht. Allerdings sind in NRW auch keine Klagen anhängig: CDU und FDP setzen - bisher erfolglos - auf politischen statt juristischen Widerstand. Betroffene Hundehalter können hierzulande, anders als in Schleswig-Holstein, nicht gegen das Gesetz an sich klagen. Sie müssten sich auf den langen und kostspieligen Instanzenweg begeben.
Kritik an der NRW-Regelung äußerte gestern auch der Deutsche Tierschutzbund: "Die Bilanz ist katastrophal", erklärte der Präsident des Bundes, Wolfgang Apel. Es sei eine Scheinsicherheit geschaffen worden, ohne die Ursachen anzugehen. Seit Juli 2000 seien in NRW rund 950 "Listenhunde" in Tierheime gebracht worden. Es dränge sich der Eindruck auf, die Politiker reichten das Problem an den ehrenamtlichen Tierschutz weiter
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 07.06.01