Wenigstens England kommt zur Vernunft - wenn auch wieder nur aufgrund öffentlicher Proteste. Hier bewirkt die Pressegeilheit der Politiker wenigstens mal etwas Gutes
Von Maulkorbzwang.de
Kälbchen "Phoenix" wird zum Symbol der Hoffnung
Von Ulrich Schilling-Strack WAZ LONDON. Phoenix wird zum Symbol der
Hoffnung. Das kleine Kalb, das unter einem Kadaverberg entdeckt worden
war, markiert eine neue Taktik im Kampf gegen die Maul- und
Klauenseuche (MKS).
Bisher wurden alle Herden rund um die Infektionsherde gekeult, und
auch Phoenix sollte sterben. Doch das schneeweiße Kälbchen wurde von
einer ganzen Nation in Schutz genommen. Nach heftigen Protesten gegen
das Todesurteil für ein 14 Tage altes Tier beugte man sich dem
öffentlichen Druck. Phoenix darf leben, und in Zukunft wird auf
Massenschlachtungen verzichtet.
Offiziell begründete die britische Regierung am Donnerstag den
Kurswechsel mit einer gewissen Entspannung. Inzwischen würden weniger
neue Infektionen gemeldet. Deshalb könne man die kompromisslosen
Schlachtregeln lockern.
Die Entscheidung wurde aber nicht ganz freiwillig vollzogen. Seit
Monaten werden hunderttausende Rinder, Schafe und Ziege getötet, auch
wenn sie keinerlei Zeichen einer Ansteckung tragen. Die Kadaverberge
stinken zum Himmel.
Unbehagen über die radikale Schlachtpolitik entlud sich nun in einer
Rebellion, in deren Mittelpunkt ein Kalb stand. Phoenix wurde auf
einem Bauernhof in Devon entdeckt, wo ein Schlachtkommando fünf Tage
zuvor eine ganze Rinderherde gekeult hatte. Das Kalb war offenbar
übersehen worden. Eng an seine tote Mutter geschmiegt, war es in einem
bemitleidenswerten Zustand.
Kaum waren erste Bilder der Tiertragödie erschienen, brach ein Sturm
der Entrüstung los. Die Katastrophe rund um MKS bekam plötzlich ein
lebendiges Antlitz. Rettet Phoenix, war das neue Motto, und eine ganze
Nation eilte zur Hilfe. Zeitungen und TV-Sender wurden mit Anrufen und
Faxen überschüttet, und vor dem Bauernhof unweit von Membury rotteten
sich empörte Tierschützer und neugierige Reporter zusammen.
Zweimal versuchte das Schlacht-Kommando am Mittwoch vergeblich, das
Todesurteil zu vollstrecken. Als sich der Kampf um das Kalb bereits in
ein heißes Wahlkampfthema zu verwandeln drohte, kam Entwarnung. Spät
am Abend wurde das Todesurteil aufgehoben.
Gestern folgte die wissenschaftliche Begründung für das Einlenken. Man
werde den Krieg gegen die Seuche auch mit anderen Mitteln gewinnen,
behauptete nun das Landwirtschaftsministerium, das die Aufregung um
Phoenix noch 24 Stunden zuvor als "heillose Sentimentalität" abgetan
hatte.
Bauer Philip Board (42) feierte den Sieg der Vernunft: "Ich hätte nie
gedacht, dass es ein Kalb bis in die Downing Street schafft. Es gab
keinerlei Grund für die Schlachtung, und Phoenix hat sich sein Leben
wahrlich verdient." Das Kalb der Nation wird nun mit der Flasche
aufgezogen und danach auf eine grüne Wiese geschickt.
Marion und ihre 2 Höllenhunde Tau & Tiptoe